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„Tatort“-Star Stefanie Reinsperger wehrt sich gegen Bodyshaming und Mobbing

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Von: Katja Kraft

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Stefanie Reinspergers neues Buch „Ganz schön wütend“
Stefanie Reinspergers neues Buch „Ganz schön wütend“ © Molden Verlag

Stefanie Reinsperger glänzt im Dortmunder „Tatort“ und am Berliner Ensemble. Im Buch „Ganz schön wütend“ erzählt sie von Bodyshaming und Mobbing.

Liest man ihr Buch „Ganz schön wütend“, wird man selbst richtig wütend. „Sehr schön! So soll es sein“, freut sich Stefanie Reinsperger, als man ihr das im Interview erzählt. Seit 2021 spielt Reinsperger die Kommissarin Rosa Herzog im Dortmunder „Tatort“.Auch Theaterbesucher lieben die 34-Jährige dafür, wie sie sich in ihre Rollen wirft. Erst als Ensemblemitglied am Wiener Burg-, dann am Volkstheater und seit 2017 am Berliner Ensemble. Was man nicht wusste, ist, wie häufig sie in ihrem Alltag wegen ihres Gewichts beleidigt wird. Da beschimpfen sie Passanten aus heiterem Himmel als „Fette Sau“; und als sie, geboren in Baden bei Wien, 2017 und 2018 die Buhlschaft im „Jedermann“ spielte, erreichten sie Hassbriefe: Wie sie sich anmaßen könne, diese Rolle zu übernehmen – sie sei doch gar nicht schön genug. All das beschreibt Reinsperger in „Ganz schön wütend“ (Molden Verlag, 176 Seiten; 25 Euro). Ein Mutmachbuch, das dazu motiviert, sich nicht alles gefallen zu lassen.

Wenn man Ihren Namen googelt, wird der Begriff Gewicht vorgeschlagen. Er wird am häufigsten in Verbindung mit Ihnen gesucht.

Stefanie Reinsperger: Wahnsinn! Echt? Das ist irre – und sagt viel aus über unsere Gesellschaft.

Doch Sie sind heute soweit zu sagen: „Das macht mich wütend – aber es macht mich nicht mehr traurig“?

Stefanie Reinsperger: Ja. Natürlich würde ich lügen, würde ich behaupten: „Das ist total einfach, über fiese Sprüche hinwegzugehen.“ Aber es kränkt mich nicht mehr so krass wie früher. Ich reibe mich daran nicht mehr auf. Sondern ich versuche, in eine Aktivität zu kommen. Wut hilft dabei. Sie macht viel produktiver als Zweifel – die wirken destruktiv, vor allem gegen einen selbst. Ich möchte diesen beleidigenden Menschen und erniedrigenden Situationen keine Macht mehr über mich geben.

Wie man seine Wut herauslässt, zeigt Stefanie Reinsperger eindrucksvoll in ihrem Solo-Abend „Selbstbezichtigung“ von Peter Handke am Berliner Ensemble.
Mut tut gut! Wie man seine Wut herauslässt, zeigt Stefanie Reinsperger eindrucksvoll in ihrem Solo-Abend „Selbstbezichtigung“ von Peter Handke am Berliner Ensemble. © Ulrike Rindermann

Ihre Eltern und Ihre Schwester sind Ihnen dabei eine große Stütze. Wie haben die Sie gestärkt?

Stefanie Reinsperger: Erstens Mal kann ich mich nicht erinnern, dass meiner Schwester oder mir je etwas verboten wurde. Die Beziehung zu unseren Eltern hat immer über Vertrauen funktioniert. Und auch mein Papa hätte uns Mädels nie gesagt, dass wir etwas nicht schaffen können. Ich hatte die beschenkteste Kindheit, die ich mir hätte wünschen können.

Wer war sonst ein Halt? Hatten Sie Vorbilder? Sie schreiben, dass es als jemand, der nicht Kleidergröße 36 hat, schwierig sei, rein optisch Vorbilder in dem Beruf zu finden.

Stefanie Reinsperger: Das stimmt. Schauspielerische Vorbilder hatte ich viele, doch ich habe mich wenig vertreten gefühlt in Filmen, Zeitschriften, der Werbung. Neulich habe ich eine Kampagne von Dove gesehen, in der nicht die typischen superdünne Frauen abgebildet waren. Ein Bild davon habe ich gleich meiner Mama geschickt und ihr geschrieben: „Das hätte ich mir früher auch gewünscht, dass solche Körper plakatiert werden!“ Generell sind für mich Vorbilder Menschen, die mutig für die richtigen Sachen kämpfen. Denen egal ist, dass sie polarisieren. Solche Stärke bewundere ich. Auch Schauspieler, die sich nicht scheuen, dahin zu gehen, wo es wehtut.

Im Dortmunder „Tatort“ ist Stefanie Reinsperger seit 2021 als Kommissarin Rosa Herzog an der Seite von Kommissar Faber (Jörg Hartmann) zu sehen.
Im Dortmunder „Tatort“ ist Stefanie Reinsperger seit 2021 als Kommissarin Rosa Herzog an der Seite von Kommissar Faber (Jörg Hartmann) zu sehen. © Elliott Kreyenberg

So wie Sie selbst mit Ihrem Buch. Hatten Sie keine Angst vor fiesen Kritiken, gerade im Internet?

Stefanie Reinsperger: Ich habe vor Jahren aufgehört, Internetkommentare zu lesen. Das ist ja teilweise unterirdisch und beleidigend. Am Laptop zu Hause kann jeder so wahnsinnig mutig sein! Ich bin oft froh, dass es, als ich in der Pubertät war, Social Media nicht gab.

Die setzen vor allem junge Mädels unter Druck. Möchten Sie denen mit Ihrem Buch zurufen: Hört auf, an der scheinbaren Perfektion eures Körpers zu arbeiten und nutzt eure Energie lieber für sinnvolle Dinge?

Stefanie Reinsperger: Ich glaube, dass auch Menschen, die an einem Traumkörper interessiert sind, viel Geist besitzen. Das will ich denen nicht absprechen. Ich möchte die Menschen vom Druck befreien, einem optischen Ideal hinterherzueifern. Wenn morgen alle Frauen auf der Welt aufwachen und sagen würden: „Ich find’ mich gut so wie ich bin“, würde eine riesenfette Industrie zusammenbrechen! Eine Industrie, die nur damit Geld macht, dass wir uns schlecht fühlen! Dabei sollte man sich sagen: Du bist es wert, geliebt zu werden und du bist schön, so wie du bist. So krass das ist, aber das ist immer noch viel Arbeit zu sagen, dass Schönheit von innen kommt. Auch die Medien sollten zeigen: Es gibt sehr viele Arten, wie sich Schönheit ausdrücken kann.

Interessanterweise sieht man die in anderen oft leichter als bei sich selbst.

Stefanie Reinsperger: Stimmt! Ich glaube, besonders Frauen kennen das, dass man zu der anderen sagt: „Was? Nein! Du bist doch so schön!“ Aber wenn es darum geht, die eigene Schönheit zu erkennen, tut man Komplimente ab und sagt: „Komm, hör auf jetzt. Das stimmt doch nicht.“ Traurig ist das!

Stefanie Reinsperger als Buhlschaft im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. An ihrer Seite Tobias Moretti (re.) in der Titelrolle.
Stefanie Reinsperger als Buhlschaft im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. An ihrer Seite Tobias Moretti (re.) in der Titelrolle. © Matthias Horn

Zumal Ihr Körper Ihr Kapital ist. Sie spielen mit ihm.

Stefanie Reinsperger: Ja, der trägt mich durch dieses Leben und ermöglicht mir, Arbeitspensen zu erfüllen, die es in sich haben. Ich bin sehr glücklich, dass ich das Leben so führen kann wie ich es führe. In meinem Körper. Und ich bin auch – und das ist noch etwas, was Frauen zu wenig über sich sagen – ein bisschen stolz auf mich.

Streichen Sie das „ein bisschen“!

Stefanie Reinsperger: Ja, aber sehen Sie, das kommt einem wieder so komisch vor, sich selbst zu loben. Doch jetzt mein Buch in der Hand zu halten – nach einer Achterbahnfahrt der Gefühle während des Schreibens – das ist ein gutes Gefühl.

Sie sind ein Bühnentier, arbeiten aber immer mehr für TV und Film. Können Sie sich vorstellen, nicht mehr Theater zu spielen?

Stefanie Reinsperger: Eigentlich nicht. Ich merke, dass beides parallel herausfordernd ist. Aber: Ich will nicht zum Club der Schauspieler gehören, die nur noch drehen. Deshalb kommt es vor, dass ich vom Set heimfahre, zwei Vorstellungen spiele und nachts wieder zurück düse und weiter drehe. Ich lieb’s halt auch einfach sehr zu arbeiten, zu ackern.

Dafür werden Sie vom Publikum gefeiert. Im Buch stehen so viele gemeine Kommentare, die Sie über sich ergehen lassen mussten. Über welche Komplimente haben Sie sich besonders gefreut?

Stefanie Reinsperger: Ich habe einen Solo-Abend am Berliner Ensemble, „Selbstbezichtigung“ von Peter Handke. Der hatte vor sieben Jahren Premiere in Wien und den spiele ich immer noch, der hat sich mit mir verändert. Da ist es schon öfter passiert, dass Menschen danach zu mir kamen und sagten, dass sie aufgrund meines Spiels nun eine wichtige Entscheidung für ihr Leben getroffen hätten. Und kürzlich schrieb mir eine Zuschauerin, dass sie komplett vergessen hätte, dass das Theater ist. Weil es sich angefühlt hätte, als sei sie bei einer Freundin, die ihr das erzählt. Wenn man es erreicht, dass Menschen neu oder anders über etwas nachzudenken, ist das das größte Kompliment, was es für die Kunst, die ich versuche zu machen, gibt.

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