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Schuldneratlas 2023: Experten schildern häufiges Problem der „weichen Überschuldung“

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Vor allem viele junge Erwachsene laufen Fachleuten zufolge zunehmend Gefahr, ihren finanziellen Pflichten langfristig nicht mehr nachzukommen. Was raten Verbraucherschützer?

Nach jahrelangen Rückgängen bei der Überschuldung von Bürgern hat sich das Blatt nach Daten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform gewendet. In Deutschland seien in diesem Jahr 5,65 Millionen Menschen überschuldet gewesen, teilte das Unternehmen am 15. November einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zufolge mit. Im Vergleich zum Vorjahr sei das zwar ein Minus von 233.000 Menschen, heißt es im dpa-Bericht. Das aber liege an einem statistischen Effekt. Rechne man diesen heraus und errechne die Zahl mit der gleichen Methode wie 2022, ergebe sich ein Plus von 17.000.

Es habe „eine verdeckte Trendumkehr“ gegeben, hieß es. Im kommenden Jahr werde die Überschuldung wahrscheinlich deutlicher anziehen. Zuletzt hatte es 2018 einen Anstieg der Überschuldung gegeben.

Höhere Lebenshaltungskosten und gestiegene Zinsen

Creditreform begründete die Entwicklung dpa zufolge mit höheren Lebenshaltungskosten, gestiegenen Zinsen und der schwachen Konjunktur samt stärkerer Arbeitslosigkeit. Als überschuldet gilt, wer seinen finanziellen Verpflichtungen langfristig nicht nachkommen kann. In Corona-Zeiten war die Überschuldung dem Bericht der dpa zufolge gesunken, da die Zinsen sehr niedrig waren und die Menschen mitunter sparsamer waren sowie weniger Gelegenheit zum Geldausgeben hatten. Zudem stützen staatliche Hilfen Firmen und sicherten dadurch Jobs. Für seinen „Schuldneratlas“ wertet Creditreform anonymisierte Daten aus amtlichen Registern, Online-Händlern und anderen Quellen aus, wie dpa außerdem schildert.

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Problem der Überschuldung hat sich bei Unter-30-Jährigen verschärft

Bei einem Blick auf die Altersgruppen ist auffällig, dass sich das Problem der Überschuldung bei den Unter-30-Jährigen verschärft hat, wie dpa und die Tagesschau berichteten. Den Schuldenexperten sei zudem aufgefallen, dass aktuell wieder mehr Menschen Probleme mit der „weichen Überschuldung“ hätten, wie es in einem Bericht auf Tagesschau.de vom 15. November anlässlich des vorgestellten „Schuldneratlas 2023“ heißt. Gemeint sind dem Bericht zufolge solche Fälle, die zwar noch nicht in der Statistik auftauchen, wo aber bereits mehrere Mahnungen und Inkassoverfahren laufen.

Überschuldung
Als überschuldet gilt, wer seinen finanziellen Verpflichtungen langfristig nicht nachkommen kann. (Symbolbild) © Hannes P Albert/dpa

Was sagen Verbraucherschützer?

Nicht zuletzt die hohe Inflation macht aus Sicht von Experten vielen Menschen finanziell zusätzlich zu schaffen. Roman Schlag von der Schuldnerberatung der Caritas verweist in dem Bericht von Tagesschau.de zudem auf die stark steigende Nachfrage nach Ratenkrediten, die Menschen auch für kleine Summen in Anspruch nehmen. „Das beinhaltet ein großes Risiko und bedarf einer sehr guten und soliden Haushaltsführung. Wenn die nicht gegeben ist, kann man ganz schnell in eine Schieflage geraten.“

Verbraucherschützer setzen sich unter anderem für einen besseren Schutz der Menschen bei der Kreditvergabe ein, damit diese erst gar nicht in den Schuldensog gerieten. „Ein effektiver Schutz vor Überschuldung kann nur gelingen, wenn die Kreditgeber das für die Rückzahlung zur Verfügung stehende Einkommen bei der Kreditwürdigkeitsprüfung zwingend erfassen müssen“, sagt Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) dpa zufolge.

Einnahmen und Ausgaben aufstellen

Die Verbraucherzentrale NRW erklärt Wege, wie man Geldsorgen vermeiden oder ihnen gegebenenfalls entgegentreten sollte. Die Experten raten, sich zunächst einen Überblick über Einnahmen und Ausgaben zu verschaffen und ein Haushaltsbuch zu führen, „um vom Einkauf über die Zuzahlung zum Rezept bis hin zur fälligen Stromrechnung alle Ausgabenposten festzuhalten“, wie es in einer Mitteilung der Verbraucherzentrale heißt. So lassen sich mögliche Einsparpotenziale einfacher erkennen – und Abos oder teure Handyverträge könnten ebenso auf den Prüfstand gestellt werden wie hohe Kosten für Strom oder Versicherungen.

Zahlungsprioritäten setzen

„Auch wenn die Finanzlage düster ist, sollten Miete und Energiekosten vor allem anderen bezahlt werden“, erklärt die Verbraucherzentrale NRW zudem auf ihrer Website. „Denn die Kündigung kann drohen, wenn man bei Mietzahlungen zweimal in Rückstand gerät. Und auch bei Strom und Gas wird der Versorgungshahn abgedreht, wenn bei Abschlägen oder der Schlussrechnung ein Minus von mehr als 100 Euro aufläuft und dies auch auf eine Mahnung hin nicht ausgeglichen wird.“

Sprechstunden bei Schuldnerberatungsstellen nutzen

Telefonrechnungen und Kontoauszüge sollte man regelmäßig überprüfen, rät die Verbraucherzentrale. Und bei unberechtigten Abbuchungen schnell reagieren. Betroffene sollten sich außerdem rechtzeitig Hilfe in einer Beratungsstelle der Verbraucherzentrale suchen, heißt es unter anderem in dem Beitrag. „Wenn Mahnbescheide kommen, sich unbezahlte Rechnungen türmen oder Miete und Strom nicht mehr bezahlt werden können, ist schnelle Hilfe durch eine anerkannte Schuldnerberatung gefragt“.

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