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„Häufig Mangelware“: Antibiotika werden knapp – Ärzte warnen vor Halbwissen

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Von: Tobias Gehre

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Immer wieder muss Dr. Hermann Schubert von der Kreisklinik auf alternative Präparate zurückgreifen.
Immer wieder muss Dr. Hermann Schubert von der Kreisklinik auf alternative Präparate zurückgreifen. © gehre

Die Brucker Antibiotika-Resistenz-Initiative (BARI) schlägt Alarm: Medikamente werden immer öfter zu Mangelware. Vor allem bestimmte Antibiotika sind manchmal nicht lieferbar. Für die Patienten bleibt das nicht ohne Folgen.

Fürstenfeldbruck – Haben sich unerwünschte Bakterien im Körper breit gemacht, schlägt die Stunde der Antibiotika. Manche von ihnen machen besonders vielen Erregern den Garaus, andere wirken gezielt gegen bestimmte Bakteriengruppen.

Je nach Bedarf setzen Ärzte verschiedene Varianten des Medikaments ein. Lange konnten sie dabei aus dem Vollen schöpfen – mittlerweile aber sind verschiedene Antibiotika immer wieder nicht lieferbar. „Vor allem Antibiotika in Tablettenform sind häufig Mangelware“, sagt Dr. Hermann Schubert, Oberarzt der Anästhesie am Klinikum Fürstenfeldbruck.

Antibiotika werden knapp - Ärzte warnen vor Halbwissen: Die Tücken

Ist das Medikament der Wahl nicht verfügbar, griffen Ärzte auf ein anderes Präparat zurück. Das habe aber seine Tücken, so Schubert, der in der Klinik auch für das Qualitätsmanagement in der Antibiotika-Therapie zuständig ist. Müsse man etwa ein so genanntes Breitbandantibiotikum anstatt eines zielgerichteten Mittels einsetzen, erhöhe sich die Gefahr für Resistenzen. Andere Alternativpräparate könnten hingegen eine suboptimale Therapie darstellen.

Auch Dr. Emanuel Nies, Allgemeinarzt aus Mammendorf, kennt die Problematik. Seit Monaten sei es schwierig, die Patienten mit genau dem passenden Präparat zu behandeln. Immer wieder bekomme er die Rückmeldung, dass die Apotheke das verschriebene Medikament nicht habe. „Das verunsichert die Patienten.“.

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Doch was ist der Grund für den Mangel? Claudia von Sachs hat Antworten auf diese Frage. Sie ist Leiterin der Klinikversorgung bei der Johannes-Apotheke in Gröbenzell. Diese beliefert insgesamt 28 Krankenhäuser in der Region mit den nötigen Medikamenten. Die Liste mit nicht lieferbaren Mitteln umfasse mittlerweile fünf DIN A 4-Seiten. Für viele Antibiotika gebe es nur einen oder wenige Hersteller – und die säßen oft nicht in Deutschland oder Europa. Hintergrund sei, dass die Produzenten mit Antibiotika schlicht nicht viel Geld verdienen könnten. Oftmals sei der Patentschutz längst abgelaufen, die Renditen entsprechend gering.

Antibiotika werden knapp - Produktion in Europa

Dr. Schubert fordert daher, Teile der Produktion wieder zurück zu holen nach Europa. Es müsse in den Markt eingegriffen werden. „Der regelt zwar vieles, aber nicht alles“, so der Mediziner.

Ein Umstand, der ebenfalls zu Problemen führe, sei das weit verbreitete Halbwissen in der Bevölkerung über Antibiotika, berichtete Allgemeinmediziner Nies. Immer wieder kämen Patienten und würden ein Antibiotikum einfordern, wenn ein Infekt mal ein bisschen länger dauere. „Ich brauche jetzt was Gescheites“, höre er dann oft. Dabei seien nur etwa fünf Prozent der Infekte auf Bakterien zurückzuführen – und nur gegen diese wirken Antibiotika.

Doch noch immer würden Ärzte unnötigerweise solche Präparate verschreiben. Auch deshalb will die BARI-Initiative im Lauf des Jahres eine Informationsveranstaltung organisieren. Arbeitstitel: „Mythen in der Antibiotika-Therapie“.

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