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Partydroge auf Rezept: Endlich Schluss mit Depressionen?

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Von: Jasmin Farah

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Stress und Leistungsdruck fordern viel von uns. Depressionen sind die Folge. Doch eine bahnbrechende Therapie soll Betroffenen helfen.
Stress und Leistungsdruck fordern viel von uns. Depressionen sind die Folge. Doch eine bahnbrechende Therapie soll Betroffenen helfen. © dpa

Gerade wurde Cannabis für schwerkranke Patienten zur Einnahme bei Schmerzen legalisiert – nun könnte bald eine Partydroge Depressionen für immer heilen.

Chronischer Stress, Leistungsdruck und viel Arbeit – psychische Erkrankungen sind in der westlichen Welt auf dem Vormarsch. Schätzungen zufolge sollen bereits etwa 350 Millionen Menschen unter einer Depression leiden. Die depressive Störung gehört damit sogar zu den häufigsten Erkrankungen weltweit.

Diagnose Depression: die neue Volkskrankheit der Deutschen?

Eine Therapie ist meist langwierig und nicht alle können wieder gänzlich genesen. Oftmals werden Personen, die eine depressive Störung aufweisen, mit Antidepressiva wie Citalopram oder Venlafaxin medikamentös eingestellt. Zudem versuchen sie in einer kognitiven Verhaltenstherapie mehr über die Ursache ihrer Depression zu erfahren und lernen, wieder im Alltag anzukommen und die Symptome ihrer Erkrankung besser zu bewältigen.

Dabei gilt: Je früher die Depression erkannt und rechtzeitig behandelt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Doch bei etwa 20 Prozent aller Patienten schlagen die Antidepressiva nicht an. Außerdem ist zu bedenken, dass es einige Tage bis Wochen dauern kann, bis die Medikamente wirken und sich die Patienten merklich besser fühlen.

So gehen Mediziner davon aus, dass mindestens vier bis sechs Wochen vergehen müssen, bis Patienten eine spürbare Veränderung an sich bemerken. Und wenn dann das entsprechende Medikament nicht anschlägt, ist die Enttäuschung beim Patienten groß.

Dann beginnt die Suche nach dem richtigen Antidepressivum von neuem. Zumal auch die Dosis zusätzlich individuell auf den Patienten eingestellt werden muss – und das wiederum eine lange Zeitspanne beansprucht.

Partydroge Ketamin soll gegen Depressionen helfen

Doch der langwierige Leidensdruck der Betroffenen könnte nun endlich ein Ende haben – denn ausgerechnet die Partydroge Ketamin soll Erkrankten helfen. Der Stoff, der 1962 vom US-amerikanischen Pharmazeuten Calvin Stevens erfunden wurde, wird seitdem zwar als schmerzstillendes Narkosemittel erfolgreich eingesetzt, aber auch in der Partyszene missbraucht. Doch wie wirkt Ketamin eigentlich genau?

Der Stoff soll das Bewusstsein ausschalten und halluzinogen wirken, unterbreche dabei aber nicht die Atmung. Dass Ketamin allerdings auch gegen psychische Erkrankungen eingesetzt werden könnte, wissen Forscher erst seit wenigen Jahren.

John Krystal von der Yale University war der erste Wissenschaftler, der entdeckte, dass Ketamin auch gegen Depressionen helfen könne. Sein Kollege Carlos Zarate vom National Institute of Mental Health (NIMH) führte dann 2006 das erste Experiment durch, in dem er 18 schwer depressive Probanden Ketamin spritzte.

Mit einschlagendem Erfolg: 71 Prozent der Patienten merkten nur wenige Minuten nach der Behandlung eine deutliche Verbesserung ihrer Symptome. Bei einem Drittel der Probanden verschwanden sie sogar am zweiten Tag nach der Verabreichung völlig. Erst nach einer Woche sollen erste depressive Anzeichen wieder aufgetreten sein.

Ketamin-Therapie: Schadet sie der Gesundheit?

Die Psychiater des Berliner Charité können die bahnbrechenden Resultate bestätigen: Auch sie hatten 2014 durchgängig positive Erfahrungen mit Ketamin in der Depressionsforschung. Zwar haben sich bei den Patienten auch Nebenwirkungen wie Schwindel oder höherer Blutdruck gezeigt, doch diese fielen nicht weiter ins Gewicht, so die Ärzte.

Allerdings berichteten einige wenige der Probanden, dass sie unter Halluzinationen gelitten und sogar außerkörperliche Erfahrungen – ähnlich wie bei einer Nahtoderfahrung - gemacht hätten. Diese Gefühle wurden von den Patienten allerdings nicht als beunruhigend oder negativ empfunden. Diese beschriebenen Körpermissempfindungen seien sowieso nur bei höheren Dosen Ketamin zu beobachten, gaben die Forscher zudem Entwarnung.

USA sind Vorreiter in der Ketamin-Therapie - bald auch bei uns?

Kommt nach Cannabis nun also auch bald Ketamin auf den Markt – und in unsere Hausapotheke? Mediziner sehen das kritisch. Die US-Zeitung "Psychology Today" berichtet von US-Medizinern, die vor dem übermäßigen Gebrauch der einstigen Partydroge warnen.

Sie fordern zudem, dass Ketamin nicht an Patienten mit Suchtproblemen verordnet und der Stoff nur unter strengster medizinischer Aufsicht verabreicht werden sollte.

In den USA bieten bereits einige Zentren die Ketamin-Therapie bei Depressionen an. Bis der Stoff auch in Europa zugelassen wird, dauert es wohl allerdings noch ein wenig - und zwar solange, bis sich herausstellt, dass Ketamin wirklich auf lange Sicht gesehen gesundheitlich unbedenklich ist.

Von Jasmin Pospiech

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