Wirksame Wege zum gesunden Schlaf und neuer Lebenskraft
Chronischer Schlafmangel oder Störungen des nächtlichen Schlafes erfahren die Patienten oft als zermürbend. Krankheitsbilder wie Schlafapnoe, Restless Legs und Ein- und Durchschlafstörungen sollten in einem Schlaflabor abgeklärt werden.
Vermehrte und chronische Müdigkeit tagsüber bis hin zum unwiderstehlichen Schlafdrang selbst in Situationen, die eine ungeteilte Aufmerksamkeitsleistung - beispielsweise in Ausübung des Berufs, in gefahrenträchtigen Situationen und auch beim Führen eines Kraftfahrzeuges - erfordern, nervöse Reizbarkeit, Konzentrations- und Merkstörungen, verminderte körperliche Belastbarkeit mit rascher muskulärer Ermüdbarkeit und nachlassender Reaktionsgenauigkeit sowie eine ängstlich-depressive Stimmungslage. Diese auf den ersten Blick eher unspezifischen Symptome sind häufige Folgen eines chronischen Schlafmangels, der von dem Betroffenen nahezu allnächtlich während bis zu stundenlangen Wachphasen entweder quälend bewusst erlebt wird oder in einer für ihn nicht erkennbaren Störung der Feinstruktur des Schlafs, einer meist organischen Erkrankung, seine Ursache hat.
Dann wird bereits kurz nach dem Verlassen des Bettes über eine unerholsame Qualität des Schlafs geklagt oder spätestens am frühen Abend ganz typisch von kleinen "Nickerchen" beim Fernsehen berichtet. Die Folgen von Störungen und Erkrankungen des Schlaf-Wach-Systems Werden die Diagnose und Therapie von Störungen und Erkrankungen des Schlaf-Wachsystems um mehrere Jahre verzögert, sind es nicht mehr „nur" die sich schleichend einstellenden Einbußen im Hinblick auf „Lebensqualität und Wohlbefinden", die den Patienten zu schaffen machen, sondern schwerwiegende körperliche Erkrankungen wie zum Beispiel hoher Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, Herzschwäche, Herzkranzgefäßverkalkung, Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus Typ II b, therapieresistentes Übergewicht oder eine vermehrte Störanfälligkeit, des Immunsystems mit gesteigerter Infektanfälligkeit oder eine seelische Labilisierung und Minderbelastbarkeit.
Aus den Ergebnissen der medizinischen Grundlagenforschung wissen wir heute recht genau um die Zusammenhänge zwischen einigen schlafmedizinischen Erkrankungen - insbesondere der Schlafapnoe bei Schnarchern - und Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems beziehungsweise Stoffwechselerkrankungen wie dem Diabetes mellitus Typ II b; etwa dreißig Prozent dieser Erkrankungen und sogar bis zu siebzig Prozent der Schlaganfälle könnten bei rechtzeitig erfolgender Therapie vermieden werden. Aber auch wenn diese Erkrankungen bereits vorliegen, können sie durch eine zusätzliche schlafmedizinische Therapie gebessert, beziehungsweise eine Verschlimmerung kann vermieden werden.
Während die positiven Auswirkungen einer schlafmedizinischen Therapie auf Herz-Kreislaufsystem und Stoffwechsel, eine noch vorhandene Regenerationsfähigkeit des Organismus vorausgesetzt, mehrere Monate benötigen, ist die Wiederherstellung einer normalen Wachheit, emotionalen Stabilität und geistigen Leistungsfähigkeit binnen weniger Tage bis Wochen möglich. Die Ursachen und das Erscheinungsbild von Schlafstörungen sind vielfältig Die Internationale Klassifikation für Schlafstörungen kennt über achtzog Krankheitsbilder, die ihre Ursache in seelischen Prozessen, umschriebenen Gewebsdefekten, Erbanlagen oder störenden Faktoren der Schlafumgebung haben.
Schlafapnoe
Im Folgenden werden die wichtigsten und auch häufigsten Erkrankungen des Schlaf-Wach-Systems beschrieben: Schlafapnoe und Schnarchen, mehrfaches Kurzerwachen in der Nacht, manchmal mit Panik, Atemnot und Herzrasen mitunter auch aus Alpträumen mit entsprechender Erstickungs- oder Verfolgungsthematik, sind Hinweise auf oftmals gravierende Sauerstoffmangelzustände während des Schlafs. Der Bettpartner beobachtet Phasen verminderter oder völlig ausbleibender Atmung und Schnarchen im Wechsel. Ursache hierfür ist ein häufig im Abstand weniger Minuten wiederkehrender Kollaps des Schlundgewebes knapp oberhalb des Eingangs zur Luftröhre. Dieses Problem nennt sich Schlafatmungsstörung (mit Fachbegriff „Schlafapnoe“), weil dieser Verschluss des Schlundes nur im Schlaf auftritt, sobald sich das dort lokalisierte Muskelgewebe entspannt und nicht mehr ausreichend elastische Spannung von Seiten des Bindegewebes gegen den Einatemsog aufgebaut werden kann.
Der hieraus resultierende Erstickungsstress bedingt neben den oft nur Sekunden dauernden Weckreaktionen Beschleunigungen der Pulsfrequenz, Blutdruckspitzen sowie hormonelle Fehlregulationen: Ist die „Schlafapnoe“ extrem ausgeprägt, sind beispielsweise häufiger Drang zum nächtlichen Wasserlassen aber auch eine unkontrollierte Gewichtszunahme und Erkrankungen des Zuckerstoffwechsels nicht selten. Zusätzlich bedingt der Sauerstoffmangel, sofern erheblich ausgeprägt, unabhängig von den Cholesterinwerten oder einem möglicherweise bestehenden Zigarettenkonsum eine fortschreitende Gefäßverkalkung mit den bereits erwähnten möglichen Folgen eines Herzinfarktes oder Schlaganfalls.
Die Therapie besteht in einem dem Schweregrad der Erkrankung angepasstem Stufenkonzept: In leichten Fällen ist meist eine Gewichtsreduktion oder der Verzicht auf abendlichen Alkoholkonsum ausreichend. Mitunter mindert auch eine operative Weitung der Nasenhaupthöhle den Einatemsog soweit, dass der Schlundverschluss vermieden wird. Auch eine prothetische Versorgung mit einer Unterkieferschiene kann in ausgewählten Fällen die Schlafatmungsstörung beheben. Höhere Schweregrade der „Schlafapnoe“ erfordern allerdings die Stabilisierung des Schlundes mittels „nCPAP-Therapie“. Hierbei wird über eine leichte, die Nase umschließende Maske, Raumluft mit geringem Druck in den Schlund geleitet. Der Patient hat in der Regel keine Probleme gegen diesen geringen Druck auszuatmen - falls doch kann über ein so genanntes „BIPAP-System“ der Ausatemdruck abgesenkt werden. Die Geräte sind mittlerweile „flüsterleise" und beeinträchtigen somit auch nicht den Bettpartner.
Ein- und Durchschlafstörungen
Ein- und Durchschlafstörungen Diese sind nicht selten mit lebensgeschichtlichen Ereignissen verbunden: chronischer Stress am Arbeitsplatz, Mobbing, Scheidung, langjährige Pflege oder Tod von Familienangehörigen - dann helfen Gespräche bei der Erarbeitung von Lösungsansätzen und entlasten die Seele. Nicht minder häufig aber scheint die Schlafstörung ohne noch erinnerbare Ursache aufgetreten zu sein: nächtliche Grübeleien über dies und jenes, häufiger Blick zum Wecker, Ärger über mangelndes Schlafvermögen, Sorgen um die Leistungsfähigkeit am nächsten Tag oder einfach nur Resignation und chronische Einnahme von Schlafmitteln, die schon lange ihre Wirkung verloren haben - in jedem Fall ist eine detaillierte Analyse von Ursache und Wirkung erforderlich, um den Therapieweg zu planen. Dazu gehören das Führen eines Schlafprotokolls, Beratungen zu schlafvermeidenden und schlaffördernden Verhaltensweisen, das Einüben von Entspannungsverfahren, Einführung in die Techniken des Gedankenstoppens und andere. Die Entwöhnung von suchterzeugenden Schlafmitteln ist Routine.
Gar nicht selten werden Ein- und Durchschlafstörungen durch eine Besiedelung des Darmes mit Fäulnisbakterien verursacht. Diese Bakterien bilden zum einen Fuselalkohole, die in das Blut übertreten und das Zusammenspiel der Nervenzellen im Gehirn stören. Darüber hinaus wird durch den Bakterienstoffwechsel die Produktion einer wichtigen Vorstufe des Schlafhormons Melatonin unterdrückt, die zu 95 Prozent im Darm erfolgt. Eine naturheilkundlich orientierte Darmsanierung unterstützt dann den Genesungsprozess.
Restless Legs
Das Syndrom der unruhigen Beine Die von so genannten „Restless Legs“ Betroffenen verspüren in Ruhephasen - beim abendlichen Fernsehen oder erst bei entspannter Lagerung im Bett ein unangenehmes Ziehen, Kribbeln oder gar Schmerzen in den Beinen, meist einhergehend mit einem unstillbaren Bewegungsdrang, der die Symptome teilweise lindert. Die Ursache und damit auch die Therapie scheinen allein aufgrund dieser Beschreibung klar zu sein - sie sind es aber nicht. Man unterscheidet die primären und die sekundären „Restless Legs-Syndrome“. Die erstgenannten sind durch einen Dopamin-Mangelzustand des Gehirns verursacht und müssen entsprechend mit hirngängigen Substanzen therapiert werden.
Die sekundären „Restless Legs“ haben ihre Ursache außerhalb des Gehirns: Sie sind bedingt durch den Ischiasnerv bedrängende Bandscheibenvorfälle, finden ihre Ursache in Gelenkblockaden und schmerzhaft fortgeleiteter Muskelverspannung, treten auf bei chronischer Venenschwäche oder einer chronischen Degeneration peripherer Nerven beim Diabetes mellitus oder chronischer Nierenschwäche oder sonstigen Stoffwechselerkrankungen. Entsprechend differenziert muss das Therapieregime sein.
Entscheidendes Diagnosekriterium, ob es sich nun um ein primäres oder sekundäres „Restless Legs-Syndrom“ handelt, ist das Vorhandensein unwillkürlicher Muskelzuckungen bei den primären „Restless Legs“ - meist im vorderen Schienbeinmuskel während des Schlafs, typischerweise im Intervall von zwanzig bis vierzig Sekunden. Für die sichere Diagnosestellung ist daher stets eine große Schlaflaboruntersuchung notwendig - und erst dann ist eine Dauermedikation mit gehirnwirksamen Nervenbotenstoffen gerechtfertigt. Sicherlich können diese auch zunächst bei den sekundären „Restless Legs“ erfolgreich sein, was aber am ehesten dem so genannten Placebo-Effekt zugeschrieben werden muss.
Schlafstörungen und Übergewicht
Untersuchungen der Sporthochschule Köln konnten eindeutige Zusammenhänge zwischen einer gestörten Schlafstruktur und Minderung der Leistungsfähigkeit tagsüber nachweisen: Bereits Mitte der achtziger Jahre wurden so genannte „Trainingsweltmeister" untersucht, die im Wettkampf nicht die erhoffte Leistung gezeigt hatten. Ein gemeinsames Merkmal dieser Versuchspersonen war der einige Tage vor dem Wettkampf gestörte Nachtschlaf gewesen und bei allen untersuchten Sportlern fanden sich im Morgenurin mindestens zehnfach gegenüber ihrer persönlichen Norm erhöhte Cortison-Werte. Was geschieht dabei im Organismus? Mehrfache Wachphasen in der Nacht - ob nur im Bereich weniger Sekunden oder Minuten - bedeuten chronischen Stress. Dabei wird auch körpereigenes Cortison freigesetzt.
Cortison blockiert die Zuckerverwertung insbesondere in Muskulatur und Gehirn. Beide Organe beziehungsweise Gewebe benötigen aber Zucker als Hauptbrennstoff. Logische Folge: Funktionseinbußen in Form von Konzentrationsmängeln, Fehleinschätzungen, verlangsamte Reaktionen, Minderung der Kraftentwicklung und der koordinativen Fähigkeiten. Zehn Jahre später stellte eine Folgeuntersuchung ebenfalls an der Sporthochschule Köln Parallelen zu unter chronischen Erkrankungen der Schlaf-Wach-Struktur leidenden Patienten fest: Bei nur wenige Tage schlafgestörten Judokas wurden ähnlich hohe Cortison-Werte wie bei „Schlafapnoe-Patienten“ und Schnarchern festgestellt.
Seither ist auch klar, weshalb ein Training bei Patienten mit Störungen der Schlafarchitektur niemals so effektiv sein kann wie bei Schlafgesunden. Sehen wir uns dabei den „Super-Gau" einer chronischen Schlafstrukturstörung, also die Schlafatmungsstörungen bei „Schlafapnoe“ und Schnarchen an, so treffen hier gleich mehrere Stressfaktoren zusammen: Neben einer oft im kurzen Intervall von wenigen Minuten auftretenden Weckreaktion kommt es bei diesem Krankheitsbild aufgrund eines immer wiederkehrenden Verschlusses der oberen Atemwege zu oft gravierenden Sauerstoffmangelzuständen und einer Abflachung des Schlafprofils. Insbesondere Tief- und Traumschlafphasen werden fragmentiert oder fehlen nicht selten vollständig.
Dies bedeutet, dass die insbesondere an diese Schlafstadien gekoppelte muskuläre Entspannung und Regeneration des gesamten Organismus nicht ausreichend funktionieren. So ist unter anderem die Ausschüttung und Wirkung des Wachstumshormons STH an den Tiefschlaf gebunden, der für die Programmierung von Gedächtnisinhalten und damit auch von Bewegungsmustern verantwortliche Traumschlaf läuft nicht mehr regulär ab. Abgesehen davon: bei höheren Schweregraden der Schlafstrukturstörung hält sich der Bewegungsdrang ohnehin in Grenzen. Chronischer Stress signalisiert dem Körper, er möge Vorräte für Notzeiten anlegen. Da die Zuckerverwertung in den aktiven Geweben durch das Cortison blockiert ist, wird der Zucker im Fettgewebe als Fett deponiert. Zusätzlich wird das Sättigungshormon Leptin vermindert - Muskulatur und Gehirn schreien ja förmlich nach Energieträgern - und so sorgt Ghrellin als Hungerhormon dafür, dass der Mensch sich Nahrung zuführt - logischerweise Zucker - und der Teufelskreis einer durch Schlafstörungen begünstigten Gewichtszunahme und der dadurch verschlimmerten Schlafatmungsstörung mit Auswirkung auf Cortisonspiegel und Zuckerstoffwechsel ist perfekt. Eine Diät kann in derartigen Fällen erst wirken, wenn die Schlafstörung therapiert ist.
von Dr. Gabriele Reichert, Ärztin für Physikalische und rehabilitative Medizin in Kassel