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Benedict Wells präsentiert sein Buch „Hard Land“ in München: „Die Tinte war nicht Erfahrung, sondern Sehnsucht“

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Benedict Wells signiert in der Muffathalle seinen Roman
Signieren, bis die Finger brechen: Benedict Wells (rechts vorne) befriedigte in der Muffathalle alle Autogramm-Wünsche. © Katrin Woitsch

Mit großen Worten lassen sich große Halle füllen - das hat Benedict Wells in der Münchner Muffathalle bewiesen. Er hat aus seinem Roman „Hardland“ vorgelesen - und verraten, wie der entstanden ist.

Es war klar, dass es ein euphancholischer Abend werden würde. Eine Mischung aus euphorischer Vorfreude und Melancholie – die Stimmung kennt jeder, der sich lange auf etwas freut, was dann viel zu schnell vorbei ist. Benedict Wells hat ein Wort dafür gefunden. Und viele weitere gute Wörter für die Stimmung eines gesamten Jahrzehnts. Mit schönen Worten kann man große Hallen füllen – die seit Monaten ausverkaufte Lesung in der Münchner Muffathalle ist der Beweis dafür.

Mitgebracht hat Wells nicht nur seinen Coming-of-Age-Roman „Hard Land“, sondern auch einen langjährigen Freund, den Musiker Jacob Brass. Und natürlich ein klein wenig 1985.

Auf der Bühne steht eine alte Popcorn-Maschine, daneben Filmplakate aus den Achtzigern. Die Kulisse, in der auch sein Roman spielt (wir berichteten). In einem Kino eines kleinen Kaffs in Missouri beginnt dieser eine besondere Sommer für den 15-jährigen Sam. „In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb“ – das ist der erste Satz aus Wells’ Roman. Es geht um jugendliche Ausgelassenheit, ums Dazugehören-Wollen, Unsicherheit und Mutproben, um Verbundenheit und Verlust.

Sechs Jahre hat der 37-Jährige an seinem Roman geschrieben, dafür jeden Film übers Erwachsenwerden angeschaut und sich durch unzählige Achtzigerjahre-Playlists gehört. Seine Jugendzeit spielte in den Neunzigern, erzählt er. „Die Tinte für das Buch war nicht meine eigene Erfahrung, sondern die eigene Sehnsucht.“ Er ist nicht nur gekommen, um aus dem Roman zu lesen – sondern auch, um vom Schreiben daran zu erzählen. Von dem Moment, als er die Geschichte das erste Mal vor Augen hatte, von seiner Reise quer durch die USA, von den sieben Figuren in seinem Buch, die langsam gewachsen sind und immer mehr Profil bekamen.

Die Tinte für das Buch war nicht meine eigene Erfahrung, sondern die eigene Sehnsucht.

Benedict Wells

Jacob Brass begleitet ihn mit Liedern seines neuen Albums „Circletown“. Die beiden passen nicht nur so perfekt gemeinsam auf die Bühne, weil sie sich so lange kennen und so gut eingespielt sind. Auch Brass’ Lieder handeln von Melancholie, Liebe und Verlust. Davon, zu hohe Erwartungen an sich selbst zu haben. Und dann hat er noch ein paar Achtziger-Klassiker wie „I’m on Fire“ oder „Drive“ mitgebracht und auf Brass-Art interpretiert.

Für den gebürtigen Münchner Wells und den Fürstenfeldbrucker Brass ist der Abend in der Muffathalle Teil einer Tour quer durch Deutschland – und gleichzeitig ein Heimspiel, wie Benedict Wells sagt. Ein Abend, den sie „auszuzeln“ wollen bis zum Letzten. Es ist eine Konzert-Lesung, bei der die Zuschauer Fragen rufen dürfen. Und bei der im Publikum Menschen sitzen, die beide gut kennen. Freunde, die den ersten Rausch und die ersten Trennungsschmerzen miterlebt haben. Ehemalige Lehrer, Menschen, die das Buch und die Songs mitgeprägt haben. Vielleicht sogar ganz unbewusst.

In „Hard Land“ schreibt Wells: „Freundschaften in der Schule sind wie Freundschaften im Knast. Man weiß erst draußen im richtigen Leben, was sie wert sind.“ Mit guten Abenden ist es anders, eher wie mit guten Büchern oder Songs: Man weiß schon nach den ersten Sätzen, dass sie viel zu schnell vorbei sein werden. Ein typischer Fall von Euphancholie eben.

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