Warum gibt's so wenig günstige Wohnungen?

München - Wer ist verantwortlich für die Münchner Wohnungsnot: Stadt, Land, Bund? Zieht die Stadt wirklich alle Register? Die tz hat die Parteien gefragt! Das sind die Antworten:
Da ächzen die Münchner unter den höchsten Mieten der Republik – und die Zahl der günstigen Wohnungen in der Stadt gehen immer weiter zurück! Das beweist der neue Bericht zur Wohnungssituation, der am Mittwoch im Rathaus vorgestellt wird. Wie kann das sein? Wer ist verantwortlich – Stadt, Land, Bund? Zieht die Stadt wirklich alle Register, wie Stadtbaurätin Elisabeth Merk im Vorwort schreibt? Die tz hat die Parteien gefragt!
Noch 1980 verfügte die Stadt über eine „Eingriffsreserve“ von 120 000 Wohnungen – gemeint sind klassische Sozialwohnungen und günstige Apartments bei den städtischen Gesellschaften GWG und Gewofag. Zuletzt sank die Zahl Jahr für Jahr auf 74 000. Nicht einmal mehr jede zehnte Wohnung in München wird günstig vergeben!
Sozialwohnungen entstehen, wenn Investoren mit billigen Krediten vom Staat bauen und sich dafür verpflichten, nur eine Sozialmiete zu kassieren. Sobald die Darlehen auslaufen, fallen die Sozialwohnungen aus der Preisbindung. Das Schicksal wiederfuhr in den letzten Jahren tausenden Mietern. Warum hat niemand gegengesteuert?
David Costanzo
SPD: Bund ist gefragt
„Die Stadtregierung hat im Gegensatz zu Schwarz-Gelb in Bund und Land Wohnungsnot immer ernst genommen. Deswegen läuft aktuell schon die fünfte Auflage unseres Programms „Wohnen in München“. Allerdings ist die Abnahme der Sozialwohnungen unbestreitbar. Was für die Stadt hier fehlt, sind anständige Rahmenbedingungen. Die setzen Bund und Land. Wir brauchen Wohnungsbauprogramme, Mietrechtsreform und die Möglichkeit zu Umwandlungsverboten. Günstiger Wohnraum kommt übrigens allen Münchner Mietern zu Gute – weil dadurch das gesamte Mietniveau sinkt. Selbst die Vermieter haben etwas davon, denn die Preisexplosion führt zu Immobilienblasen und die neigen dazu zu platzen.“
Andreas Lotte, wohnungspolit. Sprecher der SPD
Grüne: Stadt hält Bestand
„Es stimmt: Die Eingriffsreserve ist zu niedrig. Hier treffen jedoch zwei Entwicklungen zusammen, auf die die Stadt keinen Einfluss hat. Während die städtischen Gesellschaften GWG und Gewofag ihre Bestände stabil gehalten haben, sind besonders viele Wohnungen in Privatbesitz aus der Sozialbindung gefallen – z.B. 14 000 ehemalige Wohnungen der Neuen Heimat. Zum anderen haben die Sozialwohnungen immer kürzere Bindungszeiten – 20 oder weniger Jahre statt 40. Die Stadt muss gegensteuern: 100 000 Wohnungen wären eine vernünftige Eingriffsreserve. Die Stadt muss mutig investieren und dazu übergehen, ihre eigenen Grundstücke häufiger als Bauland für Wohnungen zu nutzen, statt sie meistbietend zu verkaufen.“
Sabine Nallinger, Fraktionsvize und OB-Kandidatin
CSU: OB verfehlt Ziel
„Noch 2010 rechnete das Planungsreferat nicht mit einer Wohnungsnot – trotz Mahnungen aus dem Innenministerium. Aus meiner Sicht steht fest, dass OB Christian Ude als Chef der Verwaltung den Wohnungsbau vernachlässigt hat. Denn Fakt ist: Die Stadt hat ihre selbst gesteckten Wohnungsbauziele in den vergangenen Jahren mit großer Regelmäßigkeit verfehlt. Auch hat sie von den bereit gestellten 625 Millionen Euro nicht einmal die Hälfte investiert. Das Problem ist hausgemacht, weil großen Ankündigungen von OB Ude wie der Wohnungsbauoffensive keine Taten folgen. Rot-Grün hat auch hier ein Umsetzungsproblem. Nur unser ständiges Drängen führte z. B. zu mehr Personal für den Wohnungsbau.“
Josef Schmid, Fraktionschef der Rathaus-CSU
FDP: Unvernünftige Politik
„Seit Jahren kritisiert die FDP den überteuerten Sozialwohnungsbau, der nur viel Geld kostet, die Probleme nicht löst. Die Zahlen zeigen, die Politik der Stadtratsmehrheit ist völlig gescheitert. Wenn eine 70qm-Sozialwohnung mit bis zu 200 000 Euro subventioniert wird, erkennt jeder, wie unvernünftig diese Politik ist. Zudem sind viele Sozialwohnungen fehlbelegt. München muss endlich umdenken: Wir brauchen dringend ein kommunales Wohngeld, das gezielt hilft. Total falsch wäre es, wenn die Stadt noch mehr Grundstücke behielte und damit zum Preistreiber des freien Wohnungsmarktes würde. Um Mieten und Kaufpreise zu bremsen, hilft nur Bauen, Bauen, Bauen, möglichst jährlich 10 000 neue Wohnungen.“
Michael Mattar, Fraktionschef der FDP