Olympia-Terroristen Tatwerkzeuge verkauft: Frau aus Bayern erinnert sich - „Auf so etwas kommt man ja nicht“
Das Attentat während der Olympischen Spiele 1972 in München erschütterte die Welt. Eine Miesbacherin verkaufte unwissend den Terroristen einige Tatwerkzeuge.
Miesbach – Während der Olympischen Spiele 1972 herrschte in München Heiterkeit und Aufbruchstimmung. Ella Mair erinnert sich gut daran – die damals 33-Jährige arbeitete als Verkäuferin im Sporthaus Bock an der Schwanthaler Straße.
„Durch die Nähe zum Hauptbahnhof und zu den vielen Hotels hatten wir viele internationale Kunden“, erinnert sie sich. „Alle Menschen waren aufgeschlossen, friedlich und gut drauf, auch unser Chef, weil die Kasse immer voll war. Es war eine wirklich schöne Zeit.“
Olympia-Attentäter von 1972 kauften Sporttaschen bei Miesbacherin ein
Dass palästinensische Terroristen am 5. September im Olympiadorf israelische Sportler als Geiseln nehmen würden, ahnte sie da freilich nicht. Und noch weniger, dass sie es sein würde, die ihnen die Sporttaschen verkaufte, mit denen diese Waffen zum Ort des Attentats transportieren würden. „Auf so etwas kommt man ja nicht“, sagt Mair.
Die Miesbacherin sitzt am Tisch in ihrem Wohnzimmer und nestelt an einer Pappschachtel herum, die mit dem strahlenförmigen Logo der Olympischen Sommerspiele 1972 bedruckt ist. Sie hebt darin Olympia-Münzen auf, die einzigen Erinnerungsstücke, die sie noch hat. Ihr Sohn nahm damals als Repräsentant des Skiclubs Miesbach am Fackellauf teil. „Und wir standen Spalier“, erzählt Mair.
Miesbacherin erinnert sich an Olympia-Attentäter – „Sie wirkten wie ganz normale Touristen“
Dann kam der Tag, der ihre Erinnerungen bis heute überschattet: „Es war ein langer Samstag“, erinnert sich Mair. Wie jeden Vormittag stand sie im Geschäft und beriet Kunden. Die Tür ging auf und eine Gruppe von fünf Männern kam herein. „Sie wirkten wie ganz normale Touristen“, erinnert sich Mair.
Einer von ihnen schnappte sich eine Sporttasche, hielt sie hoch und deutete darauf. So wollte er klar machen, dass sie eine Sporttasche kaufen wollten - die Männer sprachen kein Deutsch und kein Englisch. „Sie waren weder unhöflich, noch aufdringlich“, erinnert sich Mair, „ich empfand sie nur als schwierig, weil sie so unentschlossen waren.“

München 1972: Olympia-Terroristen vermessen Taschen in Sportgeschäft
Mindestens zehn verschiedene Taschen ließen sich die Männer zeigen. „Sie haben eine jede mit einem metallenen Roll-Maßband abgemessen.“ Design und Farbe – egal. Mair dachte darum, die Herren suchten eine Tasche, die als Handgepäck auf Flügen zugelassen sei. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass die ihre Gewehre verpacken wollten.“
Die Männer blieben lange. „Aber wir hatten ja oft Kunden, die sich nicht entscheiden konnten.“ Schließlich kauften sie fünf Sporttaschen von Adidas und Puma. „Ich habe mich noch gefreut, weil ich ja am Umsatz beteiligt war.“
Miesbacherin verkaufte Taschen an Olympia-Attentäter – „Habe mir Vorwürfe gemacht“
Auch als die Medien drei Tage später von dem Attentat berichteten, das mit der Ermordung aller elf israelischen Geiseln sowie dem Tod eines Polizisten endete, dachte sich Mair nichts. „Erst als ein Kriminaler in Zivil in den Laden kam, um mich zu verhören, habe ich mir was gedacht.“ Ein Preisetikett an den Taschen hatte die Ermittler zum Sporthaus Bock geführt.
Viele Jahre sprach sie nur mit engen Vertrauten über das Ereignis. „Ich habe mir Vorwürfe gemacht“, erklärt Mair, „und das jahrelang mit mir rumgeschleppt.“ Eine Frage treibt sie bis heute um: „Hätte ich etwas merken müssen?“