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Pilot der DRF Luftrettung im Interview: „Manche Einsätze beschäftigen einen länger“

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Der Helikopter Christoph München war lange Zeit der Arbeitsplatz von Pilot Bernhard Schmid.
Der Helikopter Christoph München war lange Zeit der Arbeitsplatz von Pilot Bernhard Schmid. © Privat

23 Jahre lang war Bernhard Schmid Pilot eines Rettungshelikopters – jetzt geht er in den Ruhestand. Im Interview spricht er über unvergessliche Einsätze und seine Liebe zum Fliegen.

Farchant – Als Bernhard Schmid aus Farchant im Kreis Garmisch-Partenkirchen Hubschrauber-Pilot wurde, ging für ihn ein Traum in Erfüllung. 23 Jahre hat er Ärzte und Sanitäter im Christoph München zu Einsätzen geflogen, bis in die Berge. Seit kurzem ist Schmid (62) im Ruhestand. Im Interview spricht er über unvergessliche Einsätze – und die Liebe zum Fliegen.

Sie sind seit Kurzem im Ruhestand – vermissen Sie das Fliegen schon?

Noch nicht. Aber der Moment kommt bestimmt, wenn ich mal am Himmel einen unserer rot-weißen Hubschrauber fliegen sehe. (lacht)

Wann wussten Sie, dass Sie Pilot werden wollen?

Sehr früh. Als Sechsjähriger fand ich Hubschrauber schon interessant. Dann habe ich mal einen Modell-Heli geschenkt bekommen – und war sehr enttäuscht. Trotz Rotoren konnte der ja gar nicht fliegen! (lacht) Bis ich wirklich Pilot wurde, hat es dann recht lange gedauert...

Wie wird man Pilot eines Rettungshelikopters?

In Deutschland Berufspilot für Hubschrauber zu werden, kostet heutzutage um die 120 000 Euro. Früher hat sich der Pilotenpool vor allem aus Ex-Bundeswehrlern gespeist. Sie waren nach ihrem Dienst um die 30 Jahre alt und hatten bis zu 1500 Flugstunden Erfahrung – solche Mitarbeiter haben sich Betriebe wie die DRF Luftrettung oder der ADAC gleich geschnappt. Heute herrscht eher ein Mangel an Piloten. Es werden jetzt Programme entwickelt, um Nachwuchs auszubilden.

Sie sind für Ihren Traumjob Umwege gegangen, oder?

Ich habe für einen Sportartikelhersteller gearbeitet und immer, wenn Geld übrig war, Scheine und Flugstunden gesammelt. Auf einer Cessna habe ich 1986 den Privatpilotenschein gemacht. 1989 dann den privaten Hubschrauberschein. In den USA ist die professionelle Hubschrauberlizenz viel günstiger – 1996 habe ich dort den Berufspilotenschein samt Instrumentenflug gemacht.

Konnten Sie dann hierzulande als Berufspilot anheuern?

Die Lizenz wird hier nicht anerkannt. Für den europäischen Berufspilotenschein muss man zusätzlich eine sechsmonatige Ausbildung absolvieren. Selbst danach stellt einen noch keiner ein. So ein Helikopter kostet zwischen neun und zehn Millionen Euro – logisch, dass da jemand mit Erfahrung drin sitzen sollte. (lacht) Also musste ich Flugstunden sammeln, bis ich gut 700 zusammen hatte. 2000 machte ich meine Probewoche bei der DRF Luftrettung. 2004 wurde ich dann Kapitän auf dem Christoph München in Großhadern mit Verkehrspilotenlizenz.

Trotz Hightech-Cockpit: Diese Eigenschaften braucht ein Rettungspilot

Christoph München und die DRF Luftrettung

Die DRF Luftrettung gibt es seit 50 Jahren. Heute zählen 50 Hubschrauber und zwei Ambulanz-Jets zur Flotte. Am Klinikum Großhadern in München befindet sich eine von 31 Stationen der DRF. 1991 wurde sie gegründet. Alleine von diesem Standort aus rücken die Einsatzkräfte rund 1300 Mal im Jahr aus.

München ist eine von zwölf Stationen, die rund um die Uhr einsatzbereit ist. Zwei Minuten nach Notrufeingang hebt die Crew ab. In 15 Flugminuten erreicht sie alle Einsatz- orte im Umkreis von 60 Kilometern. Mit ihren rot-weißen Hubschraubern ist die DRF von weitem erkennbar. Geflogen wird mit dem Typ H142, einem Airbus mit Fünfblattrotor. In Notfällen alarmiert sie die Integrierte Leitstelle. Intensivtransporte werden durch eine gesonderte Zentrale koordiniert. (sco)

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Was fasziniert Sie am Fliegen?

Die Technik – diese unheimliche Beweglichkeit. Dass man mit einem Hubschrauber senkrecht starten und mitten in der Luft stehen bleiben kann. Das beste Outdoor-Vehikel, das es gibt! Da kann das teuerste SUV nicht mithalten.

Was war Ihr schönstes Erlebnis in der Luft?

Ich schwärme noch heute vom Fliegen in den USA. Mit einer Robinson 22 bin ich von Los Angeles nach Oregon geflogen. Abends landet man auf einem HüWas war Ihr schönstes Erlebnis in der Luft?gel, schläft im Zelt und fliegt morgens weiter. Das ist Freiheit! Auch in Bayern habe ich schöne Momente erlebt, manchmal raubt einem ein Sonnenaufgang den Atem. Erst vor Kurzem bin ich auf dem Rückflug von Berchtesgaden über den Chiemsee geflogen, da zog der Nebel auf und das Wasser hat wunderschön geschimmert. Während der Wiesn genieße ich jeden Flug über München besonders.

Das Cockpit ist Hightech pur. Was zeichnet da noch einen guten Piloten aus?

Fliegen mit hochmodernen Instrumenten ist keine Kunst. Können beginnt woanders: Man muss sortiert sein, braucht ein strukturiertes Wesen. Konzentration und eine ruhige Hand schaden zur rechten Zeit natürlich auch nicht. (lacht)

Der Pilot ist ja für alle an Bord verantwortlich...

Der Pilot entscheidet, ob überhaupt losgeflogen oder der Flug abgebrochen wird. Alles dreht sich ums Wetter. Bei Gewitter wird nicht geflogen. Es geht oft um Minuten, bis einen die Walze überrollt. Jede Kaltfront muss man einkalkulieren, da sausen Wolken vorbei, der Wind dreht, kann stärker werden und Turbulenzen und Hagel verursachen. In den Bergen gibt es tückische Fallwinde. Der Wetterberater trägt im Zweifel nie die Schuld, immer der Pilot.

Dachten Sie mal, dass Sie nicht mehr heil landen?

Nein. Wer auf Risiko spielt, macht den Job falsch. Gefahr sollte nie im Spiel sein. Wir fliegen in derselben Höhe wie Segelflieger, Gleitschirmflieger und private Motorflieger. Obwohl immer mehr per Transponder ihre Position melden, müssen wir hier im Sichtflug wachsam sein.

Bergrettung und Gegengift-Transport: Helikopter Christoph München im Einsatz

Wie laufen Nachtflüge ab?

Die meisten Rettungshubschrauber fliegen von Sonnenauf- bis zum -untergang. Bei der DRF fliegen elf Intensiv-Transporthubschrauber rund um die Uhr. Nachts trägt man Nachtsichtbrille. Das begrenzt den Blickwinkel auf 42 Grad, man sieht 2D und schwarz-grün. Selbst den Mond muss man da einkalkulieren. Der kann blenden.

Welche Art Einsätze sind Sie als Rettungspilot geflogen?

Etwa die Hälfte führten zum Unfallort, ob auf Berg, Straße oder Schiene. Der andere Teil waren Intensiv-Transporte für Schwerkranke. Der Christoph München, ein hochmoderner Airbus H145, verfügt über ein volldigitales Cockpit und Autopilot. Dank fünf Rotorblättern fliegt er so ruhig. Für Patienten ist das schonender als ein Krankenwagen.

Sind die Gedanken oft hinten beim Patienten?

Als Pilot hilft man auch mal beim Einladen der Trage. Es ist aber besser, nicht zu tief in das medizinische Geschehen einzutauchen, um sich auf Flug, Wetter und Route konzentrieren zu können, besonders nachts. Manchmal beschäftigen einen Fälle aber weiter. Ich bin selbst Vater. Daher haben mich Unfälle mit Kindern immer besonders berührt. Da war mal ein Kind, das am Ammersee von einem Zug gestreift wurde. Oder ein Auto voller Jugendlicher, das nach dem Club-Besuch gegen einen Baum prallte.

Was vergessen Sie nie?

Beim Amoklauf am OEZ 2016 mussten wir Piloten in Oberschleißheim am Flugplatz stundenlang warten. Keiner wusste, wie viele Verletzte es gab und wohin wir an dem Tag und nachts fliegen müssen. Das war einprägsam.

Wie weit kann der H145 fliegen?

Im Schnitt reichen 700 Liter Sprit für zweieinhalb Stunden Flug. So schafft man es etwa nach Weiden und zurück. Ich bin aber auch schon viel weiter geflogen. Einmal haben wir einen Patienten zur Kunstherz-OP nach Berlin transportiert. Wann anders haben wir aus dem Klinikum Rechts der Isar ein Gegengift nach Worms geflogen. Dort hatte eine von sieben Schlangen ihren Besitzer gebissen.

Wann heben Sie mal wieder ab?

Auf unbestimmte Zeit gar nicht. Meine Frau und ich wollen die Welt jetzt von unten im Campervan erkunden. Wenn’s mich mal juckt, gibt es Möglichkeiten. Aber so ein privater Helikopterflug kostet mehrere hundert Euro.

Das Interview führte Cornelia Schramm.

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