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Millionen Menschen leiden unter dem Reizdarmsyndrom: Symptome, Ursachen und Ernährung

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Es ist ein schambehaftetes Thema und noch dazu ein komplexes Krankheitsbild: das Reizdarmsyndrom (RDS). Weltweit leiden Schätzungen zufolge mehr als elf Prozent der Bevölkerung daran. Frauen häufiger als Männer.

Fulda - Niemand spricht gerne über Beschwerden wie Durchfall, Verstopfungen, Blähungen oder Bauchschmerzen. Dabei könnte der frühzeitige Gang zum Arzt viel Leid ersparen. Was also hat es mit dem Reizdarmsyndrom auf sich?

Reizdarmsyndrom: Symptome, Ursachen, Therapie und Ernährung

„Vom RDS spricht man bei länger als drei Monaten anhaltenden oder wiederkehrenden Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlgangsveränderungen. Die Symptome beeinträchtigen dabei die Lebensqualität relevant“, erklärt Gastroenterologe Dr. Thomas Günther von der Gemeinschaftspraxis Dres. med. Günther, Schleipen u. Stienecker im Gespräch mit der Fuldaer Zeitung.

Die Crux an RDS: Eine Diagnose kann nicht so einfach gestellt werden. „Voraussetzung ist, dass keine anderen Krankheitsbilder für die Symptome verantwortlich sind“, so Dr. Günther. Vereinfacht gesagt handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose.

Erst wenn zum Beispiel Darmkrebs, Lactose- oder Fructose-Intoleranz, Fehlbesiedlung oder Infektion des Darmes durch Krankheitserreger ausgeschlossen werden können, darf die Diagnose RDS gestellt werden. „Letztlich handelt es sich um ein heterogenes multifaktoriell beeinflusstes Krankheitsgeschehen“, macht der Gastroenterologe aus Fulda deutlich.

Warum der Darm bei manchen Menschen so gereizt ist, kann laut Dr. Günther daher auch nicht pauschal beantwortet werden. „Es findet sich eine Vielzahl von Auslösern und Mechanismen für die Erkrankung – darunter Veränderungen der Darmbeweglichkeit, der Schmerzwahrnehmung, der Schleimhautfunktion, des Immungleichgewichtes sowie des Darmmikrobioms. Auch eine genetische Neigung, Magen-Darminfekte sowie Vorbehandlungen mit Antibiotika können bei der Entstehung des RDS eine Rolle spielen.“

Bauchschmerzen
Das Reizdarmsyndrom äußert sich häufig in Beschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen und Stuhlgangsveränderungen. © David Ebener/dpa

Oftmals liegt der Grund auf dem Teller. Nahrungsmittel wie Zwiebeln, Hülsenfrüchte oder Rohkost werden von RDS-Patienten nicht immer toleriert. Dr. Günther stellt jedoch klar: „Es können keine einheitlichen Ernährungsempfehlungen für alle Patienten mit RDS gegeben werden.“ Während die einen etwa bestimmte Ballaststoffe meiden sollten, sind sie bei anderen hilfreich. „Es gibt aber zahlreiche individuelle Empfehlungen, die sich an den jeweiligen Symptomen orientieren“, weiß der Experte.

Was also kann man tun, um diese häufig chronische Krankheit in den Griff zu bekommen? „Im Prinzip ist die beste Lösung, auslösende Lebensmittel durch Führung eines Ernährungs- und Symptomtagebuches zu identifizieren und letztlich aus der Nahrung zu eliminieren“, rät der Facharzt. Wie das genau funktioniert, lesen Sie im Infokasten.

Fodmap-Diät

Im Zusammenhang mit dem RDS empfehlen Ärzte auf sogenannte Fodmap’s zu verzichten. „Bei Fodmap’s handelt es sich um kurzkettige Kohlenhydrate, die im Dünndarm schlecht aufgenommen werden können. Dafür werden sie im Dickdarm von Bakterien rasch fermentiert, sodass Bauchschmerzen, Blähungen und ein weicher Stuhlgang entstehen können“, veranschaulicht es Dr. Günther. Dazu zählen unter anderem Getreidearten wie Weizen, Milchprodukte, manche Gemüsesorten wie Kohl, Steinobst oder Brot und Süßigkeiten.

Bei der Fodmap-Diät werden über gut sechs Wochen bestimmte Lebensmittelgruppen ausgelassen, auf die der Körper besonders reagiert. Schlecht verträgliche Inhaltsstoffe sind dabei Lactose, Fructose, Gluten oder Fruktane. Nachdem sich der Magen-Darm beruhigt hat, werden die Fodmap’s nach und nach wieder eingeführt. So können Betroffene den Übeltäter ausfindig machen. Da die Diät herausfordern sein kann, ist es laut Dr. Günther hilfreich, mit einer Fachkraft für Ernährungsberatung zusammenzuarbeiten.

Aber auch online (zum Beispiel unter fodmaps.de) oder in Ratgebern (etwa „Köstlich essen – Reizdarm“) finden Betroffene Rezepte, die bei der Umstellung helfen können.

„Bei bestehenden Nahrungsmittelunverträglichkeiten handelt es sich hier um ein eigenständiges Krankheitsbild, welches vom RDS abzugrenzen ist“, hält Dr. Günther fest. Wenn jemand also feststellt, dass er oder sie Getreide nicht gut verträgt, hat der- oder diejenige vielleicht eine Glutenunverträglichkeit – nicht aber zwangsläufig das Reizdarmsyndrom.

Weitere Informationen finden Betroffene auch bei „Magda“ auf: magendarm-forum.de

Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Krankheit spielt wie so oft auch die Psyche. So kommuniziert das Gehirn mit dem Darm auf der sogenannten Darm-Hirn-Achse. „Psychischer Stress, Angstzustände und Depression können das Krankheitsbild negativ beeinflussen“, erklärt Dr. Günther. Doch er sagt auch: „Für eine Zunahme des Reizdarmsyndroms gibt es kaum valide Daten.“ Was aus seiner Sicht zugenommen habe, sei vor allem die Wahrnehmung für RDS in der Bevölkerung, den Medien und der Industrie.

Abschließend ruft der Ratgeber-Experte Betroffenen ins Gedächtnis: „Absolut wichtig ist – auch bei neu aufgetretenen Symptomen und eventuell zusätzlich bestehenden Warnsymptomen wie Blut im Stuhl, Gewichtsverlust oder auffälligen Laborwerten – der Ausschluss von schwerwiegenden Krankheitsbildern. Diesbezüglich ist eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten erforderlich, um die knappen Ressourcen im Gesundheitssystem optimal zu nutzen.“

Auch ohne Reizdarmsyndrom achten immer mehr Menschen auf ihre Ernährung. Ein Trend, der immer beliebter wird, ist das „Clean Eating“. Bei der Ernährungsform geht es um regionale, saisonale und frische Lebensmittel ohne Zusatzstoffe. (nala)

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