Angst vor dem Wohn-Horror

München - Weltstadt mit Herz: Wie lang gilt dieses München-Motto noch? Nach dem Immobilien-Prozess vom Montag könnte es einen Domino-Effekt geben.
Nämlich: Immer mehr Wohnungen in der City könnten in Gewerbeflächen umgewandelt werden, immer mehr Menschen würden immer weiter draußen wohnen. Anja Franz, Sprecherin des Münchner Mietervereins, ist geschockt: „Das kann doch nicht wahr sein! Wir wollen München bleiben – eine Wohnstadt.“
Hintergrund: Eine Münchner Hausbesitzerin hatte geklagt. Sie wollte sich offiziell bestätigen lassen, dass ihre Wohnung an der Ottostraße im Prinzip unbewohnbar ist – unter anderem wegen des Lärms der Feierbanane (in der Nachbarschaft sind gleich mehrere Clubs). Sie forderte ein so genanntes Negativattest, was die Vermietung als Gewerbefläche (etwa für Arztpraxen) erlaubt. Das Gericht entschied zwar wegen eines Formfehlers nicht über die Sache – die Richterin stellte aber beim Ortstermin am Montag aber trotzdem fest: „In Kerngebieten ist Wohnen nur ausnahmsweise zulässig.“ Also ist der Weg frei für die Vernichtung von Wohnraum.
Die zweite Zerstörung Münchens: Bausünden nach dem 2. Weltkrieg
Facebook-Seite der tzAnja Franz fehlt dafür jedes Verständnis: „Junge Leute und Studenten haben sicher großes Interesse an einer Wohnung in einer derartigen Lage. Dann muss eben die Miete gesenkt werden. Existierende Wohnungen müssen als solche genutzt werden können. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts ist für mich absolut nicht nachvollziehbar!“ Und: „Wo soll das denn hinführen?“
Facebook-Seite der tz
Wenn der befürchtete Domino-Effekt einträte, dann „hätten wir bald Zustände wie in London oder Paris“, so Franz. Städte, in denen die Leute weit entfernt vom Zentrum wohnen. Städte, in denen die Mieten astronomisch hoch sind. Weltstädte – in denen sich die Frage nach dem Herz kaum mehr stellt. Jedenfalls nicht, wenn es ums Wohnen geht ...
Lara Braml
Paris
Rund 12 Millionen Einwohner im Großraum, davon 2,1 Millionen in der eigentlichen Stadt. Laut verschiedenen Studien liegt die Durchschnittsmiete im Zentrum über 20 € pro qm. Mittlerweile umfasst das dicht besiedelte Gebiet einen Durchmesser von etwa 120 km.
London
Im Großraum wohnen fast 14 Millionen Menschen. In Sachen Miete liegt die Stadt nach einer ECA-Studie auf Platz eins in Europa. Pro Quadratmeter werden in der City durchschnittlich 31 Euro fällig. Folge: Die Leute ziehen raus und pendeln (im Schnitt 37,8 Minuten einfach).
München
Fast 1,5 Millionen Einwohner. Der IVD berichtet: Der Quadratmeter Wohnfläche (Altstadt/Lehel) kostet im Schnitt 15,40 €. Der durchschnittliche Münchner Auto-Pendler braucht 30 Minuten pro Tag für die einfache Strecke.
... doch hier gibt’s bald 43 neue Bleiben
Mitten in der bayerischen Landeshauptstadt entsteht dagegen Wohnraum: Denn in einer der beliebtesten Gegenden ist ein neues Wohnhaus geplant. Ab Februar soll das Objekt in der Kaulbachstraße 63 gebaut werden.

In unmittelbarer Nähe des Englischen Garten werden dort 43 neue Wohnungen, angefangen bei 31 Quadratmeter bis zu 285 Quadratmetern Wohnfläche, geschaffen. Dafür muss das noch bestehende Gebäude, das über 80 Jahre alt ist, abgerissen werden. Bis vor kurzem beherbergte der Bau noch das Mädchenwohnheim Ermelinda. Dies zog im Dezember 2012 in die Schellinstraße. Bereits im Februar soll nun der Neubau des Mehrgenerationenhauses starten. Dabei soll eine Wohnfläche von insgesamt 4600 Quadratmetern entstehen. Hohe Decken, bodentiefe Fenster und ein begrünter Innenhof machen den Charme des modernen Objektes aus. Es gibt sogar schon einige Käufer: „Es sind bereits dreiviertel der gesamten Wohnungen verkauft“, sagt Jürgen Schorn, Geschäftsführer von Bauwerk Capital.
Der Kaufpreis für den Wohnraum mitten im Herzen Münchens beginnt bei 8500 Euro und geht bis 13 500 Euro pro Quadratmeter. Bis Ende 2014 sollen dann die Wohnungen fertig und bezugsbereit sein. Die Auswahl an Wohnraum in dem ist bunt gemischt: Von dem kleinen Appartement bis zur großen 6-Zimmerwohnung mit Dachterasse, ist alles vertreten.