Biber reißt Gräben auf: Landwirt aus Oberbayern verzweifelt – „Gezwungen aufzugeben“

Der Biber ist im Landkreis auf dem Vormarsch. Aber nicht alle freuen sich über die Rückkehr den Nager. Vergangenes Jahr wurden 42 Tiere getötet.
Benediktbeuern/Bichl – Vor einem halben Jahrhundert war er fast ausgerottet, heute ist er so gut wie in jedem Gewässer zu finden. Der Biber hat sich nahezu flächendeckend im Landkreis ausgebreitet, besonders aktiv ist der Nager in den Loisach-Kochelsee-Mooren. Das bleibt nicht ohne Folgen - insgesamt 42 Biber mussten laut der Unteren Naturschutzbehörde vergangenes Jahr entnommen werden, wie es im Amtsdeutsch heißt.
Biber macht Landwirt in Oberbayern zu schaffen
„Das ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Man kommt gar nicht mehr hinterher“, sagt Rudi Kramer aus Bichl. Der Metzger und Landwirt bewirtschaftet Flächen im Moos und hat seit mehreren Jahren mit Bibern zu kämpfen – und es werde immer schlimmer. Alle vier bis sechs Wochen muss er Dämme, die die Nager in den Bachläufen gebaut haben, entfernen. „Natürlich bedeutet das zusätzliche Arbeit“, sagt Kramer.
Das ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel. Man kommt gar nicht mehr hinterher.
Das eigentliche Problem sei aber ein anderes: Damit der Biber seine Futterplätze schwimmend erreichen kann, verbindet er mehrere Bachläufe durch Gräben. Diese durchschnittlich ein Meter langen und zwanzig Zentimeter breiten Sticharme reichten bis auf die Weide – und stellten eine enorme Gefahr für die Tiere dar. „Wenn Rinder oder Pferde da einbrechen, können sie sich schwere Verletzungen zuziehen“, erklärt der Landwirt. Zwei Tiere musste Kramer bisher notschlachten. Hinzu komme, dass Heumaschinen mit ihren Reifen in den Gräben stecken blieben. „Da kann schnell ein Schaden von mehreren tausend Euro entstehen.“.
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Biber für Landwirt existenzbedrohend
Die Aktivität der tierischen Baumeister ist für den Landwirt existenzbedrohend: „Wenn es gar nicht anders geht, sind wir gezwungen die Weidehaltung wegen der Verletzungsgefahr aufzugeben und unsere Tiere das ganze Jahr über in den Stall zu stellen“, bedauert Kramer. Darunter würden sowohl die Rinder als auch die Fleischqualität leiden. Er würde sich wünschen, dass der Bestand stärker kontrolliert wird, damit der Biber sich nicht weiter außerhalb des Moores ausbreitet. Damit Biber und Menschen gut nebeneinander existieren können, brauche es „ein gesundes Mittelmaß“, so Kramer.

Ähnlich sieht es Michael Herrmann, Geschäftsführer der Verwaltungsgemeinschaft Benediktbeuern/Bichl. Grundsätzlich sei es ein gutes Zeichen, dass die Biber sich wieder in den Mooren ansiedelten. In der freien Natur sei die Aktivität des Nagers unproblematisch, nicht aber wenn „regelmäßig diverse Abflüsse und Entwässerungsrohre verstopft“ seien, so Herrmann. Eine Entnahme der Tiere komme derzeit aber nicht in Frage. „Bei einer so großen Population ist ein Abschuss nicht zielführend und keine langfristige Lösung.“
Friedl Könauer vom Bund Naturschutz gegen Entnahme
Sobald ein Revier unbesetzt sei, siedele sich sofort ein neuer Biber an, erläutert Friedl Krönauer, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz (BN). Sinnvoller sei es deshalb, den Bereich „so zu gestalten, dass er für die Biber nicht mehr attraktiv“ ist. Generell, so Krönauer, sollte man den Nager nicht nur als Problem sehen, sondern den Baumeister der Natur differenzierter betrachten. Durch seine Dämme verhindere er den Wasserabfluss, was sowohl in Dürrephasen als auch bei Starkregen von Vorteil sei.
Außerdem leiste der Biber einen wichtigen Beitrag zur Artenvielfalt, indem er einen neuen Lebensraum für Fische, Vögel und Insekten schaffe. „Ich für meinen Teil wünsche mir etwas mehr Verständnis und Duldsamkeit für Prozesse in der Natur“, sagt der BN-Kreisvorsitzende. Auf der anderen Seite will er die Probleme, die der Biber teilweise verursacht, nicht kleinreden. Für einzelne Betroffenen gebe es die Möglichkeit von Ausgleichszahlungen. „Eine Entnahme sollte hingegen die letzte Möglichkeit sein“, sagt Krönauer.
„Kein Jäger reißt sich darum, Biber zu erlegen“
Da Biber unter Artenschutz stehen dürfen sie nur in Ausnahmefällen zum Abschuss freigegeben werden, teilte das Landratsamt auf Anfrage mit. Durchgeführt wird sie vor allem von Jagdscheininhabern. Ob eine solche Entnahme notwendig ist, entscheide die Untere Jagdbehörde erst nach sorgfältiger Begutachtung der Schäden, erklärt Josef Heßlinger, Pressereferent des Kreisjagdverbandes. Insgesamt sei man dort sehr zurückhaltend, was solche Entscheidungen angeht. „Kein Jäger reißt sich darum, Biber zu erlegen“, sagt der Verbandssprecher in Bezug auf die teils negativen Reaktionen in der Gesellschaft. Aber: Es sei notwendig, wenn ansonsten die Schäden zu groß werden.
Da der Biberbestand in den vergangenen Jahren „massiv angestiegen“ sei, werde man in Zukunft vermutlich nicht um „vermehrte Entnahmen herumkommen“, glaubt Heßlinger. Es gelte dasselbe wie auch bei anderen Tierarten: „Wenn die Population zu stark ansteigt, muss sie wieder reguliert werden.“
Das Erlegen der Tiere sei für die Jäger kein leichtes Unterfangen. „Es ist sehr zeitaufwendig, weil man warten muss, bis der Biber an Land kommt“, erklärt Heßlinger. Dies sei erst in den späten Abend- oder frühen Morgenstunden der Fall. Außerdem müsse darauf geachtet werden, dass keine Fußgänger mehr unterwegs sind. Denn der Biber ist längst nicht mehr nur an der Isar oder Loisach anzutreffen. „Mittlerweile ist er an fast jedem Weiher oder kleinerem Wasserlauf zu finden.“ (fs)
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