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Keine Chance auf dem Mietmarkt: Deshalb leben 400 Fehlbeleger in den Asylunterkünften

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In Asylunterkünften in Bad Tölz-Wolfratshausen leben mehr als 400 Fehlbeleger. Sie müssten eigentlich ausziehen, können es aber nicht, weil „es so gut wie aussichtslos ist“, eine Wohnung zu finden.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Sie leben in großen oder kleinen Unterkünften – obwohl sie das weder wollen noch dürfen: Viele Flüchtlinge gelten als sogenannte Fehlbeleger. Das sind Menschen, die eine offizielle Aufenthaltserlaubnis haben und sich deshalb auf dem freien Wohnungsmarkt eine feste Bleibe suchen sollen. So zumindest die Theorie. In der Hochpreisregion im Münchner Süden ist das jedoch ein praktisch aussichtsloses Unterfangen. Deshalb sind viele anerkannte Flüchtlinge immer noch in den Unterkünften.

Zahl der Fehlbeleger im Landkreis liegt konstant bei mehreren 100

Die Zahl der „Fehlbeleger“ im Landkreis ist kontant hoch. Nach Auskunft von Landratsamts-Sprecherin Marlis Peischer fielen zum 28. September 428 von 3001 Personen, die in Flüchtlingsunterkünften lebten, in diese Kategorie.

Die Helferkreise haben die aktive Suche nach Wohnungen weitestgehend eingestellt – weil sie keine Chancen mehr auf Besserung erkennen. „Es ist ganz ehrlich so gut wie aussichtslos, wenn ein Flüchtling an die Region gebunden ist“, sagt Ines Lobenstein. Sie ist nicht nur die Leiterin des Wolfratshauser Asylhelferkreises, sondern auch Wohnungslosenbeauftragte der Caritas in der Loisachstadt. „Der Markt ist fast komplett zu.“ Die Wohnungen seien ohnehin knapp, und unter den vielen Bewerbern fallen Geflüchtete bei den Vermietern schnell durchs Raster. „Manche sprechen die Sprache nicht so gut, andere haben große Familien und wenig Geld“ – für einige Eigentümer sind das K.O.-Kriterien.

„Selbst für eine deutsche Familie, in der nur ein Elternteil arbeitet, ist die Wohnungssituation eine Katastrophe“

Ähnlich beschreibt die Situation Barbara Stärz von der Wohnungslosenhilfe der Caritas in Bad Tölz. „Die Situation ist ganz furchtbar“, sagt sie. Das gelte für alle Menschen, die auf der Suche nach einer Wohnung sind – „und noch dazu einer bezahlbaren“. Alle möglichen Gruppen seien dabei verschiedenen Formen der Diskriminierung ausgesetzt: „Die einen Vermieter wollen keine Jungen, andere keine Alten, keine Arbeitslosen, keine Ausländer, keine Menschen mit Haustieren“, zählt Stärz auf.

Asyl in Deutschland (Symbolbild).
Wer eine Aufenthaltserlaubnis hat, müsste eigentlich aus den Asylunterkünften ausziehen. Weil viele aber keine Wohnung finden, leben sie dort als Fehlbeleger. © Symbolbild: Michael Bihlmayer/Imago

Ein Mietinteressent mit hohem Einkommen oder Vermögen habe noch eher Möglichkeiten. Insgesamt aber sieht Stärz die Wahrscheinlichkeit, in der Region eine Wohnung zu finden von nahe Null auf immer noch niedriges Niveau schrumpfen. Der häufige Traum von einem Ein-Zimmer-Appartement sei mittlerweile unrealistisch. „Selbst für eine deutsche Familie, in der nur ein Elternteil arbeitet, ist die Wohnungssituation eine Katastrophe“, bestätigt Lobenstein.

Das Problem nimmt überall in Deutschland zu

Die Zahl der Menschen, die eine Wohnung suchen, zu begrenzen, hielte Barbara Stärz dabei nur für eine zu schlicht gedachte Schein-Lösung. „Das Problem ist, dass zu wenige Wohnungen da sind und es in dieser Hinsicht einfach nichts zu verteilen gibt.“

Deutlich leichter als in der hiesigen Hochpreisregion mit stetigem Zuzug sei die Suche für Geflüchtete, wenn sie nicht unbedingt im Landkreis bleiben müssen, glaubt Lobenstein. „Anderswo findet man schon immer mal wieder etwas Passendes und Bezahlbares.“

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Barbara Stärz ist auch da skeptisch. Auf Tagungen und in Fachzeitschriften bekomme sie mit, dass dieselben Probleme überall in Deutschland zunehmen. „Der Klassiker war immer Niederbayern und der Bayerische Wald.“ Aber auch dort werde nach ihrer Beobachtung „immer weniger angeboten“.

Lobenstein sieht zumindest einen positiven Aspekt für die Flüchtlinge: „Für manche ist das eine Motivation, Deutsch zu lernen und Geld zu verdienen.“ Und es gebe manchmal eben doch Erfolgsgeschichten – wenn auch selten. Kürzlich habe beispielsweise eine Familie eine Wohnung gefunden, die sich zuvor in einer Unterkunft ein Zimmer geteilt hat: mit fünf Kindern und zwei Erwachsenen.

Für Ukraine-Flüchtlinge gab es Angebote, aber auch hier hat die Bereitschaft nachgelassen

Auch Hannah Schreyer hat in Geretsried „keine Wohnung für die Geflüchteten in Aussicht“. Die Chefin der Koordinationsstelle „Integration aktiv“, die mit den Asylbewerbern in Geretsried arbeitet, erinnert sich, dass die meisten Kontakte zu Vermietern und Eigentümern durch Zufall entstanden seien.

Leicht sei es nie gewesen, freie Wohneinheiten zu finden. „Wenn es einfach wäre, hätten wir hier nicht so viele Fehlbeleger“, so die Mitarbeiterin des Trägervereins Jugend- und Sozialarbeit. „Wir unterstützen die Menschen dabei, aber wir können den Wohnungsmarkt nicht verändern.“

Eine Zeit lang haben die beiden Helferkreis-Chefinnen beobachtet, dass es große Hilfsbereitschaft und dementsprechend Wohnungsangebote für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine gegeben habe. Das war kurz nach dem russischen Angriff im Februar 2022.

Inzwischen habe das Interesse nachgelassen, die Angebote seien wieder zurückgegangen. „Die Knappheit betrifft alle Nationen“, sagt Schreyer. Zwar gebe es vor allem in Geretsried große Bauprojekte, eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt erkennt sie aber nicht.

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