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Gehaltswunsch: „Über Geld sprechen ist oft ein Tabu“, wenn sich damit in der Familie niemand auskennt

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Der Berufseinstieg kann für Arbeiterkinder mit mehr Herausforderungen verbunden sein als für Akademikerkinder. Der Gehaltswunsch ist meist ein Knackpunkt.

Die soziale Herkunft entscheidet mitunter, in welchen gesellschaftlichen Kreisen Menschen sich auskennen. Wenn man durch einen anderen Bildungsweg andere Bereiche kennenlernt, kann dies mit Unsicherheiten verbunden sein. So geht das beispielsweise vielen Arbeiterkindern, die nach dem Studium in den Job einsteigen wollen.

Berufseinstieg: „Über Geld sprechen ist oft ein Tabu“

Mann und Frau im Büro.
Welchen Wert hat die eigene Arbeit? Viele Arbeiterkinder haben Schwierigkeiten, das einzuschätzen und tun sich daher schwer bei Gehaltsverhandlungen. © Elnur/Imago

Schwierig seien unter anderem Bewerbungsprozesse und Gehaltsverhandlungen, weil Erstakademikerinnen und Erstakademikern oft Vorbilder und Gesprächspartner in der Familie und dem eigenen Bekanntenkreis fehlten. „Studierende der ersten Generation sind nach Definition diejenigen, die als erste in ihrer Familie studieren oder studiert haben“, sagt Alexandra Redel, Mitarbeiterin von ArbeiterKind.de. Die gemeinnützige Organisation unterstützt Arbeiterkinder bei Fragen rund um das Studium und den Berufseinstieg. Dass dies noch gebraucht wird, zeigt eine Studie von Stifterverband und der Unternehmensberatung McKinsey, auf die sich das Handelsblatt 2021 beruft: Demnach haben Kinder aus dem akademischen Umfeld eine dreimal höhere Chance auf einen Bachelorabschluss als Arbeiterkinder.

Es gibt Sachen, da ist ein Schleier drum, da haben Arbeiterkinder keine konkreten Vorstellungen von.

Alexandra Redel, ArbeiterKind.de, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA

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Es komme auf den jeweiligen Beruf an und ob es dort eine Gehaltsspanne gebe, aber grundsätzlich könne man sagen, dass Arbeiterkinder es schwerer haben, das eigene Geld zu verhandeln. „Was die Eltern verdienen, ist für Erstakademiker häufig ein Geheimnis. Über Geld sprechen ist oft ein Tabu“, sagt Alexandra Redel und macht damit die soziale Herkunft als einen Faktor für mögliche Gehaltsunterschiede von Arbeiter- und Akademikerkindern verantwortlich. Für manche sei es schwer, den Wert der eigenen Arbeit einzuschätzen, weshalb beispielsweise Jobangebote, bei denen man eine Gehaltsvorstellung angeben müsse, ein Ausschlusskriterium für eine Bewerbung seien, informiert Redel und spricht dabei auch von ihrer eigenen Erfahrung bei dem Berufseinstieg.

Man ist hilflos, wenn man Gehaltsangaben machen muss. Wenn das nicht zu umgehen ist, kann es sein, dass Arbeiterkinder da zu wenig angeben.

Alexandra Redel, ArbeiterKind.de, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA

Den Umgang, bei möglichen Gehaltsangaben einen Puffer miteinzubeziehen, von dem man sich im Gespräch herunterhandeln lassen könne, sei für viele nicht intuitiv. Gleichzeitig sei auch die Angst präsent, erst einmal bei einem niedrigen Gehalt zu bleiben, wenn man Angaben machen müsse und den Job erhielte.

Arbeiterkinder wollen echte Erfahrungswerte

Bei ArbeiterKind.de geben Mentorinnen und Mentoren, die schon im Berufsleben stehen, den Erstakademikerinnen und Erstakademikern einen Einblick in die Arbeitsbedingungen und was Einstiegsgehälter sein könnten. „Man merkt, dass die Leute auf der Suche nach anderen sind, um von einer realen Person zu hören, was man in einem bestimmten Bereich kriegen kann“, beschreibt Alexandra Redel einen Teil des Mentoringprogramms.

Arbeiterkinder im Beruf: Hochstapler-Syndrom bei manchen auch in hohen Positionen vorhanden

Die soziale Herkunft spielt bei manchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch im Berufsleben noch eine Rolle. Das sei zwar individuell, allerdings gebe es Menschen, die bereits hohe Positionen haben, und gleichzeitig den Druck der sozialen Herkunft verspüren. In Grundzügen könne man da ein beginnendes Impostor-Syndrom erkennen, sagt Alexandra Redel. Betroffene des Impostor-Syndroms (dt. „Hochstapler-Syndrom“) haben die unbegründete Angst davor, dass andere merken, dass sie für eine bestimmte Position nicht qualifiziert genug sind und eigentlich gar nicht dorthin gehörten. Wie stark die Ausprägung ist, hänge allerdings davon ab, wie sehr das „Anderssein“-Gefühl ausgeprägt ist, beschreibt Redel.

Mögliche Lösungen: Über Geld sprechen und Hürden in Bewerbungsprozessen abbauen

Um die Hindernisse für Arbeiterkinder im Berufseinstieg abbauen zu können, sei es ein Schritt, mehr über Geld zu sprechen. Dann bekämen alle, die sich unsicher sind, was gängige Gehaltsspannen sind, einen besseren Überblick, was sie für ihre Arbeit verlangen könnten. Ebenso wäre ein Schritt weg von „starren Lebensläufen“, wie Redel beschreibt, für Arbeiterkinder ideal. Denn die Struktur der Lebensläufe von Arbeiterkindern und Akademikerkindern unterscheiden sich zwangsläufig. „Es gibt es immer noch sehr oft, dass mindestens drei Praktika und ein Auslandssemester sein müssen, sonst schafft man es nicht über die erste Runde im Bewerbungsprozess“, sagt Redel, das sei für viele Arbeiterkinder allerdings kein Standard. Praktika und Auslandssemester würden nichts zwangsläufig darüber aussagen, wer für eine bestimmte Stelle qualifiziert ist. Alexandra Redel sieht vor allem auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in der Pflicht, daran etwas zu ändern: „Die Arbeitgeber-Seite sollte sich fragen: ‚Wer hat bei uns Chancen und wer ist bei uns schon chancenlos an der Tür?‘“

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