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Ukraine-Flüchtlinge in Bayern: Riesen-Chaos bei Auszahlungstag - „Absolute Unverschämtheit“

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Stundenlange Wartezeiten mussten die 274 Haushaltsvorstände, denen gestern am Landratsamt in Weilheim ihre Leistungen ausgezahlt wurden, in Kauf nehmen, bis sie an ihr Geld kamen.
Stundenlange Wartezeiten mussten die 274 Haushaltsvorstände, denen gestern am Landratsamt in Weilheim ihre Leistungen ausgezahlt wurden, in Kauf nehmen, bis sie an ihr Geld kamen. © GRONAU

Endlose Schlangen, stundenlange Wartezeiten in der Kälte – der erste Auszahlungstag der Leistungen für die Ukraine-Flüchtlinge geriet gestern in Weilheim zur befürchteten Geduldsprobe.

Landkreis – Zwei ukrainische Frauen hat die Familie von Grünen-Kreisrätin Brigitte Gronau aus Weilheim bei sich zu Hause aufgenommen. Ehrensache, dass sie sie zu ihrem ersten Auszahlungstag beim Landratsamt begleitet hat. „Unfassbar, wie das abläuft“, meinte Gronau, als sie aus der endlosen Schlange heraus bei der Heimatzeitung anrief.

Seit 9.30 Uhr stand sie gemeinsam mit ihren beiden ukrainischen Gästen in der Schlange. „Als ich sah, dass es länger dauert, bin ich noch mal losgeradelt und habe warme Jacken und heiße Getränke organisiert“, berichtet die Weilheimerin. Allein: „Als ich nach einer Dreiviertelstunde wieder da war, hatte sich kaum etwas in der Schlange vorwärtsbewegt.“

Bargeld-Auszahlung an Ukraine-Flüchtlinge: „Massenandrang war abzusehen“

Es habe lediglich Ausnahmen für diejenigen mit Kindern unter zwei Jahren gegeben. Diese hätten an der Schlange vorbei gleich zur Auszahlung gehen dürfen. „Das war doch abzusehen, dass es einen Massenandrang geben würde“, so Gronau. „Eine absolute Unverschämtheit“ sei es, was da passiere. „Hier stehen Leute aus Schongau, aus Peiting in der Schlange. Warum wird nicht dort auch Geld ausgezahlt? Die Leute holen sich beim stundenlangen Warten in der Kälte doch schwere Erkrankungen.“

Sie verstehe nicht, warum man nicht zügig dafür sorge, dass die Flüchtlinge ein eigenes Konto bekommen und ihr Geld einfach überwiesen bekommen, anstatt persönlich erscheinen und das Geld in bar entgegen nehmen zu müssen.

Ukraine-Flüchtlinge: 280 000 Euro binnen kurzer Zeit ausgezahlt - „Muss sorgfältig gearbeitet werden“

Am Ende waren es fast fünf Stunden, die Brigitte Gronau und ihre ukrainischen Gäste anstehen mussten, bis sie an der Reihe waren. „Die eigentliche Auszahlung im Container dauerte dann wenige Sekunden“, berichtete die Weilheimerin im Anschluss. Es sei ihr völlig unverständlich, warum das alles so lange gedauert habe.

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Helmut Hartl, Sachgebietsleiter für Asylleistungen und Integration beim Landratsamt, konnte die Fragen, die Gronau stellte, später im Gespräch mit der Heimatzeitung beantworten. Dass es zu längeren Wartezeiten kam, sei zu erwarten gewesen. „Wir haben binnen kürzester Zeit über 900 Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen“, sagt er. Gestern seien binnen weniger Stunden 280 000 Euro ausgezahlt worden. Wie immer, wenn es um Geld geht, müsse sorgfältig gearbeitet werden, weil am Ende alles stimmen muss.

Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge: Auch die Gemeinden sollen Leistungen auszahlen

32 Mitarbeiter habe die zuständige Abteilung, alle seien gestern im Einsatz gewesen. „Da wir wussten, dass sehr viel mehr Menschen als bisher Leistungen ausbezahlt bekommen müssen, haben wir bereits im Vorfeld die einzelnen Gemeinden im Landkreis um Hilfe gebeten“, so Hartl weiter. 21 Gemeinden hätten sich im Vorfeld bereit erklärt, ebenfalls Leistungen auszubezahlen. Ansonsten wäre die Schlange vor dem Landratsamt in Weilheim, die zwischenzeitlich auf deutlich über 100 Menschen angewachsen war, noch viel länger geworden.

Alle weiteren Infos zum Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen in Bayern lesen Sie hier auf unserer Themenseite Ukraine-Flüchtlinge.

„Wir hoffen, dass wir bis Ende April Vereinbarungen mit allen 34 Gemeinden im Landkreis haben, damit diese die Leistungen direkt vor Ort auszahlen. Vorerst nur für die Geflüchteten aus der Ukraine, aus Gründen der Gleichbehandlung wäre es aber wünschenswert, dass auch die Flüchtlinge aus anderen Herkunftsstaaten dort ihr Geld erhalten würden“, erklärte er.

Das Geld in bar auszuzahlen, ist gesetzlich vorgeschrieben

Doch warum tut sich das Landratsamt das hochaufwendige Verfahren mit Bargeldauszahlungen denn eigentlich an? „Weil wir gesetzlich dazu verpflichtet sind“, sagt Hartl. Das Asylbewerberleistungsgesetz schreibe vor, dass die Leistungen in den ersten 18 Monaten des Aufenthalts in Deutschland ausschließlich in Bar ausgezahlt werden dürften. Hintergrund dieser Regelung war, dass man verhindern wollte, dass die Asylbewerber die ihnen zugewiesenen Regionen verlassen. Inwieweit das bei den ukrainischen Flüchtlingen sinnvoll ist, mochte Hartl nicht offiziell beurteilen.

Er widersprach jedoch deutlich Darstellungen, nach denen die Wartenden in Kälte und Feuchtigkeit ausharren mussten, bis sie an der Reihe waren: „Wir hatten zwei beheizte Zelte vor Ort, zudem war die Garage des Katastrophenschutzes geräumt und beheizt worden, damit sie die Wartenden dort unterstellen und aufwärmen konnten“, so der Sachgebietsleiter.

Der limitierende Faktor: Das Computer-System

Man habe so schnell gearbeitet, wie es irgend möglich war. „Wir hatten zwei Kassen geöffnet, eine davon ausschließlich für die Neuankömmlinge aus der Ukraine.“ Der limittierende Faktor sei das Computersystem gewesen. Und das habe sich auf die Schnelle nicht den neuen Anforderungen entsprechend anpassen lassen.

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