„Tatort“ heute: Die Vergangenheit auf dem Seziertisch

Kein pathologischer Lügner, aber ein Pathologe, der lügt. Der „Tatort: Vergebung“ ist ein solider Stuttgarter Krimi über Schuld, Sühne und die Schatten der Vergangenheit.
Er hat die Toten lange genug studiert, um ihnen auf dem Seziertisch die Geschichte ihres Ablebens entlocken zu können. „Aber was ändert das, wenn man weiß, woran sie gestorben sind“, will ein kleiner Junge im „Tatort“ wissen. Für einen Moment ist Rechtsmediziner Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) sprachlos, doch in den kommenden 90 Filmminuten wird klar, dass dieses Wissen bisweilen alles ändert.
Der 31. Einsatz ist zweifellos einer der stärkeren des Stuttgarter Duos bestehend aus Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare). Vielleicht weil sich die Kommissare angenehm zurückhalten, um dem stets schwäbelnden Kollegen Vogt (überzeugend gespielt von Hartmann, der auch die Idee zu diesem Krimi hatte) den Vortritt zu lassen. Der Pathologe seziert in der Episode „Vergebung“ (vom 19. November) seine eigene Biografie. Nachdem der ehemalige Jugendfreund Mathias Döbele tot in der Rechtsmedizin gelandet ist, begibt sich Vogt auf eine Reise in die schwäbische Provinz und damit in die eigene Vergangenheit, in der Dämonen lauern.
Im Treffen mit der Witwe (großartig: Ulrike C. Tscharre), seiner Jugendliebe, steckt viel Wehmut und bittersüßer Schmerz. Hinter all den Rückblenden und der melancholischen Schwere, hinter den Bildern eines scheinbar unbeschwerten Jugend-Sommers am Wasser liegt ein dunkles Geheimnis verborgen. Regisseur Rudi Gaul und sein Kameramann Stefan Sommer schwelgen in nostalgischen Details und fast schon poetischen Bildern. Ein bisschen zu verliebt scheinen die Filmemacher in die (perfekt ausgestatteten) Achtzigerjahre zu sein. Doch rechtzeitig zum Finale finden sie das Gaspedal, mit dem die Story um Schuld und Sühne noch mal Fahrt aufnimmt. Schauspieler Paul Faßnacht sorgt in seiner undurchsichtigen Nebenrolle für ein feines Ende in diesem soliden Krimi.