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Münchner Konzerthaus vor dem K.o.?

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Konzerthaus-Animation
Animation des Konzerthauses: Um es zu kippen, müsste man den Grundstückseigentümer auszahlen – oder ihm einen Ersatz schmackhaft machen. © Cukrowicz/Nachbaur

Der Freistaat Bayern muss sich mit einem milliardenschweren Sanierungsstau plagen. Das geplante Konzerthaus hat daher schlechte Karten. Doch es gäbe - umstrittene - Alternativen.

Nehmen wir das Jahr 2030. Sir Simon Rattle hat seinen Vertrag beim BR-Symphonieorchester verlängert. Die Lockenpracht ist ausgedünnt, die Emphase ungebrochen. Die innerstädtische Konkurrenz der Philharmoniker ist mit Chef Lahav Shani seit vier Spielzeiten auf ungeahnten Höhenflügen unterwegs. Beide Ensembles rangeln noch immer um die besten Termine in der fast überbuchten Isarphilharmonie, auch mit den Privatveranstaltern, während einige Kilometer weiter der marode Herkulessaal geschlossen werden muss.

Blanker Pessimismus? Es ist ein Albtraum mit großem Wahrheitspotenzial. Auch bis zum Beginn der 30er-Jahre könnte die sanierungsbedürftige Gasteig-Philharmonie noch immer unbenutzbar sein, während der Freistaat sein Konzerthaus im Werksviertel beerdigt hat – oder weiterhin an der x-ten Variante des Projekts strickt. Bekanntlich haben sich Stadt und Freistaat gerade mit ihren Saal-Projekten selbst ausgebremst. Was das Konzerthaus betrifft, sieht die Kulturszene mit Interesse (und Ängsten) dem 10. Mai entgegen. An diesem Tag will Kunstminister Markus Blume (CSU) dem Kulturausschuss des Landtags vortragen, welche Projekte finanziert werden müssen. Es dürfte eine Liste des Schreckens werden. Neue Pinakothek, Musikhochschule, Haus der Kunst, Nationaltheater, Herkulessaal, Staatstheater Nürnberg oder Theater Würzburg – eine Milliardenwelle rollt da auf den Freistaat zu. Und dass die so massiv ausfällt, ist nicht unbedingt ein Naturereignis. Es hängt auch damit zusammen, dass viele Projekte ständig vertagt wurden.

Freistaat müsste den Werksviertel-Eigentümer auszahlen

Angesichts dieses Sanierungsstaus werden die Karten fürs Konzerthaus immer schlechter. Und es dürfte viele CSU-Entscheidungsträger geben, die darin genügend Argumente sehen, um die von Ministerpräsident Markus Söder verkündete „Denkpause“ für dieses Projekt in eine willkommene Beerdigung zu verwandeln. Doch so locker und schnell kommt der Freistaat aus seiner Planung fürs Werksviertel nicht heraus.

Wie bekannt wurde mit Eigentümer Werner Eckart ein Erbpacht-Vertrag geschlossen. Und wie zu hören ist, will der Pfanni-Erbe den Freistaat nicht einfach aus dem Pakt entlassen. Offiziell möchte er auf Anfrage dazu keine Stellungnahme abgeben. Drei Szenarien sind möglich. Erstens: Das Konzerthaus wird (eventuell in abgespeckter Form) gebaut. Zweitens: Der Freistaat zahlt Eckart komplett aus, pro Jahr sind rund 600 000 Euro Erbpacht fällig. Oder man macht ihm ein Ersatz-Projekt schmackhaft, etwa das eigentlich für Nymphenburg geplante, dort nicht unbedingt beliebte Naturkundemuseum Biotopia.

Letzteres, so glaubt Sanne Kurz von den Landtags-Grünen, sei im Rahmen der baurechtlichen Genehmigung möglich und daher eine Option. Außerdem komme die Staatsregierung auf diese Weise mit einem blauen Auge davon. Die Vorgänge passen für Sanne Kurz jedenfalls „gut ins Bild eines Ministerpräsidenten, dem Kultur im Grunde egal ist und der Meister im Ankündigen ist, aber Note sechs im Umsetzen dieser Ankündigungen hat“.

Heubisch: „Kein Ruhmesblatt für die Kulturpolitik der CSU“

Ähnliches kommt von einem früheren Kunstminister: „Das Konzerthaus wird kein Ruhmesblatt für die Kulturpolitik der CSU werden“, ätzt Wolfgang Heubisch (FDP). Noch sei alles im Fluss, seine Partei werde weiter „Druck aufbauen“, weil man Sympathie fürs Konzerthaus hege.

Eine andere Lösung, die sich herauskristallisiert: eine Zusammenarbeit mit der Stadt München. Der Freistaat würde dazu sein Konzerthaus aufgeben und etwa über eine gemeinsame Gesellschaft bei der Gasteig-Sanierung einsteigen. Dann würde der Stadt auch keine Schrumpflösung drohen, die Renovierung käme schneller voran – und der Freistaat erhielte dafür einen Teil des Belegungsrechts plus Raumprogramm.

Seit Monaten gibt es hierfür eine Einladung der Stadt. Katrin Habenschaden, zweite Bürgermeisterin, hat sie noch einmal bekräftigt: „Als Stadt sind wir offen für Gespräche mit dem Freistaat über den Konzertsaal“, sagt die Grünen-Politikerin. „Derzeit stellen sich viele Fragen, die entscheidend sind für die Zukunft der Musikstadt München.“ Deshalb sollten Staatsregierung und Stadt nicht nebeneinanderher agieren, sondern abgestimmt und auf Augenhöhe. „Für mich steht aber fest: Wir werden unseren Gasteig sanieren und aufwerten und machen das nicht von einer Beteiligung des Freistaats abhängig.“

Kooperation mit der Stadt als „vernünftigste Lösung“

Schon einmal gab es ähnliche Pläne, als sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auf eine Zwillingslösung mit Philharmonie und Herkulessaal verständigen wollten. Dies scheiterte aus strukturellen und praktischen Gründen. Doch nun, so gibt etwa die Landtags-SPD zu bedenken, habe sich die Ausgangslage (auch unter Einbeziehung der Isarphilharmonie) geändert. Die entscheidende Frage für Volkmar Halbleib, kulturpolitischer SPD-Sprecher, ist daher: „Wie kann man die Anstrengungen der Stadt am Gasteig, die gerade stocken, und die des Freistaats mit seinen Plänen im Werksviertel so zusammenführen, dass wir möglichst rasch einen hochwertigen Konzertsaal bekommen?“ Eine Kooperation sei die „vernünftigste Lösung“.

Für den CSU-Regierungspartner von den Freien Wählern pocht die kulturpolitische Sprecherin Kerstin Radler darauf, dass das Konzerthaus im Koalitionsvertrag stehe. Angesichts vieler finanzieller Probleme sieht sie es allerdings als Projekt „on top“. Eine mögliche Zusammenarbeit mit der Stadt hält sie „nicht für zielführend“.

Die Frage bei alledem ist, ob sich der Freistaat den Fehlschlag eines seit 20 Jahren geplanten Saals eingestehen will und ob er dafür ein städtisches Projekt mitfinanziert. Aus der CSU sind hierzu Meinungen zu hören à la „Warum sollten wir denen einfach unser Geld geben?“ Und eine Alternative? Auch da ist man sich einig: Vor der Landtagswahl im Oktober passiert erst mal nichts. Eine Wartephase, in der die Baukosten weiter in die Höhe schießen. 

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