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Stoppt das Bienensterben!

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Krankheiten, Pestizide und einseitige Ernährung: Bienen stehen unter großem Stress, viele sterben.
Krankheiten, Pestizide und einseitige Ernährung: Bienen stehen unter großem Stress, viele sterben. © dpa

Der Winter ist die kritische Jahreszeit – die Bienen sitzen eng aneinandergekuschelt in ihren Stöcken und vibrieren sich warm. Jedes dritte Volk wird eingehen und im Frühjahr nicht wieder ausschwärmen:

Wenn der Imker den Stock öffnet, wird er Zehntausende toter Tiere vorfinden. Wissenschaftler halten einen jährlichen Verlust von zehn Prozent für normal – dass jetzt so viele Völker verenden, ist deutlich zu viel, sagt der renommierte Bienenforscher Professor Dr. Jürgen Tautz von der Uni Würzburg im tz-Gespräch (siehe Interview). Für ihn gibt es keine alleinige Ursache für den Massentod der nützlichen Insekten, sondern es ist eine Vielzahl von Faktoren, die zum Kollaps eines Bienenvolkes führt.

Einer davon ist nun von der Europäischen Sicherheitsbehörde für Lebensmittel (EFSA) bestätigt worden. Beizmittel für Saatgut bestehen aus Nervengiften, den Neonikotinoiden. Sie sollen verhindern, dass die Pflanzen von Schädlingen befallen werden. Gelangen diese Gifte in die Luft, können sie das Nervensystem der Bienen schädigen, sodass sie z.B. nicht mehr zum Stock zurückfinden.

90 000 Imker mit 750 000 Bienenvölker gibt es in Deutschland. Die Imker können derzeit nichts tun als hoffen, dass sie von großen Verlusten verschont bleiben. Sie nutzen die Wartezeit, um ihrer immer größer werdenden Wut Luft zu machen: Bundeskanzlerin Angela Merkel bekam vom Deutschen Bund der Berufsimker vergangene Woche den „Schwarzen Pinsel“ überrreicht. Diese Negativ-Auszeichnung geht in jedem Jahr an eine Person, die der Imkerei besonders geschadet hat. Angela Merkel wurde ausgewählt, da sie sich dafür ausgesprochen hat, mithilfe von gentechnisch veränderten Pflanzen die Chemieproduktion zu revolutionieren.

25 000 Bürger protestierten im Rahmen der Grünen Woche für mehr Natürlichkeit in der Landwirtschaft. Die EU hat den Zeitgeist bereits erkannt und will Subventionen nur noch an die Landwirte auszahlen, die mindestens sieben Prozent ihrer Fläche ohne Pestizide bewirtschaften. Ziel ist, dass mehr artenreiche Wiesen, Hecken und abwechlsungsreichere Landschaften entstehen. Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner wendet sich noch gegen diese Pläne, vermutlich steht sie schon auf der Kandidatenliste für den Schwarzen Pinsel im nächsten Jahr.

Bienen sind für die Landwirtschaft und die Herstellung unserer Nahrungsmittel lebenswichtig: 80 Prozent der heimischen Blüten werden von der Honigbiene bestäubt, das macht sie hauptverantwortlich für gute Ernten und Artenvielfalt in der Natur. Wenn Bienen nicht mehr ausschwärmen, wird Obst nahezu komplett verschwinden. Bienen sind unglaublich emsig: Für 500 Gramm Honig legen sie laut Deutscher Imkerbund 120 000 Kilometer zurück – das heißt, sie fliegen dreimal um die Erde.

SUS

Der Superorganismus ist ein Pflegefall

Sind Bienen sehr empfindliche Tiere?

Professor Jürgen Tautz: Überhaupt nicht, sie sind sogar ganz besonders robust und in der

tz-Interview mit Prof. Jürgen Tautz

Universität Würzburg

Kolonie als Superorganismus unglaublich belastbar. Das ist ein bisschen das Problem der Bienen. Wenn sie sehr empfindlich wären, hätten wir schon viel früher gemerkt, dass etwas im Gange ist, dass wir stoppen sollten. Nimmt man ihnen zum Beispiel den Honig weg und ersetzt ihn durch minderwertiges Zuckerwasser, stecken sie das weg. Dass Bienen jetzt in so großer Zahl sterben, zeigt uns nur, dass sie von zu vielen Seiten geschwächt werden. Früher hatte ein Imker einmal im Jahr Arbeit: Wenn er den Honig geerntet hat. Oder wenn ein Schwarm eingefangen werden musste. Heute jedoch müssen Bienen aufwendig nach Kalender gegen verschiedene Krankheiten behandelt werden.

Die Bienen sind ein Pflegegefall geworden?

Tautz: So kann man es sagen. Der Hauptgrund, warum ein Volk stirbt, kann je nach Jahreszeit und je nach Ort unterschiedlich sein. Ähnlich sind jedoch die Belastungen, denen Bienen überall ausgesetztsind: DassinddieInfektionen mit Bakterien, Pilzen und Viren. Darunter natürlich die Varroa-Milbe, die für einen hohen Anteil an Todesfällensorgt. DieBienensind Pestiziden ausgesetzt. Außerdem leiden sie unter der Einseitigkeit der Ernährung. Dass sie wie früher durchgängig blühende Wiesen finden, das gibt es nicht mehr.

Es heißt, den Bienen in der Stadt gehe es besser als auf dem Land.

Tautz: Das ist definitiv so. In der Stadt finden sie immer blühende Blumen, in Parkanlagen, auf Friedhöfen oder Balkonkästen. Auf dem Land gibt es mal mehrere Wochen blühende Rapsfelder. Aber das ist dann immer nur eine Pflanze, dabei ist die Vielfalt des Speisezettels für die Honigbiene genauso wichtig wie für uns Menschen. Sie betreuen das Hobos-Projekt, in dem das Leben im Bienenstock ins Internet übertragen wird. Wie viele Bienen sind Ihnen schon gestorben? Tautz: Wir haben kein Volk verloren, wobei wir nicht wissen, ob es Glück ist, oder ob es an etwas anderem liegt. Aber wir reduzieren die Eingriffe am Stock auf ein absolutes Minimum und lassen den Bienen auch den Honig.

Ist ein harter oder ein milder Winter gefährlicher?

Tautz: Das kann man sehr gut in unserem Bienenstock beobachten: Bei einem Wärmeeinbruch wird die Wintertraube aktiv. Die ganzen Wintervorsichtsmaßnahmen sind aufgehoben. Wenn die Kälte zurückkommt, haben die Bienen große Probleme den Ruhezustand wieder einzunehmen. Milde Winter sind schlecht für die Bienen.

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