„Es sind sehr soziale Tiere“: Batwoman aus Wolfratshausen päppelt verletzte Fledermäuse auf

Dr. Sigrid Bender kümmert sich um Fledermäuse, die in der Region Wolfratshausen gefunden werden. Die Tierärztin kämpft gegen das schlechte Image der Flattermänner.
Wolfratshausen – Auf Besuch am Nachmittag hat Hildegard so gar keine Lust. Sie verkriecht sich unter ihrer an der Wand hängenden Wolldecke, guckt mürrisch vor sich hin und lässt Sigrid Benders Streicheleinheiten kopfüber über sich ergehen. Hildegard ist ein Mausohr – und eine von zwei Fledermäusen, die im Keller der Waldramerin leben.
Nicht, weil die Naturschützerin ein Faible für besonders ausgefallene Haustiere hätte: Dr. Sigrid Bender ist im Nordlandkreis Beraterin für Fledermausfunde und führt eine Auffangstation für verletzte Tiere. Ihre Kellerbewohner sind Findlinge. Hildegards Flügel sind gerissen. Wie das passiert ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Bender päppelt die Tiere in Waldram auf, bis sie stark genug sind, wieder alleine in freier Wildbahn zu fliegen.
„Es sind sehr soziale Tiere“: Batwoman aus Wolfratshausen päppelt in ihrem Keller Fledermäuse auf
Der Ruf der Tiere hat in den vergangenen Jahren ein wenig gelitten. Fledermäuse gelten als Auslöser der Corona-Pandemie. Die wenig schmeichelhaften Assoziationen zu Vampiren werden die Tiere seit Jahrhunderten auch nicht los. Bender findet das schlechte Image falsch: Fledermäuse seien wichtig für das Ökosystem der Region. „Jedes Tier hat eine Funktion – und jedes Tier sollte deshalb auch geschützt werden“, sagt die Vorsitzende des Wolfratshauser Bund Naturschutz.
Die nachtaktiven Flattermänner bräuchten das im Moment ganz besonders. Durch diverse Umweltfaktoren hätten es die kleinen Flieger immer schwieriger, eine Heimat zu finden und zu überleben. Der Klimawandel beispielsweise macht den Tieren zu schaffen, weil sie Klimaextreme für die Jagd nicht mögen. Die Bewirtschaftung von Wäldern ist ein Dorn im Fledermaus-Äuglein, weil sie Unterschlüpfe in alten Bäumen – wie Spechtlöcher – benötigen. Solche Gehölze sind allerdings wenig rentabel für Waldbesitzer und werden recht regelmäßig entfernt. Bender hat in den vergangenen Jahren Fledermauswanderungen organisiert, auf denen sie Lebensräume zeigte und einige Besonderheiten aus dem Dasein der einzigen fliegenden Säugetiere erklärte.
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Fledermäuse sind geschützte Tiere: „Jedes Tier hat eine Funktion“
Bender findet es wichtig, dass die verletzten Tiere, die im Landkreis gefunden werden, gepflegt und wieder ausgewildert werden können. Die Waldramerin macht diese Arbeit gerne. Ihre Schwester hatte sie darauf gestoßen – sie führt eine Auffangstation in einem anderen Landkreis. Und irgendwie hat auch Sigrid Bender mit der Zeit eine Vorliebe für Fledermäuse entwickelt. „Es sind total soziale Tiere“, hat sie gelernt.

Alleine unter einem Schutzzelt – so wie Eugen, der Neuling in ihrem Keller – wollen sie nicht lange bleiben. Diese Quarantäne sei aber nötig. Die Tiere können eine kleine Heizdecke nutzen und Bender sichergehen, dass die Kleinen keine Krankheiten mitbringen, bevor sie sich mit den anderen Kellerbewohnern vergnügen können. Außerdem musste Eugen sich erst stabilisieren. Drei Gramm hat der Fledermaus-Findling von einem Eurasburger Balkon schon zugenommen, bringt jetzt gesunde zwölf Gramm auf die Waage.
Artenschutz in Wolfratshausen: Sigrid Bender kümmert sich um Fledermaus-Findlinge
Außer, dass sie Dunkelheit mögen und Besuch nur manchmal, sind die Tiere recht genügsam. Mit Mehlwürmern kann man ihnen eine Freude machen. Jungtiere wollen etwa alle drei Stunden etwas Frisches zwischen die Beißerchen. Fledermäuse sind Insektenfresser. Das macht die Futterauswahl relativ leicht, den Tieren aber das Überleben zunehmend schwer. Denn: Sie jagen nur, wenn es einigermaßen trocken ist, weil sonst keine Insekten unterwegs sind. In verregneten Wochen gibt’s wenig bis nichts zu futtern.
Wenn Eugen aus seinem Quarantänezelt genommen wird, ist er ziemlich neugierig. Er spaziert auf Benders Gummihandschuh herum. Den trägt sie, weil die Zähne der Tiere ziemlich spitz sind. Außerdem können Fledermäuse Tollwut übertragen – dagegen ist Sigrid Bender geimpft.
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„Es sind sehr soziale Tiere“: Batwoman aus Wolfratshausen päppelt in ihrem Keller Fledermäuse auf
Eugen beißt nicht. Eugen sitzt. Und er guckt sich den Keller etwas genauer an, der für ein paar Tage, vielleicht Wochen sein Zuhause ist. Auch wenn es ihm gut gefallen sollte und Bender ihn grundsätzlich sympathisch fände, bleibt ihr Haus eine Zwischenstation für den Mauersegler. Weil Fledermäuse streng geschützt sind, darf sie die Tiere nicht länger behalten, als sie brauchen, um wieder alleine loszufliegen. Die Auswilderung sei kein Problem: Bender fährt die Tiere dafür in die Region, in der sie gefunden wurden. „Sie finden dort ihre Artgenossen.“ Eugen und Hildegard sind wohl recht anpassungsfähig.
Sigrid Bender ist in ihrer Rolle nicht nur Pflegerin der Findlinge. Sie berät auch Hausbesitzer, die Fledermaus-Unterschlüpfe unter ihrem Dach finden. Vor allem nimmt sie Sorgen: „Fledermäuse sind keine Nagetiere, sie machen nichts kaputt.“ Vor ihren Hinterlassenschaften könnten sich Hausbesitzer, die keine Lust auf Flecken auf der Terrasse haben – mit Brettern schützen. Außerdem seien die Tiere nicht sehr lange an einem Ort. So wie Hildegard und Eugen. Die zwei Findlinge bleiben auch nicht ewig in Benders Keller und müssen nachmittäglichen Besuch ertragen, der unbedingt unter ihre Wolldecke gucken will.
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