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"Handy-Nacken": Gefahr für die Wirbelsäule

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Eine Frau massiert ihre schmerzenden Nackenmuskeln.
Schmerzen in der Nackenmuskulatur können sehr unangenehm sein. © agefotostock/Imago

Wer immer nach unten auf sein Handy, Tablet oder Buch blickt, belastet seine Wirbelsäule mit Extra-Gewicht, das auf den Nacken drückt. Nackenverspannungen und - schmerzen können die Folge sein.

Etwa fünf Kilo wiegt der Kopf eines erwachsenen Menschen, neigen wir den Kopf jedoch nach vorn und nach unten, lastet ein Vielfaches des Gewichts auf der Halswirbelsäule: Bei einer Neigung von 15 Grad steigt das Gewicht etwa auf 13 Kilo, bei 30 Grad sind es schon 20 Kilo und bei einem Winkel von 45 Grad drücken 24 Kilo auf die sieben Halswirbel.

Schaut man richtig nach unten, so wie man es oft tut, um auf seinem Smartphone oder Tablet zu lesen, eine Nachricht zu verschicken oder einen Film im Internet zu schauen, wird die Wirbelsäule mit bis zu 30 Kilogramm zusätzlich belastet. Das ist, als würde ein sechsjähriges Kind im Nacken herumturnen. Wer nicht für genügend Ausgleich sorgt, bekommt irgendwann schmerzhafte Nackenverspannungen. Noch sind sich Mediziner nicht einig, ob diese zusätzliche Belastung der Halswirbelsäule in Zukunft zu vermehrten Problemen führen wird. Der Neurochirurg Dr. Samer Ismail jedoch ermahnt seine eigenen Kinder, gerade aufs Smartphone oder Tablet zu schauen: „Ich will nicht, dass sie irgendwann unter einem sogenannten Handynacken und schlimmen Kopfschmerzen leiden.“

Wie groß ist die Gefahr wirklich, dass das Hinunterschauen aufs Smartphone die Wirbelsäule schädigt?

Dr. Samer Ismail: Das kann man so nicht beantworten. Ich denke, noch geht es in erster Linie um Vorsorge. Ich sehe allerdings in meiner Praxis vermehrt junge Leute, die unter starken Nackenkopfschmerzen leiden. Solche Syndrome haben selten nur eine Ursache, meist kommen mehrere Faktoren zusammen. Aber wir wissen, dass immer

Dr. Samer Ismail
Dr. Samer Ismail ist Facharzt für Neurochirurgie und Gründer des Wirbelsäulenzentrums München Ost. © privat

mehr Menschen ein Smartphone besitzen und dass sie zum Teil viele Stunden am Tag damit beschäftigt sind. Wenn wir nach unten schauen, verändert sich die ganze Körperhaltung. Die Schultern rutschen nach vorn, das überdehnt den Nackenmuskel, der Brustmuskel wird verkürzt. Wenn man nicht dagegenarbeitet mit Übungen oder mit Sport, kommt es zu Verspannungen. So ein Handy­nacken entsteht ja nicht über Nacht: Wenn ständig große Kräfte auf die Halswirbelsäulen einwirken, dann nutzen sich die Knochen über viele Jahre hinweg ab, irgendwann melden sich dann die Bandscheiben. Ich befürchte einfach, dass gerade die Jugendlichen, die jetzt stundenlang mit ihren Smartphones spielen, in 20 Jahren sagen: Ich kann nicht mehr. Gerade dann, wenn sie mitten im Berufsleben stehen, werden sie nicht mehr leistungsfähig sein. Bei Kindern reicht, finde ich, eine Stunde Umgang mit dem Smartphone am Tag. Kürzlich habe ich einen 24-jährigen Mann operiert, der ununterbrochen Playstation gespielt und dadurch einen Bandscheibenvorfall erlitten hat. Also so etwas kommt schon vor.

Wenn man nicht auf das Smartphone verzichten mag, oder es aus beruflichen Gründen nicht kann: Wie kann man seine Wirbelsäule schützen?

Ismail: Man sollte nicht den Kopf zum Smartphone neigen, sondern das Smartphone Richtung Kopf bewegen. Möglichst gerade auf das Display schauen – das ist die reinste Erholung für den Nacken. Sportliche Bewegung ist ganz wichtig, aber ich warne vor Überaktivität. Bloß nicht im Fitnessstudio viele Gewichtie stemmen, da machen viele Menschen mehr kaputt, als sie denken. Ich empfehle z. B: Nordic Walking mit zwei Stöcken. Es geht darum die Tiefenmuskulatur am Rücken und an der Brust zu stärken und zu strecken. Auch mit dem Flexibar sind gute Übungen möglich. Laufen tut ebenfalls gut, außer man senkt den Kopf zu Boden. Beim Laufen gilt: Den Blick immer gerade nach vorn richten.

Man beugt sich ja nicht nur beim Ins-Smartphone-Schauen nach vorn, sondern auch beim Bücherlesen, am Computer oder beim Bügeln. Wenn es zu schmerzen beginnt, was hilft?

Ismail: Es gibt Übungen, die man zwischendurch und sogar im Büro machen kann. Man stellt sich mit dem Rücken an eine Wand, lehnt sich ganz gerade an, atmet tief ein und aus und entspannt ganz bewusst die Schultern. Dann hebt man die Arme senkrecht nach oben, wie die Flügel eines Flugzeugs und hält sie etwa 30 Sekunden. Dann lässt man sie wieder fallen. Die Übung wiederholt man ein paarmal. Das ist eine sehr einfache Übung, die sehr effektiv die Nackenmuskeln entspannt.

Verspannungen im Nacken kennen viele Menschen. Warum ist der Hals so empfindlich?

Ismail: Im Hals ist der Platz unglaublich knapp kalkuliert, dort ist es einfach sehr eng. Wirbel, Rückenmark, Luftröhre, Speiseröhre, alle Gefäße, die das Gehirn versorgen. Wenn es dort zu einer Verspannung oder sogar zum Verschleiß von Wirbelknochen kommt – dann wird das schnell klinisch relevant. Mir schicken oft Hals-Nasen-Ohrenärzte Patienten, die über Schwindel klagen. Da kann es dann sein, dass die Versorgung des Gleichgewichtsorgans gestört ist. Wir Mediziner unterscheiden akute, subakute und chronische Schmerzen, je nachdem wie lange die Schmerzen andauern. Wer spürt, dass er verspannt ist, dem tut Wärme gut. Auch Ibuprofen und muskelentspannende Medikamente können helfen. Die muss jedoch immer ein Arzt verschreiben. Je nachdem wie verhärtet die Muskeln sind, verschreibe ich auch Krankengymnastik oder eine Mobilisation der Wirbelsäule.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ismail: Wenn der Schmerz ausstrahlt, es zu Missempfindungen, Gefühlsstörungen oder sogar Taubheitsgefühlen in den Armen kommt. Dann ist es wichtig, die Beschwerden genau zu diagnostizieren. Wer die Schmerzen ignoriert, riskiert einfach einen langsamen Verschleiß an der Halswirbelsäule.

Dr. Samer Ismail ist Facharzt für Neurochirurgie und Gründer des Wirbelsäulenzentrums München Ost.

Muskeln kräftigen

Aufrecht an eine Wand stellen, Doppelkinn machen und den Nacken so dicht wie möglich an die Wand schmiegen, kurz die Spannung halten, dann tief einatmen und entspannen. Wiederholen.

Setzen Sie sich wie in der ersten Übung im aufrechten Sitz auf einen Stuhl, dann werden Bauch- und Gesäßmuskulatur angespannt. Nun strecken Sie die Arme nach oben, beugen sie, ziehen die Ellenbogen nach hinten (Schulterblätter zusammenführen) und drücken mit den Händen gegen einen gedachten Widerstand, so als würden sie die Decke nach oben heben wollen. Die Arme lockern und die Übung wiederholen.

Muskeln stabilisieren

Aufrechter Sitz, Po und Bauchmuskeln anspannen, die Hände hinter dem Kopf verschränken und langsam durch Druck gegen die Hände Spannung aufbauen, dann die Spannung langsam reduzieren. Die Spannung sollte nur so stark sein, dass sie noch als angenehm empfunden wird.

Die besten Übungen für den Nacken

Grundübungen mit Gaby Fastner: Setzen Sie sich aufrecht auf den Stuhl, ziehen Sie die Wirbelsäule in die Länge. Die Hände liegen auf dem Oberschenkel, die Füße stehen verwurzelt auf dem Boden.

Strecken Sie die Arme und räkeln Sie sich achtmal rechts und links. Lassen Sie die Arme nach unten fallen und schwingen Sie achtmal hoch und tief. Zweimal wieder­holen. Foto: Telegym/Aktiv & beweglich mit 60+

Aufrechter Sitz, Po und Bauchmuskeln anspannen. Dann die Schultern nach hinten und unten drücken, kurz halten, anschließend nach vorn und oben drücken (Schultern Richtung Nase bewegen). Immer drauf achten, dass der Kopf nach oben zieht und Bauch und Po angespannt bleiben. Wiederholen.

tz

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