Ort aus Sagen und Mythen: Mittenwalder entdeckt geheime Goldgrube im Karwendel
Mittenwald und sein Gold sind eine Geschichte für sich. Einige Einheimische haben es gefunden – doch nicht den sagenumwobenen Nazi-Schatz. Nach langer Recherche entdeckten sie im Karwendel einen Stollen, in dem einst Pyrit abgebaut wurde – im Volksmund als Katzengold bekannt. Auf Spurensuche.
Wie oft der Mittenwalder am Kasreiter-Bach im Mittenwalder Karwendelgebirge unterwegs war, kann er nicht mehr zählen. „18, 19 Mal?“ Doch immer vergebens. Das kleine Loch im Fels ist ihm und einem Spezl trotz intensiver Suche lange Zeit verborgen geblieben. „Wir sind so oft daran vorbei gestiegen, drüber, drunter. Es war so schwer zu entdecken.“

Gold- und Silbererzgrube Andreasberg – ein „Goldloch“ mitten im Karwendel
Nach was die beiden suchten? Die Gold- und Silbererzgrube Andreasberg – ein „Goldloch“ mitten im Karwendel. Der Mittenwalder hat es tatsächlich gefunden. Ein Ort von historischer Bedeutung, der fast in Vergessenheit geraten ist. Nur noch wenige kennen jene Stellen, in denen teilweise schon vor über 500 Jahren Mineralien abgeschürft wurden.
Mittenwalder Goldloch in Vergessenheit geraten – Früher stand es sogar in Karten

In alten Ausgaben der Alpenvereinskarten um 1933 ist der Stollen, den beide aufsuchten, noch eingetragen – beziehungsweise das Gebäude daneben. Es trug den Namen „Gold-Andas Hütte“. Benannt nach Andreas Baader, einem Techniker aus Mittenwald. Er reichte 1870 eine Mutung (Anm. der Red.: Genehmigung zum Bergbau) bei der Behörde ein. Baader begann als erster, am Kasreiter-Bach zu graben. Nach ihm ist der Stollen benannt.
„An den Wänden kann man noch überall Abschürfungen sehen“
Der Mittenwalder hat vorab Fachliteratur studiert, mit Geologen lange Telefonate geführt. Vor wenigen Tagen dann die Entdeckung: Auf 1100 Metern Höhe tat sich vor ihm der Stolleingang im Fels auf. Endlich. Der Schacht reicht neun Meter tief in den Berg hinein, ist etwa 1,70 Meter hoch. Wasser steht darin. „An den Wänden kann man noch überall Abschürfungen sehen“, erzählt er. Wo genau sich das Goldloch, wie es im Volksmund genannt wird, befindet, verrät er nicht. Der Weg dorthin ist steil und ausgesetzt. „Ein Wahnsinn, wie dort jemals jemand etwas abschürfen konnte.“
Baader war nachweislich der Erste. Der Aufwand ist heute unvorstellbar: Mit dem Werkzeug des 19. Jahrhunderts schaffte er im Vortrieb gerade einmal zwei Zentimeter am Tag. Bei neun Metern Länge sind das rund 450 Tage reine Arbeitszeit.
Abgebaut wurde gold- und silberhaltiges Schwefelkies

Warum sich Baader die Arbeit auftat? Hier weiß Diplom-Geologe Johann-Peter Orth aus Mittenwald Bescheid. Abgebaut oder eher abgeschürft in Anbetracht der geringen Menge im Hauptdolomit-Gestein wurde gold- und silberhaltiger Schwefelkies. Damit gewann man Schwefel und Eisen. „Der Stollen wurde häufig beschürft, jedoch gelang es nie, einen Bergbau in Betrieb zu setzen“, erklärt Orth und zitiert dabei aus der Fachliteratur „Erläuterungen zur Geologischen Karte von Bayern“ von Hermann Jerz und Roland Ulrich.
Gearbeitet hatte man bis 1922, als Professor Konrad Oebbeke aus München gemeinsam mit Karl Schaefer, einem Antiquitätenhändler und Repräsentanten der Gewerkschaft „Andreasberg“, das Goldloch aufsuchte, um den Vortrieb mit Dynamit zu beschleunigen.
1924 ist die Abschürfung gerichtlich eingestellt worden
Geführt hatte die beiden der junge Mittenwalder Bergführer Matthias Krinner und ein Sprengmeister mit dem Nachnamen Lohner. „Vor Ort stellten sie nur wenige Spuren von Schwefelkies fest“, informiert Orth. Weil dies nicht allzu lohnend erschien, verzichteten diese Pioniere auf eine Sprengung. „Da es Schaefer auch später wegen der hohen Erschließungskosten nicht gelang, einen Bergbau in Gang zu bringen, hat 1924 eine gerichtliche Aufhebung der Arbeit im Andreasberg ein Ende gesetzt.
Der Stollen blieb aber keineswegs leer stehen. Wie er recherchierte, soll das Loch vor allem Wilderer angezogen haben. Sie richteten sich im hinteren Teil einen ganzen Zerwirkraum ein – quasi eine Metzgerei, um geschossenes Wild auszuweiden und zu zerlegen. Schlau gemacht: Der Stollen schützte vor den Blicken des Jägers und bot gleichzeitig durch die gleichbleibende niedrige Temperatur einen natürlichen Kühlschrank, in dem Wildbret tagelang gelagert und abgehangen werden konnte ohne zu verderben.
Der Andreasberg-Stollen schaffte es sogar ins Reich der Sagen und Mythen: So sollen einst die „Venedigermanndl“, der Legende nach kleine, dunkle Gestalten aus der Lagunenstadt, an geheimen Plätzen um Mittenwald herum im Berg nach Gold gegraben haben. Riesige Säcke voll sollen sie gefunden haben – im Gegensatz zur Realität.
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