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„Das kann nicht endlos so weiter gehen“: Asyl-Kapazitäten im Würmtal erschöpft

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Die neue Flüchtlingssiedlung an der Großhaderner Straße in Gräfelfing besichtigten Bürger, Landrat Christoph Göbel (2.v.r.) und die damalige Bürgermeisterin Uta Wüst (3.v.r.) im Dezember 2015 kurz vor der Eröffnung. Inzwischen ist sie längst zu klein; eine Erweiterung kann Bürgermeister Peter Köstler sich zumindest vorstellen. a-Foto: Dagmar Rutt
Die neue Flüchtlingssiedlung an der Großhaderner Straße in Gräfelfing besichtigten Bürger, Landrat Christoph Göbel (2.v.r.) und die damalige Bürgermeisterin Uta Wüst (3.v.r.) im Dezember 2015 kurz vor der Eröffnung. Inzwischen ist sie längst zu klein; eine Erweiterung kann Bürgermeister Peter Köstler sich zumindest vorstellen. © Dagmar Rutt

Die Zahl der Flüchtlinge steigt, und damit der Druck auf die Gemeinden. Die Unterkünfte im Würmtal sind voll. Jetzt werden wieder Traglufthallen, Turnhallen und Erweiterungsbauten diskutiert.

Würmtal – Wohin mit weiteren Flüchtlingen? Diese Frage brennt den Bürgermeistern im Würmtal auf den Nägeln. Die Kapazitäten sind erschöpft. „Das kann nicht endlos so weiter gehen“, sagt Gräfelfings Bürgermeister Peter Köstler. Die Kommunen müssten die Flüchtlinge nicht nur unterbringen, sondern auch sozial integrieren. Die Kinder bräuchten Plätze in Schulen und Kindergärten. „Da stoßen wir an Grenzen.“

Die Gemeinde Gräfelfing erfüllt ihr Soll nach dem Königsteiner Schlüssel, also gemessen an der Einwohnerzahl, derzeit nicht. Sie müsste mehr Flüchtlinge aufnehmen. Die sogenannte Erfüllungsquote liegt in Gräfelfing laut Zahlen des Landratsamtes München bei 63 Prozent. Köstler sagt: „Wir sind bereit, uns weiter dem Thema zu stellen.“ Aber die Gemeinde habe bereits viel geleistet.

Gemeinde Gräfelfing soll 381 Menschen entsprechend der Quote aufnehmen

332 Flüchtlinge leben derzeit in Gräfelfing. Es sei nicht leicht, noch mehr Plätze für die Unterbringung zu schaffen. Doch 381 Menschen sollte die Gemeinde entsprechend der Quote aufnehmen. Die öffentlichen Unterkünfte in Gräfelfing fassen derzeit 239 Menschen. Zahlreiche Ukrainer sind privat untergebracht.

Das Landratsamt München habe bereits vor Monaten gefragt, ob die Unterkunft an der Großhaderner Straße über 2025 hinaus bleiben und ob sie erweitert werden könne. „Die jetzige Situation zeigt, dass verlängert werden muss“, erklärt der Bürgermeister. Und er sagt: „Ich kann mir auch eine Erweiterung vorstellen.“ Nur: „Für Traglufthallen findet sich in Gräfelfing kein Platz, und ich sehe nicht, dass wir wieder Turnhallen belegen.“

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Keine Standorte für Traglufthallen

Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger erklärt in Richtung Berlin: „Wenn wir nicht mehr aufnehmen können, müssen die was dagegen tun, dass wir aufnehmen.“ Der Bund müsse über das Asylgesetz nachdenken. „Wir vor Ort können das nicht lösen. Wir werden alleine gelassen.“ Planegg erfüllt seine Quote aktuell zu 43 Prozent (246 Flüchtlinge, inklusive privat untergebrachter Ukrainer, leben in Planegg, 313 sollten es sein). Die staatlichen Kapazitäten liegen dort bei 135. Nafziger arbeitet daran, die Verträge für die bestehenden Unterkünfte in seiner Gemeinde zu verlängern. Mehr sei derzeit nicht geplant. „Das Landratsamt ist noch nicht auf uns zugekommen und hat gesagt, dass wir tätig werden sollen.“

Der Bürgermeister sieht auch keine Möglichkeit, die bestehenden Unterkünfte zu vergrößern. Und: „Traglufthallen sind jetzt der Lösungsansatz des Landrates, aber ich hätte dafür keinen Standort. Die Flächen, die der Gemeinde gehören, sind begrenzt.“

Geflüchtete in Würmtal: „Wenn es nicht anders läuft, müssen wir die Mehrzweckhalle anbieten“

Kraillings Bürgermeister Rudolph Haux erklärt: „Die Flüchtlingsströme hören nicht auf, da müssen wir ehrlich sein.“ Das weiß auch Nafziger. Deswegen sagt er: „Wir werden uns im Notfall schon irgendetwas einfallen lassen.“ Doch er findet: „Es wäre schön, wenn sich der Bund da mal eine Lösung überlegen würden.“

Neurieds Bürgermeister Harald Zipfel kann nur eine Quote von 21 Prozent vorweisen. „Ich weiß, dass ich ganz hinten bin, aber bemüht haben wir uns immer.“ Kritikern erklärt Zipfel: „Schaut euch das Luftbild von Neuried an, drumherum ist nur Wald.“ Dennoch biete er dem Landratsamt seit Jahren immer wieder Möglichkeiten an, Flüchtlinge unterzubringen. Auf dem ehemaligen Sportplatz hätte im vergangenen Sommer eine Containerlösung für 80 Flüchtlinge entstehen können, aber da habe das Landratsamt keinen Bedarf gehabt. „Die Chance ist vorbei.“ Jetzt hat Zipfel wieder ein Grundstück, das er dem Landratsamt anbieten will. Wieder eigne es sich für Container für 80 Personen. „Wenn es nicht anders läuft, müssen wir die Mehrzweckhalle anbieten.“

135 Flüchtlinge wohnen aktuell in Neuried; 222 sollten es sein. Die staatlichen Kapazitäten liegen bei 47 Plätzen. Zipfel kritisiert, dass der Bund seine eigenen Liegenschaften, die im Landkreis brach lägen, nicht zur Verfügung stelle. „Der Staat bewegt sich da kein bisschen.“

Beschlagnahmung von Bundeseinrichtungen

Starnbergs Landrat Stefan Frey denkt sogar über die Beschlagnahmung von Bundeseinrichtungen nach. Aber er zieht auch den Ausbau bestehender Containeranlagen in Erwägung. Nur eins schließt Frey kategorisch aus: „Turnhallen sind für uns keine Option.“ Sein Sprecher Stefan Diebl sagt: „Wir prüfen auch die Möglichkeit, bevorzugt Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft wie beispielsweise Erholungs- und Fortbildungsstätten zu belegen, um über den Winter zu kommen. Hier sind wir bereits in Gesprächen.“ Wer von leer stehenden Wohnungen, Häusern, Hallen oder Pensionen wisse, solle sich beim Landratsamt melden.

Kraillings Bürgermeister Haux erklärt, was die Erweiterung der Containeranlage in Krailling betreffe, sei momentan nichts geplant. Sie werde diskutiert. Vorher versuche der Landkreis Starnberg, Grundstücke und Unterkünfte anzumieten. Aktuell leben in Krailling 154 Flüchtlinge. Während der Landkreis München sein Soll zu 73 Prozent erfüllt, übererfülle der Landkreis Starnberg das Seine um vier Prozent, so Diebl. Doch Diskussionen darüber, wo Neuankömmlinge künftig untergebracht werden können, werden in beiden Landkreisen geführt.

Gauting bietet landkreisweit den meisten Asylbewerbern eine Unterkunft

Erst kürzlich wies die Regierung von Oberbayern dem Landkreis Starnberg 50 Personen zu, die in die Unterkunft auf dem ehemaligen AOA-Gelände in Gauting einzogen. Gauting bietet nun landkreisweit den meisten Asylsuchenden Zuflucht (432). „Wir übererfüllen die Quote“, kann Bürgermeisterin Brigitte Kössinger daher sagen, obgleich der Landkreis Starnberg nie Quoten für einzelne Gemeinden bestimmt hat, so Diebl. Im Landkreis Starnberg sind nun nur noch einzelne Plätze frei. Was die Quote betrifft, wären andere Landkreise jetzt zuerst an der Reihe. Doch: „Wir rechnen damit, dass wir Ende November Zuweisungen bekommen“, so Rudolph Haux.

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