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„Kinder müssen es ausbaden“: Apotheken-Sprecherin prangert Medikamenten-Engpass an

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Von: Helmut Hobmaier

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«Gigantisch viel Arbeit»: Weiter Lieferengpässe bei Medikamenten
Immer wieder gibt es Lücken im Medikamentenschrank der Apotheker. Besonders drastisch ist der Mangel an antibiotischen Säften für Kinder. Die Gründe für diese eklatante Situation sind vielschichtig.  © Waltraud Grubitzsch

Der Medikamenten-Engpass im Landkreis Freising hat sich verschlimmert. Das berichtet die Apothekensprecherin des Landkreises. Vor allem Kinder leiden darunter.

Landkreis – „Während des Notdiensts ist es am schlimmsten“, berichtet Ingrid Kaiser, „da passiert es ständig.“ Die höchst unerfreuliche Situation, die Freisings Apothekensprecherin schildert: Eltern schwerkranker Kinder bitten um antibiotischen Saft – aber die Apotheker könne nicht liefern. Die Inhaberin der Engel-Apotheke fasst die derzeitige Lage in dramatische Worte: „Wir haben uns kaputt gespart. Und die Kinder müssen es jetzt ausbaden“.

Medikamenten-Engpass verschlimmert sich - Einbruch der Produktion

Ingrid Kaiser hat sogar das Gefühl, „dass sich der Medikamenten-Engpass zusehends verschlimmert“. Ursache sei im Falle des antibiotischen Safts für Kinder kein Wirkstoffmangel, wie das zum Beispiel bei Ibuprofen der Fall gewesen sei, sondern ein Einbruch der Produktion: „Von elf Herstellern gibt es nur noch zwei“, berichtet Kaiser, „und die lassen aus Kostengründen im Ausland produzieren. Dabei bin ich noch froh, dass das im europäischen Ausland passiert.“ Die Preise für Antibiotika seien in Deutschland einfach viel zu niedrig, kritisiert Kaiser. So koste etwa der antibiotische Saft, der relativ aufwändig herzustellen sei, etwa 15 Euro. „Das rechnet sich für die Hersteller nicht“, weiß Kaiser.

Ingrid Kaiser, Apotheken-Sprecherin des Landkreises Freising
„Die Kinder müssen es ausbaden“: Apothekensprecherin Ingrid Kaiser. © Sandra Schwarz, fotostudio-schwa

Inzwischen sei zwar die Politik aufgewacht: Zum einen verfolge man das Ziel, verstärkt in Deutschland zu produzieren. Zum anderen sollen den Firmen höhere Preise gezahlt werden. „Man hat die richtige Richtung eingeschlagen“, kommentiert Ingrid Kaiser. „Aber da liegt noch ein weiter Weg vor uns. Man kann schließlich nicht von heute auf morgen eine Fabrik hinstellen.“ Immerhin habe man nun eine Not-Regelung für Antibiotika erlassen: Bayern erlaubt vorübergehend auch Kinder-Säfte ohne Zulassung. „Das mag so manchen verunsichern“, erklärt Kaiser. „Aber dabei handelt es sich in erster Linie um formaljuristische Hürden, die da beseitigt wurden.“ An der Qualität der Säfte ohne Zulassung zweifle sie nicht.

Hersteller haben die Produktion verschlafen

Zwei Faktoren hätten die Medikamentenkrise noch verschärft: Die Hersteller hätten während der Pandemie, als es kaum noch Erkältungskrankheiten gab, ihre Produktion zurückgefahren und die aktuelle Entwicklung schlicht „verschlafen“. Und durch die kalte, feuchte Witterung dauere die Erkältungszeit in Deutschland heuer deutlich länger.

Für die Eltern kranker Kinder klingt das wenig ermutigend. Was tun?

Ingrid Kaiser rät Betroffenen, sich nach der Rezeptausstellung in der jeweiligen Apotheke erst einmal telefonisch zu erkundigen, ob das Medikament verfügbar ist. „Das ist besser, als mit dem kranken Kind den ganzen Landkreis abzufahren.“

Zum anderen könnten sich Kinderärzte vor dem Ausstellen des Rezepts in der Apotheke erkundigen und dann das verfügbare Präparat verschreiben. „Das ist mittlerweile auch gängige Praxis“, berichtet die Apothekensprecherin. So vermeide man etwa die Situation, dass am Freitag mittags ein Rezept ausgestellt ist, das Medikament aber gar nicht verfügbar wird – und der Arzt bereits im Wochenende, wenn man das Rezept korrigieren will. Die Doctores würden es sich momentan ohnehin zweimal überlegen, Antibiotika zu verschreiben, um die Lage nicht noch weiter zu verschärfen.

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Engpässe auch bei anderen Präparaten

Engpässe gibt es laut Kaiser auch bei verschiedenen Medikamenten für Erwachsene: Antibiotika, Blutdruckmittel oder Insulin seien chronische Mangelware – hier könne man aber wegen der Vielfalt der Präparate, etwa bei Blutdrucksenkern, besser ausweichen.

Als letztes Mittel bleibe nur noch, die Mittelchen selber herzustellen. Das habe man bei Ibuprofen schon praktiziert, sagt die Apothekerin: „Gut, dass wir Apotheker das von der Pike auf gelernt haben. Einzige Voraussetzung ist, dass wir an die Zutaten kommen.“ Am besten freilich wäre es, wenn sich die Situation bald entspanne: Der nächste Sommer kommt schließlich garantiert.

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