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U-Bahn-Schubser vom Scheidplatz war total betrunken - bis heute wartet das Opfer auf eine Entschuldigung

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Mit diesem Foto fahndet die Polizei nach dem flüchtigen Täter.
Mit diesem Foto fahndete die Polizei nach dem flüchtigen Täter. © Polizei München

Ein Betrunkener hatte einen Mann im Oktober 2019 am Scheidplatz auf die U-Bahn-Gleise geschubst. Das Opfer überlebte knapp wartet bis heute auf eine Entschuldigung.

Update vom 16. August 2020: Eine Narbe steht für sein neues Leben. Quer über den Hinterkopf, sieben Zentimeter lang. „Ich sah übel aus, aber hatte noch richtig Glück“, sagt Christian L. (40). Denn am 3. Oktober 2019 wurde der Münchner von einem Fremden am Scheidplatz ins U-Bahn-Gleis gestoßen. Mit dem Hinterkopf prallte Christian L. auf die Schienen, blutüberströmt lag er im Gleisbett. Ohne Bewusstsein.

Dass er heute ein normales Leben führen kann: beinahe unglaublich. Doch zwei junge Münchner hatten den Glaser verletzt liegen sehen: Mutig stiegen sie hinab ins Gleis und zogen Christian L., der rund 100 Kilo wiegt, mit all ihrer Kraft wieder hoch auf den Bahnsteig. Wenig später fuhr die U-Bahn ein…

Christian L. wurde am Scheidplatz von einem Betrunkenen auf die Gleise geschubst und überlebte knapp.
Christian L. wurde am Scheidplatz von einem Betrunkenen auf die Gleise geschubst und überlebte knapp. © Sigi Jantz

U-Bahn-Schubser: Opfer Christian L.: „Hätte sterben können“

In München sind vergleichbare Fälle schon tödlich ausgegangen. „Auch ich hätte sterben können“, sagt Christian L. Doch das Schicksal hat ihn verschont. Eine Platzwunde, eine leichte Gehirnerschütterung: Mehr war dem 40-Jährigen im Herbst nicht passiert.

Voller Schrecken, aber auch voller Dankbarkeit schaut Christian L. heute auf den Vorfall vor zehn Monaten zurück. „Es war der letzte Wiesn-Tag“, sagt er. Etwa 0.30 Uhr nachts. „Ich wollte nur nach Hause. In der Bahn hatte ich mein Fahrrad dabei.“ Am Scheidplatz wollte ein anderer Fahrgast dann aussteigen. Beide waren angetrunken – und gerieten miteinander in Streit. Bilder aus der Videokamera des Verkehrsverbundes dokumentieren, was danach geschah: L. stieg aus, wollte zur Rolltreppe. Da stieß der andere Fahrgast ihn mit voller Wucht ins Gleis. Eine üble Tat!

Wochenlang fahndete die Polizei anschließend mit Fotos nach dem bulligen Glatzkopf aus der U-Bahn. Doch erst, als Paul R. (Name geändert) sich Ende November groß in der Zeitung gesehen hatte, stellte er sich freiwillig bei der Polizei.

Täter hat „Keine Erinnerungen an den Vorfall. Er war zu betrunken“

„Mein Mandant hat keine Erinnerungen mehr an den Vorfall. Er war zu betrunken“, sagt sein Verteidiger Tom Heindl auf tz-Nachfrage. Im Winter hatte die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Paul R. eingeleitet. Anfang Juni kassierte er dann einen Strafbefehl. Tatvorwurf: gefährliche Körperverletzung. Weil R. dagegen Einspruch einlegte, kam es zum Prozess, den das Amtsgericht auf den 6. Juli terminiert hatte. Doch kurz vorher akzeptierte Paul R. die Strafe dann plötzlich doch. Folge: Der Prozesstermin wurde wieder abgesetzt und Paul R. musste eine Geldstrafe über mehrere tausend Euro zahlen.

Für Christian L. ist der Fall damit aber nicht erledigt. „Der Täter hat sich nie bei mir gemeldet oder sich entschuldigt. Das finde ich besonders schlimm.“ Seit der U-Bahn-Attacke leidet er an einer Belastungsstörung, kämpfte sich langsam zurück in den Alltag. Und forderte über seinen Anwalt Laib Chasklowicz auch 5000 Euro Schmerzensgeld.

Gezahlt hat Paul R., ein leitender Angestellter, jedoch nie. Für das Opfer und dessen Anwalt nicht nachvollziehbar. „Man hätte den Fall auch als versuchtes Tötungsdelikt werten können“, sagt Chasklo­wicz. „Es wäre ein Gebot des Anstandes gewesen, sich mit meinem Mandanten in Verbindung zu setzen und ihm gegenüber Bedauern über so ein Fehlverhalten auszudrücken.“ Das habe der Täter „aber offenbar nicht für notwendig erachtet. Deshalb werde ich jetzt erneut Klage einreichen.“ Verteidiger Tom Heindl sagt dagegen: „Die Forderung des Geschädigten war völlig überhöht und deshalb inakzeptabel.“ - Andreas Thieme

U-Bahn-Schubser stellt sich der Polizei - Kameras zeichneten seine brutale Tat auf

Update vom 27. November 2019, 14.45 Uhr: Der U-Bahn-Schubser war wenige Minuten nach seiner Tat (siehe Ursprungsmeldung) mit der Linie U3 in Richtung Innenstadt gefahren. Der Vorfall, bei dem sich ein 39-Jähriger verletzt hatte, wurde von Kameras des U-Bahnhofs Scheidplatz aufgenommen. 

Nach der Öffentlichkeitsfahndung stellte sich der Täter bei der Polizeiinspektion 47 (Milbertshofen). Bei ihm handelt es sich um einen 48-jährigen Münchner. Die Öffentlichkeitsfahndung ist damit abgeschlossen.

U-Bahn-Schubser: Polizei veröffentlicht Fahndungsfoto - wer hat den Täter gesehen?

Ursprungsmeldung vom 26. November 2019:

München - Ein bislang unbekannter Mann hat einen Münchner am U-Bahnhof Scheidplatz auf die Gleise geschubst. Der Vorfall hatte sich bereits im Oktober 2019 ereignet. Die Polizei München hat nun ein Lichtbild des Gesuchten veröffentlicht. Seinem Outfit nach zu urteilen, hatte sich dieser zuvor auf dem Oktoberfest aufgehalten.

München: Mann nach Streit auf U-Bahn-Gleise geschubst

Nachfolgend lesen Sie die Pressemeldung der Polizei München im Wortlaut: „Am 4. Oktober 2019 (gegen 7 Uhr) geriet ein 39-jähriger Münchner mit einem unbekannten Mann am U-Bahnhof Scheidplatz in Streit. Dabei schlug der Unbekannte den Münchner mit seinem mitgeführten Regenschirm gegen den Kopf. 

Im Rahmen eines sich anschließenden Gerangels schubste er den 39-Jährigen ins Gleisbett. Der Münchner wurde verletzt und mit Kopfverletzungen in ein Krankenhaus gebracht. 

Die Polizei München bittet in einem weiteren Fall um die Mithilfe der Bevölkerung. Mit einem Foto wird nach einem dreisten Duo gefahndet.

Vorfall in München: Polizei sucht nach „kräftigem“ Lederhosenträger

Der unbekannte Täter fuhr wenige Minuten nach der Tat mit der Linie U3 in Richtung Innenstadt. Die Tat wurde von Kameras des U-Bahnhofs Scheidplatz aufgenommen. Die Ermittlungen führt das Kommissariat 24 (Körperverletzungsdelikte). 

Der Täter wird wie folgt beschrieben: Männlich, etwa 45 - 55 Jahre, ca. 190 cm, kräftige Gestalt, Glatze, bekleidet mit Tracht und Strickjacke.“

mm/tz

Rund um das Oktoberfest 2019 war es zu einem tödlichen S-Bahn-Unfall gekommen. Ein Tourist war auf dem Heimweg verunglückt. Weitere aktuelle Meldungen aus München finden Sie hier bei tz.de*

*tz.de ist Teil der Ippen-Digital-Zentralredaktion

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