„Liebes Kind“: Warum uns diese Thriller-Serie gefangen hält

Achtung, Suchtgefahr. Wer eine Schwäche für spannende Serien hat, wird von „Liebes Kind“ nicht mehr loskommen. Die deutsche Thriller-Überraschung ist der Hit auf Netflix. Wir sagen Ihnen warum...
Es ist nicht schwer, im Krimirepertoire Skandinaviens eine Serie zu finden, die einen spannungsmäßig um den Verstand bringt. „Die Brücke“ (abrufbar bei Netflix) ist so eine. Dass auch Deutschland jenseits von „Rosenheim Cops“ und „Tatort“ mordsmäßig gute Unterhaltung im Thrillerformat kann, beweist die Miniserie „Liebes Kind“. Seit dem 7. September bricht der sechsteilige Überraschungserfolg beim Streamingriesen Netflix alle Rekorde. In mehr als 84 Ländern landete die von der Münchner Constantin Film produzierte Geschichte auf Platz eins der Charts und wurde millionenfach abgerufen. Warum es sich lohnt einzuschalten, lesen Sie hier:
Die Geschichte
„Liebes Kind“ basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von Romy Hausmann. Sie erzählt die Geschichte eines Martyriums, dessen Grauen sich erst rückblickend offenbart. Eine Frau Mitte 30 lebt mit zwei Kindern in einem fensterlosen Haus, eingesperrt, starren Regeln und einem Mann unterworfen, der sie rund um die Uhr kontrolliert. Es gibt exakte Zeiten für Mahlzeiten, Toilettengänge und keinen Kontakt nach außen. Die Serie setzt ein, als der Frau die Flucht gelingt. Von einem Auto angefahren, landet sie schwer verletzt mit einem der Kinder im Krankenhaus, wo sich das wahre Ausmaß des Albtraums erst Stück für Stück entblättert. „Liebes Kind“ weckt unweigerlich Erinnerungen an den realen Entführungsfall der Natascha Kampusch. Die Österreicherin konnte 2006 nach achtjähriger Gefangenschaft ihrem Entführer entkommen.
Das Ensemble
Es sind Hannah und Jonathan, die Kinder in dieser erschütternden Serie, die großartig besetzt sind. Naila Schuberth und Sammy Schrein spielen die kindlichen Opfer, die zwischen Angst und Entschlossenheit, Trauma und Zuversicht eine große Glaubwürdigkeit entwickeln. Aber auch die übrigen Protagonisten, allen voran Kim Riedle als weibliches Entführungsopfer, entwickeln eine grandiose Präsenz. Justus von Dohnányi, Julika Jenkins, Haley Louise Jones und Hans Löw komplettieren das großartige Ensemble. Um die Kinderdarsteller mit der thematischen Schwere der Geschichte nicht zu verstören, wurde übrigens ein extra Kinderdrehbuch geschrieben, das die Szenen altersgerecht aufarbeitet und einordnet.
Die Dramaturgie
„Liebes Kind“ ist nichts für schwache Nerven. Dabei verzichtet die Miniserie weitgehend auf plakative Gewalt oder blutige Szenen. Stattdessen werfen Isabel Kleefeld und Julian Pörksen, die gemeinsam das Drehbuch geschrieben haben und Regie führen, das Kopfkino der Zuschauer an. Und das leistet ganze Arbeit. Wo die Serie Enge atmet, setzt umgehend die Beklemmung ein. Es entsteht eine erstaunliche Sogwirkung, die durch geschickte Wendungen noch gesteigert wird. Die Filmemacher bleiben konsequent in der Opferperspektive und dabei ganz nah dran an den Figuren. Charaktere, die durch ihre Beschädigung, ihre Wärme und Verletzlichkeit Mitgefühl wecken.
Auch wenn der Gedanke an eine Fortsetzung dieser feinen Thrillerserie verlockend erscheint, die Geschichte ist mit den sechs gut dreiviertelstündigen Episoden abgeschlossen. Und das ist gut so. „Liebes Kind“ bewahrt sich dadurch seine Magie und hat dennoch genug Hoffnung geweckt, dass es auch in Zukunft richtig gute Thriller made in Germany geben kann.
