Die „West Side Story“ gibt es jetzt fürs Heimkino

Die „West Side Story“ war bei der Oscar-Verleihung 2022 sieben Mal für einen Academy Award nominiert. Gewonnen hat schließlich nur Ariana DeBose den Oscar als beste Nebendarstellerin. Wer Steven Spielbergs Musicalfilm im Kino verpasst hat: Die „West Side Story“ ist jetzt auf DVD und Blu-ray erschienen.
Am Anfang ist da nur ein Pfeifen. Begleitet von diesem Pfeifen erkundet die Kamera jene große Baustelle, die New York, die Upper West Side, Ende der Fünfzigerjahre ist. Hier wird nicht nur ein Stadtviertel hochgezogen, hier werden Lebenswege angelegt. Schließlich findet die Kamera einen jungen Mann, folgt ihm. Und so wie nach und nach immer mehr Instrumente auf der Tonspur von Steven Spielbergs neuem Film erklingen, so sammelt der Typ mit jedem Meter, den er geht, springt, klettert andere Typen um sich: Sie sind bereit, die Baustelle, die Stadt, das Leben zu erkunden. Was kostet die Welt?
„West Side Story“: Das Musical wurde 1957 uraufgeführt
Spielberg, gerade 75 Jahre alt geworden, hat in seiner Karriere viele tolle Filme und ein paar schwache inszeniert. Nun hat er zum ersten Mal ein Musical verfilmt. Seine „West Side Story“ ist eine nostalgische Verneigung vor Leonard Bernsteins Komposition und vor der Leinwandadaption, die Regisseur Robert Wise und Choreograf Jerome Robbins 1961 in die Lichtspielhäuser brachten – und die mit zehn Oscars ausgezeichnet wurde. Diese neue „West Side Story“ bleibt nun nah am Bühnenwerk, das 1957 uraufgeführt wurde. Dennoch versucht sich der Film an einer behutsamen Modernisierung.
Der Auftakt ist mitreißend und wirft das Publikum mitten hinein in die Konflikte zwischen den beiden Jugendbanden: den Sharks, deren Familien aus Puerto Rico stammen, und den Jets, deren Vorfahren aus Europa in die USA emigriert sind. „Mitten hinein“ ist in diesem Zusammenhang keine Übertreibung: Spielberg und sein Lieblingskameramann Janusz Kamiński rauschen hinreißend durch die Tanzszenen. Das Duo findet immer wieder neue, ungewöhnliche, auch atemberaubende Einstellungen, um vor allem die Gruppen-Choreografien ins beste Bild zu setzen. Hier greift der Regisseur auf den Ansatz vom Beginn zurück: Mancher Tanz entwickelt sich aus einer scheinbar alltäglichen Bewegung.
Stephen Sondheim schrieb die Liedtexte für die „West Side Story“
Gesungen wird, was Bernsteins Musik und die Liedtexte des gerade verstorbenen Stephen Sondheim vorgeben – und worauf die Fans warten: „Maria“, „Tonight“, „I feel pretty“, das kauzig-komisch realisierte „Gee, Officer Krupke“ und – klar! – das fabelhafte „America“, für das Spielberg die wohl beste Choreografie des Films gefunden hat. Hier feiert der ganze Block eine Party, zu der die Frauen den Takt schlagen.
Rita Moreno spielte 1961 und 2021 in der „West Side Story“ mit
Die „Romeo und Julia“-Geschichte zwischen Maria, der Puerto Ricanerin, deren Bruder die Sharks anführt, und Tony von den Jets ist nicht nur großartig getanzt und sehr ordentlich gesungen, sondern gut besetzt: Die beste Idee war, Rita Moreno, die 1961 Anita spielte und am Samstag ihren 90. feiert, als Ladenbesitzerin Valentina erneut mitwirken zu lassen. Morenos Szenen sind die stärksten, anrührendsten dieser „West Side Story“ – sie gibt der Produktion Seele. In ihrer Rolle von 1961, als Freundin Bernardos, Chef der Sharks und Marias Bruder, bringt Ariana DeBose viel Witz und ordentlich Frauenpower in diese 155 Minuten. Ihr kommt zudem die nicht gerade einfache Aufgabe zu, das völlig veraltete Geschlechterbild des Musicals zumindest etwas anzukratzen. Eine abfällige Geste hier, ein Augenrollen da, ein Hochziehen der Braue dort: DeBose zeigt, dass ihre Anita nichts davon hält, die Männer (ausschließlich) zu umgarnen. Ihr selbstbewusstes Spiel tut gut – und ist dringend notwendig. Auch, weil Maria letztlich ein fader Charakter ist. Rachel Zegler, die hier ihr Kinodebüt gibt, kann daran letztlich zu wenig ändern.