„Jürgens hat Fans, die nur wegen ihm kommen“: Vorwürfe gegen Starkoch sorgen für Bestürzung im Tegernseer Tal

Die schweren Vorwürfe gegen Sternekoch Christian Jürgens haben im Tegernseer Tal und in der Branche eingeschlagen wie eine Bombe.
Rottach-Egern – Egal, wo man sich umhört. Die Schlagzeilen, die am Wochenende ein Bericht im Spiegel hervorgerufen hat, sind kaum jemandem entgangen. „Ich habe zig What’sApp-Nachrichten bekommen mit der Frage, was denn bei uns gerade los sei“, berichtet Christian Kausch, Tourismus-Chef der Ferienregion Tegernsee, am Montag (8. Mai) nach Bekanntwerden der Vorwürfe. Christian Jürgens (54) soll in seinem Restaurant Überfahrt in Rottach-Egern über Jahre hinweg Angestellte belästigt und schikaniert haben. Das Magazin beruft sich auf Aussagen von fast zwei Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Kollegen aus der Gastronomie wollen Vorwürfe gegen Christian Jürgens nicht kommentieren
Die Vorwürfe selbst will auf Anfrage niemand kommentieren – schon gar nicht Kollegen aus der Spitzengastronomie. „Nicht kollegial“, „schlechter Stil“, heißt es da. Auch Kausch will die Causa Jürgens nicht bewerten. Es müsse sich erst einmal bewahrheiten, was hier im Raum stehe, sagt er. Nichtsdestotrotz sorgten die Schlagzeilen für einen Donnerhall – bedeuten sie auch einen Imageschaden für die Tourismusregion?
Tourismus-Chef: Jürgens hat Fans, die nur wegen ihm kommen
„Es ist natürlich nie schön, wenn es negative Schlagzeilen in Verbindung mit der Region gibt“, sagt Kausch. Möglicherweise sei dies aber eher „ein Branchenthema“, das Tegernseer Tal nur zufällig die Ortsangabe. In allererster Linie schade eine solche Geschichte natürlich der Person selbst und ihrem Geschäft. „Christian Jürgens hat viele Fans, die nur wegen ihm kommen“, gibt Kausch zu bedenken.
Althoff Hotels: Kanzlei hat mit der Prüfung der Vorwürfe begonnen
Fakt ist: In nächster Zeit wird Jürgens nicht am Herd des Restaurants Überfahrt stehen. Die Althoff-Gruppe, Eigentümerin des Seehotels, hat ihn freigestellt und eine umfangreiche Prüfung der Anschuldigungen angekündigt. Wie es nun mit dem Restaurantbetrieb weitergeht und wer die Leitung übernimmt, dazu wollte sich das Unternehmen am Montag nicht äußern. „Die von uns mit einer externen Prüfung beauftragte Kanzlei hat ihre Arbeit aufgenommen.“ Man bitte um Verständnis, dass man zum jetzigen Zeitpunkt keine weiteren Kommentare abgeben könne, erklärt die Pressestelle von Althoff Hotels auf Nachfrage.
Überfahrt darf sich weiterhin mit drei Sternen schmücken
Fest steht: So lange das Restaurant geöffnet hat, darf es sich weiterhin – und bis zum Erscheinen der Ausgabe 2024 – mit drei Michelin-Sternen schmücken. „Der Guide Michelin zeichnet immer das Restaurant aus. Der Küchenchef ist lediglich der Empfänger im Namen seines Teams beziehungsweise der Protagonist des Betriebs“, erläutert Hannes Buchner, dessen Internet-Portal immer die aktuellen Restaurant-Ranglisten der professionellen Gourmetführer veröffentlicht.
DEHOGA-Vertreterin spricht über Arbeitsbedingungen in Großküchen
Über den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe gegen Jürgens will man auch beim Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband, der DEHOGA Bayern, nicht spekulieren. Allerdings hat Monika Poschenrieder, Vorsitzende des Fachbereichs Gastronomie, die Schlagzeilen mit Bedauern zur Kenntnis genommen. „Das wirft kein gutes Licht auf unsere Branche, fürs Image ist das nicht gerade erfreulich“, sagt sie. Dabei habe sich in den vergangenen Jahrzehnten „verdammt viel“ an den Arbeitsbedingungen in der Gastronomie zum Positiven gewandelt. Der raue Umgangston, der früher in Großküchen häufig geherrscht habe, sei längst nicht mehr an der Tagesordnung, sagt Poschenrieder, die in Bad Tölz seit 1986 den Gasthof Walgerfranz betreibt. Dass der Umgang mit den Mitarbeitern heute kollegial und anständig sein müsse, sei bei den meisten Betrieben inzwischen angekommen. „Das Wichtigste ist schließlich, die Leute zu halten und welche zu bekommen“, sagt die Unternehmerin.
Bürgermeister: Jürgens hat für Rottach und das Tal stets geworben
Inwieweit das auch für eine Drei-Sterne-Küche gilt, darüber kann man nur mutmaßen. Rottachs Bürgermeister Christian Köck (CSU) verweist auf Nachfrage ebenfalls darauf, dass die Vorwürfe gegen Jürgens nun zunächst durch Anwälte zu klären seien. Man müsse sich erst einmal mit dem Gedanken auseinander setzen, „dass in dieser Richtung etwas gewesen sein könnte“. Immerhin war Jürgens bislang ein wertvoller Werbeträger für Rottach-Egern und das Tal. „Er hat immer und überall betont, dass er die Region schätze und hier bleiben möchte.“ (gab)
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