„Energiewende mit der Brechstange“: Fachmann kritisiert Einbauverbot neuer Gas- und Ölheizungen scharf

Der Freisinger Heizungsinnungsobermeister Stefano Margiotta hat das Einbauverbot neuer Gas- und Ölheizungen kritisiert. Er plädiert für eine andere Lösung.
Freising – Das Einbauverbot neuer Gas- und Ölheizungen ab Anfang 2024 stößt auf viel Kritik und Ablehnung. Auch für den Obermeister der Innung Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik-Spengler Freising-Erding, Stefano Margiotta, ist das eine „Energiewende mit der Brechstange“, wie er im Gespräch mit dem Freisinger Tagblatt sagt. So gehe der Schuss nach hinten los: „Die Energiewende wird um 20 Jahre nach hinten geschoben.“ Abgesehen davon sei der Heizungsplan der Ampel weder bezahlbar noch in so kurzer Zeit umsetzbar. Aber er hätte da eine Lösung . . .
Herr Margiotta, funktioniert so die Wärmewende?
Nein, so erreicht man eher das Gegenteil und sorgt für ein furchtbares Chaos. Durch die Frist 1. Januar 2024 versuchen nämlich jetzt noch viele, die alte Öl- oder Gasheizung durch eine neue zu ersetzen, weil danach 65 Prozent der Energie regenerativ sein müssen. Das bedeutet, dass viele noch für weitere 20 Jahre mit Öl und Gas heizen wollen. Damit wird die Energiewende um zwei Jahrzehnte nach hinten verschoben. Ein wirklich geschickter Schachzug der Regierung!
Spüren Sie eine erhöhte Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen in ihrem Geschäft?
Es ist ein regelrechter Hype ausgebrochen. So viele Öl- und Gaskessel können wir momentan gar nicht liefern, weil die Nachfrage explodiert ist. Alle Wünsche, heuer noch schnell im Hauruck-Verfahren die Heizung zu erneuern, können wir nicht mehr erfüllen. Dazu kommt, dass es bei Wärmepumpen, die gerade als die Super-Lösung aller Probleme verkauft werden, nicht besser aussieht: Lieferzeit 14 Monate. Aber die Wärmepumpe ist ohnehin nicht das goldene Ei.

Wieso denn nicht?
Wärmepumpen funktionieren grundsätzlich im Alt- und im Neubau, das schon. Aber: Passen auch die Rahmenbedingungen? Da muss die Gebäudestruktur stimmen. Die Dämmung muss passen und, wenn möglich, eine Fußbodenheizung vorhanden sein. Klar, eine Wärmepumpe kann inzwischen auch 65 Grad Vorlauftemperatur liefern – aber wo kommt die Energie dafür her? Die große Frage lautet also: Ist der Betrieb einer Wärmepumpe überhaupt bezahlbar? Die ohnehin hohen Anschaffungskosten werden durch den Nachfragedruck nach oben getrieben. Dazu kommen noch Betriebskosten. Die Installationskosten für Photovoltaik sind explodiert. Muss der Strom zugekauft werden, ergeben sich hohe Kosten. Noch ist der Strompreis gedeckelt. Aber was ist danach? Und natürlich macht die Wärmepumpe nur Sinn, wenn sie mit grünem Strom betrieben wird – und nicht mit Strom aus dem Kohlekraftwerk in Anglberg. Da zäumt man doch das Pferd von hinten auf.
„Der grüne Storm alleine wird nicht reichen“: Fachmann im Interview
Reicht denn der Strom für die Wärme-Wende überhaupt?
Es geht ja nicht nur um die Wärmewende. Gleichzeitig wird auch eine Mobilitätswende auf Biegen und Brechen durchgedrückt. Ich frage mich schon, wo der Strom hierfür herkommen, und wie er für die Bevölkerung bezahlbar bleiben soll. Der grüne Strom alleine wird nicht reichen. Das ist keine Befürchtung, sondern eine Gewissheit. Das ist in unserer Branche jedem klar. So viele Windräder können gar nicht gebaut werden.
In der öffentlichen Debatte ist nur selten die Rede von den großen Wohnanlagen. Was ist eigentlich damit? Was gibt es hier für Lösungen, damit die Energiewende funktioniert?
Das ist der springende Punkt – denn dort, in den Anlagen mit 50 Wohnungen, leben doch die meisten Menschen. Ein Beispiel: Die Anlage ist 30 Jahre alt, also bei Weitem nicht alt, und die Bewohner haben gerade mal ihre Schulden abbezahlt. Die Gasheizung funktioniert noch, erreicht aber das Ende ihrer Lebensdauer – darf jedoch ab nächstem Jahr nicht mehr ersetzt werden. Was tun? Soll man jetzt eine Wärmepumpen-Kaskade mit 30 Geräten aufbauen? Das funktioniert nicht.
Was dann?
Entweder man bleibt bei der Gas-Brennwertanlage, die uns doch jetzt jahrzehntelang gute Dienste geleistet hat. Oder man setzt künftig auf ein Nahwärmenetz. Das freilich muss erst einmal ausgebaut werden, und wenn Sie sich die Sanierung der Freisinger Innenstadt anschauen, dann wissen Sie, wie lange das dauert. Das alles aufzugraben, dazu haben wir die Manpower gar nicht.
Also werden hier politische Vorgaben gemacht, die eigentlich unerfüllbar sind?
Nein, nichts ist unmöglich. Aber man braucht halt dazu Zeit, und die Regierung hat das völlig falsch angepackt. Wir erleben hier pure Hektik. Politische Vorgaben entstehen zu einseitig. Für das Handwerk müssen Vorgaben erfüllbar sein. Und für die Leute muss es bezahlbar bleiben. Wir merken doch, dass Angst und Panik entstehen. Die Bundesregierung überfordert die Bevölkerung aktuell.
Was schlagen Sie vor?
Ich hätte einen Fördertopf mit einer längerfristigen Laufzeit von mindestens zehn Jahren aufgelegt und einer maximalen Förderung von 20 Prozent. Das reicht. Da gehen alle meine Kunden mit. Das überfordert weder das Handwerk noch die Industrie, und die Preise werden nicht künstlich erhöht. Die Bürger haben etwas Zeit, Geld zurückzulegen und sich in aller Ruhe mit dem Thema zu befassen. Man nimmt alle mit – und hat in zehn Jahren die halbe Republik auf regenerative Energie umgestellt.
Zum Beispiel mit Pelletsheizungen. In Verbindung mit Solarthermie, die im Sommer hilft, Pellets zu sparen.
Biomasse? Das kann eine gute Sache sein. Der Rohstoff wächst regional nach.
Aber?
Der Einbau einer Pellets-Anlage ist eine Einzelfallentscheidung, denn dafür muss man Platz haben. Nehmen wir das Zehn-Familienhaus, wo jeder ein Kellerabteil hat – aber nicht mehr. Wo soll das Pellets-Lager hin?
(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Freising-Newsletter.)
Fragen über Fragen. Sie sind sicher gerade ein gefragter Mann.
Unsere Branche kommt gar nicht mehr zum Verschnaufen. Erst konnten wir uns vor lauter Sanierungsanfragen, etwa bei Bädern, nicht mehr retten. Jetzt hat uns die nächste Bombe getroffen.
Stefano Margiotta ist Inhaber der Firma Baumgartner Sanitär, Heizung, Klima in Freising und Obermeister der Innung Freising/Erding.
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