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„Wolf hat bei uns nichts verloren“: Gemeinde positioniert sich klar gegen Raubtier

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Von: Manuela Schauer

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Die Rückkehr des Raubtieres sorgt für jede Menge Gesprächsstoff und Sorgen.
Die Rückkehr des Raubtieres sorgt für jede Menge Gesprächsstoff und Sorgen. © dpa

Ein deutliches, erstes Zeichen: Oberammergau hat sich klar zu der Resolution bekannt, die der Landkreis in Bezug auf den Umgang mit dem Wolf erarbeitet hat.

Oberammergau – Immer wieder geht die Türe auf. Zahlreiche Interessierte, darunter Jäger, Ranger, Forstwirte, pilgern am Mittwochabend in den Sitzungssaal des Ammergauer Hauses. „Selten ist so viel los“, kommentiert Bürgermeister Andreas Rödl (CSU) die Publikumsschar. Warum die Bürger erscheinen, ist klar: Sie wollen erfahren, wie sich der Oberammergauer Gemeinderat in Sachen Wolf positioniert. Am Ende steht fest: Die sonst oft uneinigen Ortspolitiker verfolgen bei diesem heiklen Thema eine gemeinsame Linie. Sie unterstützen unter anderem den Antrag des Landkreises Garmisch-Partenkirchen, der darauf zielt, ein Weideschutzgebiet mit erleichterter Wolfsentnahme zu errichten. Wie auch den Beschluss des Naturparks vom 1. März, der ebenfalls den Abschuss der ansässigen Raubtiere fordert. Und das mit nur einer Gegenstimme.

Die Gemeinde sendet damit ein deutliches Signal. Als erster Ort im Landkreis gibt Oberammergau ein Votum zur Resolution ab, die das Landratsamt als Vorlage erarbeitet hat und über die jetzt sukzessive alle 22 Kommunen befinden sollen. Um Druck zu erzeugen. Auf den Freistaat, den Bund, die EU.

Mindestens drei Männchen und ein Weibchen derzeit im Landkreis

„Das wurde mit sehr heißer Nadel gestrickt“, meint Rödl zu Beginn. Deshalb lässt er die zwei DIN-A4-Seiten lange Stellungnahme von seinem Geschäftsführer Christian Ostler vorlesen. Sie beginnt mit dem Beschluss, der bei der Mitgliederversammlung des Naturparkvereins gefasst wurde. Die Kernbotschaft: Die Ziele des Naturparks seien mit der Anwesenheit der Wölfe nicht vereinbar. Die Tiere würden die nachhaltige Pflege der Kulturlandschaft durch die kleinteilig organisierte Weidewirtschaft gefährden.

Mindestens drei Männchen und ein weibliches Tier streifen inzwischen in der Region herum. „Sie sind kurz davor, hier sesshaft zu werden“, informiert Rödl. Die Wolfsdame trage bereits. „Wenn sie sich ansiedeln und sich vermehren“, prophezeit der Rathauschef, „wird’s schlimm.“ Damit will er kein Schreckensszenario an die Wand malen, um zu überzeugen. Es ist die Erkenntnis aus zahlreichen Gesprächen mit Experten.

Gewachsene Strukturen

Immer wieder fällt der Begriff „Güterabwägung“. Heißt: Der Schutzstatus des Wolfes steht zum Beispiel dem der Biodiversität gegenüber. „Wir sind nicht einfach so gegen den Wolf“, stellt der Bürgermeister klar. „Das hat einen fachlichen Grund.“ Auch möchte man das Tier nicht ziel- und planlos töten, vielmehr brauche es ein Managementplan, der klare Richtlinien vorgibt. Er macht aber keinen Hehl daraus: „Bei uns hat der Wolf wenig Platz.“

Zitate des Abends:

Florian Schwarzfischer (BIO): Wir haben schon ein Negativbeispiel, bei dem wir zugeschaut und nichts getan haben. Beim Biber. [...] So lange darf man beim Wolf nicht warten.“

Andreas Rödl (CSU): Wenn die Betriebe aufhören, dann sieht es bei uns so aus wie im Bayerischen Wald. Dann haben wir einen Haufen Bäume und sonst nichts mehr.“

Andreas Rödl: „Es ist ein fragiles Konstrukt, in dem wir leben. Kommt es durch den Wolf ins Ungleichgewicht, bricht es zusammen.“

Marina Kirchmayr (Bunte Liste): „Ich spreche mich nicht per se dagegen aus, möchte das aber differenzierte anschauen.“

Klaus Pukall: „Die Schäden bei einem Rudel sind höher.“

Ludwig Utschneider (PWG): „Ich kann Landrat Speer unterstützen. [...] Er ist Hochzeitslader, jetzt fleischgewordener Vorderlader.“

Simon Fischer (CSU): Wir sollten den Experten vertrauen und nicht bei Google suchen.“

Es sind die gewachsenen Strukturen der Kulturlandschaft im Landkreis, die zu dieser Meinung führen. Die FFH- und weiteren Schutzgebiete oder die Almwirtschaft etwa. „Unsere Natur sieht nur so aus, weil Landwirte et cetera sie so bewirtschaften“, meint Rödl. Doch das sei in Gefahr. Im Landkreis, aber auch speziell in Oberammergau. Das Gemeindegebiet liegt in einem Bereich, welches aus topografischen und klimatischen Gründen landwirtschaftlich fast ausschließlich als Grünland verwendet werden kann. Weidenutzung mit Rindern, Schafen und Ziegen spielt eine zentrale Rolle.

„Wegen der schwierigen Geländeverhältnisse und der Großflächigkeit der Weideflächen ist ein wirksamer Schutz gegen Wolfsangriffe aber nachweislich meist nicht möglich“, heißt es in der Stellungnahme. Kommt es wie in der Vergangenheit zu Rissen, sei zu befürchten, dass die landwirtschaftlichen Betriebe ihre Arbeit aufgeben. Und das geht schnell, fügt Rödl an und spricht von zwei Jahren. Es wäre das Aus für die Wiesenlandschaften, auch Pflanzen würden verschwinden, so die einhellige Meinung.

Druck von der Basis

Von den Auswirkungen auf den Wald abgesehen. Das Wild meidet die Gatter, wenn es dort zu Rissen kommt. Was Rödl für wahrscheinlich hält: „Das ist wie bei McDonald’s: Man geht hin und kriegt was.“ Auch Eugen Huber (Augenmaß) lässt die Folgeerscheinung kurz anklingen. Holt sich das Wild nicht im Gatter sein Futter, nimmt der Verbiss an den Bäumen zu. Rödls deutliche Ansage: „Man muss deshalb bemerken: Es ist stets fünf vor Zwölf.“

Die Gemeinde hofft inständig darauf, dass Freistaat und Bund, die Argumente ernst nehmen und daraus Konsequenzen ziehen. Denn mit dem bisherigen Wolfsmanagement sei man ohne jeden Zweifel dabei, viele Naturschutzziele aufs Spiel zu setzen, heißt es in der Resolution. Es braucht eine Korrektur, bevor irreversible Entwicklungen in der Landwirtschaft und Landschaft eingetreten sind. Das unterschreibt Klaus Pukall sofort. Die Entnahme ist derzeit „unwahrscheinlich schwierig“, erklärt er Naturpark-Koordinator. Deshalb „müssen wir von der Basis aus Druck machen, um Möglichkeiten zu bekommen“. Denn die Wolfspräsenz „geht in diesem Landkreis nicht“. Oder wie es Peter Held (Parteilose Wählergemeinschaft) ausdrückt – ohne auch nur einen Hauch von Empörung zu ernten: „Der Wolf hat bei uns nichts verloren.“

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