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Der sanfte Weg zur neuen Hüfte

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Werden zu viele Hüften operiert?
Symbolfoto einer herkömmlichen Hüft-OP © dpa

München - In der neuen Serie über Spitzenmedizin in München erklärt der Spezialist Dr. Martin Nolde eine innovative Hüft-OP-Technik vor und gibt fünf Tipps für Patienten.

Arthrose kann zum Albtraum werden – gerade, wenn sie das Hüftgelenk befällt. Viele Patienten leiden so stark unter dem Gelenkverschleiß, dass sie kaum noch gehen können. Wenn die Schmerzen unerträglich werden, hilft nur noch eine endoprothetische Operation: Chirurgen entfernen das defekte Gelenk und ersetzen es durch ein künstliches – in der Regel aus Titan. Allein in Deutschland müssen sich jedes Jahr knapp 200 000 Hüft-Patienten dieser OP unterziehen. Der Spezialist Dr. Martin Nolde setzt dabei auf ein innovatives Verfahren. Es stammt aus Frankreich und heißt „AMIS“ (Anterior Minimal Invasive Surgery). Das Implantat wird über einen besonders schonenden Zugangsweg eingesetzt. Im Rahmen der tz-Serie Spitzenmedizin in München stellt Nolde diese OP-Technik vor. Eine Patientin erzählt, wie sie davon profitiert hat.

Andreas Beez

So funktioniert die OP-Methode

Das Prinzip: Ein Hüftgelenk ist ringsherum von Muskeln ummantelt. Der Chirurg versucht, nur so wenig Muskel- und Weichteilgewebe wie unbedingt nötig zu verletzen. Aus gutem Grund: Denn wenn man einen Muskel beispielsweise denerviert – also seine Nervenleitung durchtrennt –, dann kann er sich nie mehr regenerieren. „Ein denervierter Muskel wandelt sich in Fettgewebe um und verliert schlichtweg seine Funktion“, weiß Dr. Nolde. „Mit der AMIS-Methode kann das Gelenk besonders schonend erreichen. Man verschafft sich dort einen Zugang, wo man keine muskulären Strukturen ablösen und hinterher wieder fixieren muss. Außerdem kreuzen keine Nervenbahnen das Operationsfeld.“

Die OP-Planung: Auf der Basis eines Röntgenbildes vermisst Dr. Nolde mit einem speziellen Computerprogramm die Hüfte. „So kann ich den Prothesentyp und die Prothesengröße exakt planen“.

Die OP-Technik: Der Operateur setzt einen sechs bis acht Zentimeter langen Schnitt auf der Vorderseite der Hüfte. Er drängt zwei Muskelgruppen in der Leistenregion auseinander. Dann bahnt er sich mit seinen Instrumenten slalomartig seinen Weg zum Hüftgelenk (siehe Grafik links). Mit speziellen Instrumenten wird das alte Gelenk entfernt und die Prothese eingesetzt – ohne Knochenzement. Stattdessen wendet der Chirurg das sogenannte Pressfit-Verfahren an. „Dabei werden die Pfanne und der Prothesenschaft genau in das vorbereitete Knochenlager gepresst“, beschreibt Dr. Nolde. „Das genau aufeinander abgestimmte Implantat-System findet so optimalen Halt, bis es der Knochen in den folgenden Wochen endgültig eingemauert hat.“ Vom Schnitt bis zur Naht dauert die OP 40 bis 60 Minuten.

Die Vorteile für den Patienten: „Die Reha-Zeit ist deutlich kürzer als nach konventionellen Hüftoperationen. Viele Patienten können bereits am Tag nach der Operation unter Aufsicht ihre ersten Schritte machen. Am zweiten Tag nach der OP können sie sich in der Regel wieder selbstständig bewegen“, erklärt Dr. Nolde. „Außerdem ist der Hautschnitt vergleichsweise klein und der Blutverlust gering. Durchschnittlich verliert der Patient bei einer AMIS-OP nur 300 Milliliter. Nolde: „Das ist sehr wenig. Eine Blutkonserve ist nur in circa zehn Prozent der Fälle erforderlich.“

„Ich kann sogar schon wieder tanzen“

Gabi Breidenstein (49) ist eine sportliche Frau. Sie tanzt für ihr Leben gerne, es war ihr schon immer wichtig, sich regelmäßig zu bewegen. Bis plötzlich die Hüften zunehmend Probleme machten. Erst nach dem Joggen – und dann auch noch während ihrer geliebten Salsa-Abende. „Innerhalb von ein paar Monaten sind die Schmerzen so stark geworden, dass ich mich nicht mal mehr bücken konnte“, erinnert sich die sympathische Schwäbin. „Meine ganze Lebensqualität war dahin.“

Im vergangenen Jahr bekam sie dann eine ernüchternde Diagnose: Schwerste Arthrose in beiden Hüftgelenken – und das mit gerade mal 48 Jahren. Bei dieser Verschleißerkrankung nutzen sich die schützenden Knorpel so stark ab, dass am Ende Knochen auf Knochen reiben. Dabei kommt es zu Entzündungen, die starke Schmerzen verursachen.

Irgendwann wurde der Leidensdruck so stark, dass er auch die Angst vor einer Operation in den Hintergrund drängte. „Eines Tages ist mir in der Küche Besteck auf den Boden gefallen. Ich konnte es nicht mehr aufheben“, erinnert sich die leidgeplagte Patientin. „Durch dieses Erlebnis ist mir klar geworden, dass ich die OP nicht mehr hinauszögern kann.“

Aus Mönsheim bei Stuttgart fuhr die Patientin nach München: „Von einem Freund hatte ich erfahren, dass Herr Dr. Nolde eine neue OP-Methode anwendet.“ Als Belegarzt operiert er in der Sollner Sana-Klinik und im Klinikum Starnberg. Am 1. Juli 2012 setzte der Spezialist Gabi Breidenstein zwei neue Hüftgelenke ein.

Einen Tag nach der Operation durfte sie schon wieder auftreten, eine Woche später konnte die Patientin das Krankenhaus verlassen. „Ich bin sofort wieder Auto gefahren.“

In einer Gangschule lernte sie, wieder richtig zu laufen: „Durch meine Hüftbeschwerden konnte ich vor der OP ja kaum noch gehen.“ Das Training zahlte sich bereits nach wenigen Wochen aus, Frau Breidenstein kam immer besser auf die Beine: „Es war der Wahnsinn, wie schnell ich fit geworden bin. Ich kenne andere Patienten, die nach ihrer OP noch zwei Jahre lang Schmerzen hatten.“

Das blieb der Hüftpatientin erspart. Stattdessen schwebt sie bereits seit Herbst wieder vorsichtig übers Tanzparkett. Zugegeben: Auf feurige Salsa-Einlagen muss sie mit ihren neuen Hüftgelenken (noch) verzichten. „Aber die Latein- und Standardtänze machen mir auch viel Spaß“, sagt Gabi Breidenstein. Und was ihr noch viel wichtiger ist: „Ich habe endlich meine frühere Lebensqualität wieder zurück.“

Unser Experte

Bei seinen Hüftoperationen kann Dr. Martin Nolde (57) auf eine langjährige Erfahrung zurückgreifen. Bereits seit 1991 operiert er an diesem Gelenk, über viele Jahre als Belegarzt im Krankenhaus St. Elisabeth im schwäbischen Dillingen an der Donau. Als gebürtigen Oberbayern zog es Nolde nach München zurück. Seit seinem Wechsel zur AMIS-Technik im Jahre 2007 hat der Orthopäde und Unfallchirurg bereits über 950 Patienten mit dieser Methode operiert.

Fotos/Grafiken: Orthopraxx (fkn)

Dr. Nolde: Fünf Tipps für Patienten

1.) Achten Sie gerade in den ersten drei Monaten nach der Hüft-Operation auf die Signale Ihres Körpers, übernehmen Sie sich nicht. Ihr Körper braucht eine gewisse Zeit, um sich an die neue Situation anzupassen.

2.) Mit dem Muskelaufbautraining sollten Sie frühestens sechs Wochen nach der OP beginnen. Im Vordergrund steht zunächst die knöcherne Einheilung der Hüft-Prothese. Erst wenn eine ausreichende Stabilität erreicht ist, können Ihre Muskeln die Kraft auch einsetzen. Sie riskieren sonst eine unvollständige Einheilung und damit eine verkürzte Lebensdauer des künstlichen Gelenkes.

3.) Bei sportlichen Aktivitäten sollten Sie gerade in der Anfangsphase – also in den ersten drei Monaten nach der Operation – eher Sportarten mit fließenden Bewegungen bevorzugen: beispielsweise Wandern, Nordic Walking, Radfahren und Schwimmen.

4.) Sportarten mit häufigem Richtungswechsel wie Tennis oder Tanzsport sollten Sie in den ersten drei Monaten nach der OP nicht in größerem Stil ausüben.

5.) Sportarten mit erhöhtem Sturzrisiko wie Skifahren oder Reiten gelten als Risikosportarten. Mit einer künstlichen Hüfte sollten Sie diese Sportarten nur mit großer Vorsicht betreiben. Sie sollten ein Könner sein und beispielsweise nur bei optimalen Schnee- und Wetterverhältnissen auf die Ski steigen.

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