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Zahl der Corona-Toten rasant gestiegen: Aus München kommt bedenkliche Auswertung

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Bayerns Intensivstationen laufen voll mit Corona-Patienten, die Zahl der Todesfälle steigt. Ein Arzt spricht über eine bittere Hotspot-Episode.

Update 24. November, 14.04 Uhr: Die Zahl der Covid-Intensivpatienten in Bayerns Krankenhäusern ist erstmals auf über Tausend gestiegen. Am Mittwochmittag meldete das bundesweite Intensivregister 41 zusätzliche Covid-Intensivpatientinnen und -patienten, die Gesamtzahl stieg von 965 auf 1006.

Corona-Lage in Bayern weiter angespannt: Zahl der Todesfälle rasant gestiegen

Auch die Zahl der Todesopfer steigt schnell: In den vergangenen sieben Tagen sind in Bayern nach Daten der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) 432 Corona-Patienten gestorben, und damit innerhalb einer Woche mehr als im gesamten Oktober.

Die Intensivstationen sind mit einer erheblich höheren Zahl von Covid-Patienten konfrontiert als auf dem Scheitelpunkt der zweiten Corona-Welle Anfang des Jahres, damals waren etwas über 900 Corona-Intensivpatienten in Behandlung. Wegen der Überlastung vieler bayerischer Krankenhäuser werden im Rahmen des sogenannten Kleeblatt-Mechanismus nun Intensivpatienten in andere Bundesländer verlegt.

Lage in bayerischem Corona-Hotspot weiter angespannt: Triage zeichnet sich ab

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Eggenfelden - Ärzte der Rottal-Inn Kliniken im niederbayerischen Eggenfelden sehen ihre Corona-Intensivstation nicht mehr weit vom Kollaps entfernt. „Wir stehen ja erst am Anfang der vierten Welle“, sagte Vorsitzender Bernd Hirtreiter. Er geht davon aus, dass sich die Zahl der Corona-Patienten binnen der nächsten zwei bis vier Wochen verdoppeln wird, und übt scharfe Kritik an der Corona-Politik.

Die zehn Intensivbetten in der Klinik seien belegt. „Es ist alles voll, wir haben keine Kapazitäten mehr.“ Die Ressourcen in anderen Krankenhäusern seien ähnlich eng. „Das macht uns große Sorge.“ Vor knapp zwei Wochen seien in einer großen Verlegeaktion zahlreiche Patienten in andere Kliniken gebracht worden, berichtete Hirtreiter. „Das hat uns sehr geholfen. Sonst wären wir jetzt schon abgesoffen.“

Wenn sich die Patientenzahlen verdoppelten, wäre ein Verlegen von Schwerkranken nicht mehr möglich, sagte der Ärztliche Direktor Klaus Kienle. Aktuell sei Triage noch kein Thema, es zeichne sich aber ab.

Corona: Arzt aus Hotspot findet vernichtende Worte für politische Maßnahmen

Hirtreiter findet deutliche Worte: „Das ist ein kollektives Versagen der Politik.“ Im Sommer hätten sich die Politiker auf die Wahlen vorbereitet, da sei in Bezug auf Corona nicht viel passiert. Dabei hätte man Geimpfte schon nach vier bis fünf Monaten „durchboostern“ müssen, ärgert sich Hirtreiter. „Stattdessen haben die die Fußballstadien voll gemacht, den Karneval begrüßt und über einen „Freedom Day“ und die Beendigung der pandemischen Notlage diskutiert.“

Klaus Kienle verweist auf Prognosen der Universitätskliniken München und Freiburg, nach denen in der vierten Welle zwei Höhepunkte zu erwarten seien - und zwar Mitte Dezember und Anfang Februar. „Wenn die Kliniken schon Alarm schlagen, und sagen, sie seien am Limit, dann würde ich von der Politik ein ganz klares Konzept erwarten, was eigentlich passiert, wenn es tatsächlich zu einer Verdoppelung der Patientenzahlen kommt.“ Den Kliniken fehlten konkrete Ansagen, kritisiert er. „Was ist im Worst-Case-Szenario? Wer hilft aus? Wie wird die Bundeswehr eingebunden?“

„Wir haben nicht für jeden Patienten 30 Minuten Zeit“

Den Pflegekräften, die nun schon zum vierten Mal an der Corona-Front Dienst täten, sei all das nur noch schwer zu erklären, so Kienle. Die Mitarbeiter seien zunehmend erschöpft, ergänzt Hirtreiter. „Und auch wütend, weil so viele Patienten da sind, wo es nicht notwendig gewesen wäre, wenn es mehr Impfbereitschaft und Booster-Angebote gegeben hätte.“

Erschwert werde die Arbeit, wenn Angehörige versuchen, eine Patientenverlegung zu verhindern. „Das ist eine wahnsinnige Kraftanstrengung. Wir haben nicht für jeden Patienten 30 Minuten Zeit, mit den Angehörigen zu telefonieren, um ihn zu verlegen.“

Corona-Leugner entließ sich selbst: Als er dann Notarzt ruft, ist es schon zu spät

Probleme mit wenig verständnisvollen Corona-Leugnern gebe es seltener, sagt Kienle. Er berichtet von einem Fall, in dem sich ein schwer an Corona erkrankter Leugner der Krankheit gegen den ausdrücklichen ärztlichen Rat selbst entlassen habe. Zuhause habe sich sein Zustand dann derart verschlechtert, dass er schließlich den Notarzt gerufen habe. „Dieser Mann hat es nicht mehr lebend ins Krankenhaus geschafft.“

Der Landkreis Rottal-Inn gehört zu den Corona-Hotspots in Bayern. Die Zahl der Neuinfektionen binnen sieben Tagen je 100.000 Menschen lag am Dienstag laut Robert Koch-Institut bei 1426,1 und damit weit über dem bundesweiten Durchschnitt. (dpa)

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