Der Stadtplan der Mieter-Vertreibung

München - Umwandlung, Luxus-Sanierung, Mieterhöhung, Vertreibung: Das sind die Schreckgespenster der Mieter in München. Wo werden die meisten Wohnungen umgewandelt?
Umwandlung, Luxus-Sanierung, Mieterhöhung, Vertreibung: Die Schreckgespenster der Mieter in München machen immer Angst - jedes für sich, meist tauchen sie zusammen auf. Unterm Strich wird Wohnen in der Stadt immer teurer. Die Reichen verdrängen die Armen.
Aus Miete wird Eigentum: Auch dem Poltergeist Umwandlung widmet sich der neue Bericht zur Wohnungssituation, den Stadtbaurätin Elisabeth Merk am Mittwoch im Rathaus vorstellt. Darin findet sich der Stadtplan der Mieter-Vertreibung: Wo werden die meisten Wohnungen umgewandelt?
In den letzten fünf Jahren tauchte das Schreckgespenst vor allem in der Parkstadt Bogenhausen, am Biederstein am Englischen Garten und in Neuhadern auf. Dort haben die alten Eigentümer in dieser kurzen Zeit mehr als vier Prozent aller Apartments von Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt und oft einzeln verkauft. Drei bis vier Prozent waren es im Hackenviertel zwischen Fußgängerzone und Sonnenstraße, in Neuschwabing, im nördlichen Haidhausen an der Grenze zu Bogenhausen und in Mittersendling. Fast alle Gegenden haben „Aufwertungspotenzial“, wie der Makler sagt. Denn hier dreht sich alles ums Geld.
Natürlich müssen die alten Bewohner nicht sofort und zwangsläufig raus – zunächst wechselt nur der Eigentümer. „Für die Mieter ist die Umwandlung aber oft der Anfang vom Ende“, sagt die Chefin des Mietervereins, Beatrix Zurek (SPD). Auf die Umwandlung folge oft eine Mieterhöhung, dann eine Luxus-Sanierung, dann wieder eine Mieterhöhung. „Die Bewohner können sich ausrechnen, wann ihr Geld nicht mehr langt.“ Erst will der Käufer sein Geld schnell wieder reinholen. Danach kommt die vermeintliche Aufwertung, denn die Bewohner zahlen sie dem Vermieter – elf Prozent pro Jahr per neue Mieterhöhung. Nach ein paar Jahren haben sie dem Eigentümer die Sanierung getilgt. Zurek seufzt: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann zahlen sie noch heute.“
Der Mieterschutz kann die Eigentümer dagegen wenig schrecken. Welcher Bewohner kann schon sein Vorkaufsrecht nutzen und aus dem Stegreif eine 300 000-Euro-Finanzierung auf den Tisch legen? Auch der Kündigungsschutz von zehn Jahren hilft dem Mieter wenig, wenn er vorher die Miete nicht mehr zahlen kann.
„Umwandlungen führen zu veränderten Eigentumsstrukturen und damit oftmals auch zu einer veränderten Bewohnerstruktur“, heißt es nüchtern in der Studie der Stadt. „Somit geht weiterer preisgünstiger Wohnraum verloren.“
München von oben im Vergleich: 1962 und 2011
Dass die Zahl der Umwandlungen zurückgegangen ist, kann die Mieter-Präsidentin wenig trösten. Zuletzt waren es noch rund 1000 Wohnungen pro Jahr. Vor sieben, acht Jahren waren es noch fast 3000. „Anfang der 90er-Jahre gab es eine Welle. Seitdem suchen Investoren, wo noch etwas möglich ist“, sagt Zurek. Langsam gehen eben die Möglichkeiten aus.
Eingreifen könnte der Freistaat mit einem Umwandlungsverbot, das die Stadt und Mieterschützer seit Jahrzehnten vergeblich fordern. Zurek glaubt, dass es auch heute noch helfen könnte: „Wenn das vor 20 Jahren gekommen wäre, hätten wir heute eine andere Umwandlungskarte.“
David Costanzo
Die größte Miet-Studie
Bereits am Mittwoch berichtete die tz umfassend über Münchens größte Wohnstudie, die am Mittwoch im Rathaus beraten wird: Auf 130 Seiten beleuchtet das Planungsreferat den Markt von allen Seiten. Dabei wird im langfristigen Vergleich deutlich, wie dramatisch sich die Lage für einkommensschwache Haushalte verschlechtert hat. Noch 1980 verfügte die Stadt über eine „Eingriffsreserve“ aus 120 000 günstigen Sozialwohnungen und sonstigen Apartments der Stadt - jetzt sind es noch 74 000! Dabei steigt die Zahl der Bedürftigen. Reiches München - arme Mieter