Klaus Maria Brandauer in der Münchner Isarphilharmonie: Erst die Moral, dann das Fressen

Klaus Maria Brandauer kam in die Münchner Isarphilharmonie - und enttäuschte. Der große Bühnenstar irritierte mit einer allzu verkopften Textauswahl.
Sie hatten sich das ein bisschen anders vorgestellt. Die 1600 Zuschauer in der fast ausverkauften Münchner Isarphilharmonie. Klaus Maria Brandauer. Der Mann ist eine lebende Burgtheater- und Filmlegende. Kommt er zur Lesung nach München, erwarten Jung und Alt: Bühnenspektakel, Anekdoten-Fest, Naturgewalt. Doch der 79-Jährige verlangte erst einmal: Konzentration. Also: Dostojewski. Das ganz große Besteck: „Der Großinquisitor“ aus „Die Brüder Karamasow“.
Brandauer liest das stark, jede Pause wird bewusst gesetzt, jedes Senken der Stimme lässt aufhorchen, bringt sogar irgendwann die übertrieben vielen Huster im Saal zur Stille. Man hört diesem einnehmenden Mann immer gerne zu. Noch lieber aber würde man ihn spielen sehen. In der Pause entsprechend gedrückte Stimmung. Wird das jetzt so verkopft weitergehen? Weiter über Gott und Moral und Freiheit philosophiert?
Klaus Maria Brandauer liest brillant
Ein bisschen ja. Der Abend heißt schließlich „Fast ein Hamlet mein Mephisto ein Ödipus mein Jedermann“. Also weiter durch den Weltliteratur-Kosmos. Von Goethe bis Heine. Den „Erlkönig“ hat man ja wahrlich oft gehört, bei Brandauer aber ist’s wie „Titanic“-Schauen: Obwohl man das Ende kennt, glaubt man bis zur letzten Strophe, das geht jetzt doch noch gut aus. Eine Perle, brillant.
Das dankbare Publikum jubiliert, kaum dass der Brandauer mal aus der Haut fährt, laut wird. Ein bisschen Spektakel, bitte. Mehr davon! Es wird nur ein kleines Mehr. Zum Abschluss schenkt der Bühnenprofi den wohl vor allem aus Zuneigung und Respekt ihm gegenüber anständig geistig dranbleibenden Zuhörerinnen und Zuhörern eine seiner liebsten Geschichten, das hinreißende „Halifax und Biwifax“ von Fritz Müller. Als wollte er sie dafür belohnen, so brav durchgehalten zu haben. Dann noch zwei, drei kurze Zugaben, Verneigung, Abgang, neuerliches Verneigen. Und Schluss. Er geht so grußlos, wie er kam. Ja, man hatte sich das ein bisschen anders vorgestellt. (Lesen Sie hier: Unser Interview mit Klaus Maria Brandauer)