„Man denkt, er stirbt ab“: Anwalt verzweifelt, weil Finger nach OP krumm ist

Nach einem Unfall wird ein 47-Jähriger im Ebersberger Krankenhaus an der Hand operiert. Die Operation geht schief. Am Münchner Landgericht verklagt der Mann die Kreisklinik auf 10.000 Euro Schmerzensgeld.
Ebersberg/München – Der ehemalige Patient der Ebersberger Kreisklinik macht geltend, nicht hinreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt worden zu sein. Dabei ist der Kläger selbst Rechtsanwalt und hat einen Aufklärungsbogen unterschrieben.
Im März 2020 sei sein Motorrad beim Einparken um- und auf seine Hand gefallen, trägt der 47-Jährige in der mündlichen Verhandlung vor. Unter anderem ist der linke Mittelfinger gebrochen. In der Notaufnahme wird dem Rechtshänder eine sofortige Operation empfohlen. Er willigt ein. Aber nur, weil man ihm nicht gesagt habe, dass es zu einer dauerhaften Schiefstellung mit Bewegungseinschränkungen des Fingers kommen könne, betont der Kläger. Auch habe man ihn nicht darüber aufgeklärt, dass bei der Operation Nerven geschädigt werden können. Beides sei eingetreten. Bei Kälte laufe der Finger blau an, erklärt der 47-Jährige: „Man denkt, er stirbt ab“.
Fall in Ebersbeger Kreisklinik: Arzt hat Aufklärungsgespräch wohl nicht dokumentiert
Der behandelnde Arzt habe ihm mit Blick auf die Operation signalisiert: „Überhaupt kein Problem“. Dem widerspricht der Unfallchirurg, der als Zeuge aussagt: „Das kann nicht von mir kommen“. Erinnerungen hat er an den über drei Jahre zurückliegenden Vorfall aber nicht mehr. Offenbar hat er das Aufklärungsgespräch auch nicht dokumentiert.
Allerdings hat der Rechtsanwalt, der sich vor dem Landgericht selbst vertritt, einen Aufklärungsbogen unterschrieben. Auf der letzten Seite des Bogens sind als besondere Risiken der Operation handschriftlich eingetragen: „Nervenschädigung, Bewegungseinschränkung“. Er sei bei der Unterschrift durch Schmerzmittel sediert gewesen, gibt der Kläger zu bedenken. Außerdem habe ihm der Arzt den Aufklärungsbogen so zur Unterschrift vorgelegt, dass die handschriftlichen Eintragungen verdeckt gewesen seien.
„Von ausreichender Aufklärung nicht überzeugt“: Richter sieht Fehler der Klinik
„Von ausreichender Aufklärung kann ich nicht überzeugt sein“, stellt der Vorsitzende Richter nach der Beweisaufnahme fest. Die Klinik trage die Beweislast. Deshalb sei von einem Aufklärungsfehler auszugehen, erklärt er. Allerdings sei in einem solchen Fall weiter zu fragen, ob der 47-Jährige auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte. Und davon ist der Richter überzeugt. Wohl deshalb, weil es zu der Operation keine Alternative gegeben hat. Eine konservative Behandlung etwa mit Schienen hätte den Schiefstand des Fingers nicht beseitigen können.
Und wie steht es mit dem Taubheitsgefühl, das bei konservativer Behandlung wohl nicht da wäre? In der mündlichen Verhandlung ist erkennbar, dass der Richter dem Kläger nicht so recht glauben will, dass er wegen neurologischer Risiken die Operation abgelehnt hätte. Der 47-Jährige hat nämlich einen zweiten Bogen unterschrieben, auf dem Nerven- und Gefäßschäden als Risiken der lokalen Betäubung ausdrücklich aufgeführt sind. Dass auch der Anästhesist unzureichend aufgeklärt hätte, hat nicht einmal der Kläger behauptet.
Weil demnach eine sogenannte hypothetische Einwilligung vorliegt, hat das Gericht die Klage abgewiesen. Eine Berufung zum Oberlandesgericht ist möglich. Um Behandlungsfehler ist es in dem Prozess übrigens nicht gegangen. Offenbar ist im Vorfeld bereits ein Gutachten erstellt worden, das einen ärztlichen Kunstfehler nicht belegt.
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