Kinder mit ADHS – jede fünfte Familie erlebt Hyperaktivität und soziale Ausgrenzung
„Zappelphilipp“ – so hießen früher hyperaktive Kinder. Heute nennt man die Erkrankung ADHS. Laut einer Studie sind weitaus mehr Kinder betroffen, als gedacht.
ADHS ist eine komplexe Erkrankung, die in vielen Fällen spät oder gar nicht diagnostiziert wird, sehr zum Leid der betroffenen Familien. Denn für Eltern und Kinder ist es häufig ein Kampf, mit den Symptomen wie innere Unruhe, Bewegungsdrang, Konzentrationsstörungen und schwierigem Sozialverhalten klarzukommen. Und auch das soziale Umfeld beispielsweise in der Schule hat nicht selten Schwierigkeiten, adäquat auf Kinder mit ADHS zu reagieren und sie entsprechend zu integrieren.
Kinder mit ADHS: Jede fünfte Familie erlebt das Leid der Hyperaktivität

Bei dem im Volksmund bekannten Zappelphilipp-Syndrom handelt es sich keineswegs um eine „Modekrankheit“. ADHS ist eine ernstzunehmende, neurologische Störung, die das Leben von Kindern und auch der Erwachsenen im Umfeld sehr belasten kann. Ärzte vermuten als Hauptursache für diese chronische Erkrankung Veränderungen bestimmter Funktionsweisen im Gehirn. Dabei handelt es sich um sehr komplexe neurologische Veränderungen, die Einfluss auf psychosoziales und gestörtes und hyperkinetisches Verhalten nehmen. Hyperkinetische Störungen sind Verhaltensmuster, die sich durch Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit äußern.
ADHS-Symptome lassen sich in drei Kernbereiche einteilen:
- Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwächen
Impulsive Verhaltensweisen
Ausgeprägte Unruhe
Betroffene Menschen müssen ihr ganzes Leben mit der Erkrankung beziehungsweise Diagnose ADHS umgehen. Auch im jugendlichen und Erwachsenenalter kann ADHS noch große Anpassungsschwierigkeiten bereiten. Selbst Senioren können mit den Symptomen noch zu kämpfen haben.
Kinder mit ADHS: Jede fünfte Familie ist davon betroffen
Gemäß einer Studie des Heidelberger Sinus-Instituts lebt mindestens in jeder fünften Familie ein Kind mit einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. In neun Prozent der betroffenen Fälle gebe es eine ärztliche Diagnose der chronischen Erkrankung, in elf Prozent eine entsprechende Vermutung.
Das Sinus-Institut wertete für die Studie Daten einer Online-Umfrage aus, an der im Sommer 2021 1.000 Mütter und Väter teilgenommen hatten. Die Studie erfolgte im Auftrag der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Teilleistungs-/Wahrnehmungsstörungen e. V., kurz BAG-TL/WS. Die Ergebnisse sind laut Sinus repräsentativ für deutschsprachige Eltern ab 30 Jahren mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren.
Kinder und ADHS: Auch Lehrer und Pädagogen müssen für den Umgang geschult sein
Ärzte sollten jedoch in jedem Fall verantwortungsvoll und nicht übereilt mit der Diagnose umgehen, betont Eckhard Barth, Vorsitzender der BAG-TL/WS. Und auch viele Lehrer neigten dazu, betroffene Kinder auf Sonder- oder Waldorfschulen zu verweisen, wo der Unterricht stressfreier ablaufe. Barth spricht sich deutlich dafür aus, dass ADHS und die damit verbundenen sozialen Schwierigkeiten für Kinder bereits in der Lehrerausbildung behandelt werden müssten. Es wäre wichtig, dass Pädagogen geschult seien, um die betroffenen Kinder richtig einschätzen zu können. In vielen deutschen Schulen bestünde da noch massiver Nachholbedarf.
Kinder mit ADHS fühlen sich häufig ausgegrenzt
An der Integration der Betroffenen in Schule und Gesellschaft hapere es noch. 80 Prozent der Eltern finden, dass ADHS-Betroffene ausgegrenzt werden, weitere 74 Prozent, dass es Kinder mit ADHS schwerer haben, Freunde zu finden. Immerhin 15 Prozent der Eltern ist es lieber, wenn ihre Kinder nicht mit Kindern spielen, die ADHS haben. Eltern zeigen aber auch Mitgefühl gegenüber Betroffenen. Nahezu alle Befragten finden, dass Kinder mit ADHS ihr Potenzial nicht genug ausschöpfen können.
ADHS: Hilfsangebote sind in Familien und Schulen zu wenig bekannt
Obwohl ADHS zu den am häufigsten diagnostizierten, psychiatrischen Erkrankungen bei Kindern gehört, wird nach wie vor zu wenig darüber aufgeklärt. Bei der Online-Befragung stufen sich nur zehn Prozent der Eltern selbst als „sehr informiert“ zu diesem Thema ein, weitere 51 Prozent halten sich für „eher informiert“. „Der Informationsstand zu ADHS ist somit aus Elternsicht ausbaufähig“, betont Barth.
Für ADHS-Betroffene und ihre Familien existieren viele verschiedene Hilfsangebote, aber laut Studie kennen diese nur wenige Eltern. Von 17 in der Befragung vorgelegten Angeboten sind nur vier mindestens der Hälfte der Befragten bekannt. Darunter:
- Medikamentengabe (66 Prozent)
- Kinder- und Jugendpsychiatrie (65 Prozent)
- Verhaltenstherapie (57 Prozent)
- Familienhilfe (57 Prozent)
Dieser Beitrag beinhaltet lediglich allgemeine Informationen zum jeweiligen Gesundheitsthema und dient damit nicht der Selbstdiagnose, -behandlung oder -medikation. Er ersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Individuelle Fragen zu Krankheitsbildern dürfen von unserer Redaktion leider nicht beantwortet werden.