1. tz
  2. Leben
  3. Gesundheit

Bluthochdruck: Diese Mini-OP kann Ihr Leben verlängern

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

null
Prof. Ellen Hoffmann und Dr. Martin Schmidt vom Klinikum Bogenhausen zeigen, wie der Eingriff funktioniert. © Götzfried

München - In München findet derzeit der Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Cardiology (ESC) statt. Neue Techniken in der Herz-Medizin werden vorgestellt. Dazu gehört die Möglichkeit, Bluthochdruck mit einer Mini-OP zu behandeln.

Es gibt Menschen, die können sich noch so sehr anstrengen - aber sie bekommen ihren Bluthochdruck einfach nicht in den Griff. Obwohl sie auf ihre Ernährung achten. Obwohl sie Sport treiben. Obwohl sie diverse Pillen schlucken. Für diese Patienten gibt es eine Therapie aus Amerika, die sich auch in Deutschland immer mehr durchsetzt: Auf Medizinerdeutsch heißt die Mini-OP, die im Herzkatheterlabor durchgeführt wird, Renale Sympathikus-Denervation - kurz RSD. Beim Kardiologen-Kongress werden nun Daten präsentiert, die den anhaltenden Erfolg der Methode untermauern.

Wie wertvoll diese Therapie ist, erläutert ESC-Programmchef Professor Michael Böhm: „Das kann sich zu einem revolutionären Durchbruch in der Behandlung von Hypertonie entwickeln, der mit Medikamenten nicht ausreichend beizukommen ist.“

Der Kampf gegen die Volkskrankheit ist für die Medizin von größter Bedeutung. Schließlich ist Bluthochdruck sozusagen ein Serienkiller, der global zuschlägt: Nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation ist er für 12,8 Prozent aller Todesfälle verantwortlich.

Die RSD kommt nach Einschätzung von Spezialisten für 20 bis 30 Prozent aller Hypertonie-Patienten infrage. Bei dem Eingriff werden Nervenzellen entlang der beiden Nierenarterien verödet – und damit körpereigene Reaktionen unterbrochen, die zu einer Verengung der Blutgefäße führen.

Nun bestätigen neue Auswertungen, dass es sich bei der RSD um ein effizientes und sehr sicheres Verfahren handelt. Es sei lediglich ein einziger Fall bekannt, bei dem es zu Komplikationen gekommen ist – genauer gesagt zu einer Verletzung der Gefäßwand, berichtet Professor Böhm. Dem stehen sehr gute Therapieerfolge gegenüber – wie aus der Präsentation beim ESC-Kongress hervorgeht. Daten zur sogenannten Ein-Jahres-Wirksamkeit der Eingriffe dokumentieren, dass der Blutdruck der behandelten Patienten um durchschnittlich 26,3 mmHg gesunken ist. Zum Vergleich: Als Faustregel geben Kardiologen vor, dass man den Blutdruck mit einem Medikament um etwa 10 mmHg reduzieren kann.

Somit wird die RSD immer wichtiger. Professor Böhm spricht von einer „echten Erweiterung des therapeutischen Spektrums“.

Hightech-Eingriff: Was die Ärzte genau machen

Professorin Ellen Hoffmann gehört zu den führenden Spezialisten für Sympathikus-Denervationen. In der tz erklärt die Chefärztin im Klinikum Bogenhausen, wie der Eingriff funktioniert.

Das Prinzip: „Bei der Entstehung von Bluthochdruck spielt der Sympathikus eine zentrale Rolle. Er ist eng mit der Niere verbunden“, erklärt Hoffmann. Der Sympathikus sitzt im Gehirn und ist eine

null
Mit diesem hauchdünnen Schlauch arbeiten die Herz-Spezialisten bei der Mini-OP. © Götzfried

Steuerungszentrale des vegetativen Nervensystems. Er hat die Funktion, die Handlungsbereitschaft des Menschen bei Bedarf zu erhöhen – etwa im Fall von Stress oder Gefahr. Dazu schickt der Sympathikus Impulse an die Niere. Das „Macher- Organ“ bildet dann Renin. Dieses Enzym setzt einen chemischen Prozess in Gang, der die Gefäße verengt und damit den Blutdruck steigen lässt. „Bei der Sympathikus-Denervation blockieren wir praktisch die Datenautobahnen“, so Hoffmann.

Die Methode: Zunächst punktieren die Mediziner die Leistenarterie und legen einen Zugang. Anschließend schieben sie einen Katheder in die Arterie. Das ist ein hauchdünner High-Tech-Schlauch – Spitzendurchmesser 1,3 Millimeter. An dessen Ende befindet sich eine Energiequelle, die Hitze erzeugt. Laien können sich das Prinzip so ähnlich vorstellen wie bei einem ferngesteuerten Lötkolben. Hoffmann: „Wir arbeiten mit Radiofrequenzenergie bei einer Leistung von vier bis acht Watt.“

Der genaue Ablauf: Der Einsatzort des Katheters aus einem amerikanischen Innovationslabor liegt etwa in Höhe des zweiten Lendenwirbels. Dort entspringen die Nierenarterien. An deren Außenwänden befindet sich ein Nervengeflecht, das die Impulse vom Sympthatikus an die Niere weiterleitet – und genau dieses Geflecht schalten die Mediziner aus, sie nennen das Verödungstechnologie („Ablation“). Dabei setzen sie die Hitzequelle spiralförmig an sechs verschiedenen Stellen an. Das Verfahren erfordert Präzisionsarbeit. „Der Abstand zwischen den Verödungspunkten beträgt nur fünf Millimeter“, erklärt Hoffmann.

Was die Patienten erwartet: Der Eingriff dauert 45 bis 60 Minuten und wird unter lokaler Betäubung und bei einer leichten Sedierung durchgeführt.

Die Nachbehandlung: Danach muss der Patient noch ein bis zwei Tage zur Beobachtung in der Klinik bleiben – unter anderem, damit die Ärztefrüh auftretende Blutdruckschwankungen erkennen können. Hoffmann: „Mit einem Abfall des Blut­drucks ist aber in der Regel erst verzögert im Verlauf von Wochen nach der Verödungstherapie zu rechnen.“ Nach der Entlassung sind noch weitere ambulante Kontrolluntersuchungen notwendig.

Neue Erkenntnisse rund ums Herz

Die globale Killer-Krankheit: Jahr für Jahr sterben weltweit 17 Millionen Menschen an den Folgen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen - das belegen Auswertungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Allein in Europa sind es 4,3 Millionen Opfer, in Deutschland mehr als 350 000.

Die Todes-Statistik nach einzelnen Erkrankungen: Bluthochdruck kostet jährlich 7,5 Millionen Menschen das Leben, wie aus WHO-Analysen hervorgeht. An Erkrankungen durch Rauchen sterben sechs Millionen Weltbürger, außerdem 2,8 Millionen an den Folgen von Übergewicht bis hin zur Fettleibigkeit. Dazu kommen 2,6 Millionen Tote wegen erhöhten Cholesterinwerten und 1,3 Millionen Diabetes-Tote.

Wie die Wirtschaft ­leidet: Schätzungen der WHO zufolge kosten Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Wirtschaft der EU jährlich 192 Milliarden Euro.

Rauchen für jeden zehnten Todesfall weltweit verantwortlich: Rund um den Globus rauchen eine Milliarde Menschen. Laut WHO werden 2012 etwa sechs Millionen Menschen an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben, darunter 600 000 Passivraucher.

Auch wer nur kurz raucht, kann daran schwer erkranken: Raucher, die eine Packung am Tag qualmen, haben bereits nach fünf bis zehn Jahren ein mehr als doppelt so hohes Risiko, an einer Vorstufe von Diabetes zu erkranken. Das belegt eine Studie aus der Schweiz und Liechtenstein.

Größeres Schlaganfall­risiko schon in jungen Jahren: Rauchen kann bereits bei Jugendlichen zu gefährlichen Veränderungen in der Halsschlagader führen. Das hat eine Schweizer Wissenschaftlerin herausgefunden.

So positiv wirken sich Rauchverbote aus: Eine Studie aus Bremen belegt, dass vor allem Passivraucher von dem Schutzgesetz in dem Stadtstaat profitieren. Nach der Einführung der Regelung 2008 sank dort der Anteil an schweren Herzinfarkten bei Nichtrauchern um 26 Prozent – und das innerhalb von nur zwei Jahren.

Dank Rauchverboten weniger Herzpatienten im Krankenhaus: Die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) hat fünf Jahre lang die Daten von 3,7 Millionen Versicherten ausgewertet. Das Ergebnis: Seit Einführung der Nichtraucherschutz-Gesetze in Deutschland sind weniger Menschen wegen Herzbeschwerden ins Krankenhaus gekommen. Laut DAK-Studie sank die Zahl der Patienten, die wegen Angina-Pectoris-Beschwerden (Engegefühl in der Brust) eingeliefert werden, um 13,3 Prozent. Wegen akuten Herzinfarkten kamen 8,6 Prozent weniger Patienten in die Klinik als vor Einführung der Rauchverbote.

Immer mehr Kinder sind viel zu dick: „Übergewicht ist heute in der EU die häufigste gesundheitliche Störung im Kindesalter“, berichtet Professor Georg Ertl. Wie der Mediziner weiter berichtet, sind unter Deutschlands Elfjährigen zehn Prozent der Mädchen und 13 Prozent der Buben übergewichtig oder fettleibig. Studien belegen, dass Übergewicht bereits im Kindesalter aufs Herz schlägt – die Funktion der linken Herzkammer kann sich verschlechtern.

Andreas Beez

Auch interessant

Kommentare