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Mann befriedigt sich vor Kindern selbst - und hat dann sonderbare Ausrede

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Ein 58-Jähriger soll im Alpspitzwellenbad vor drei Kindern sein Glied manipuliert haben. In der Verhandlung mussten sich die Anwesenden vor allem mit einem Detail beschäftigen: mit der Größe des Geschlechtsteils des Angeklagten.

Garmisch-Partenkirchen – Dem Mann ist heiß. Er schwitzt, sehr stark sogar, obwohl es im Sitzungssaal 1 des Garmisch-Partenkirchner Amtsgerichts nicht sonderlich warm ist. Vermutlich ist es der Angstschweiß, der in Strömen fließt. Immer wieder wischt er sich mit einem Taschentuch zuerst über den Nacken, dann über die Stirn und am Schluss über die spärlichen schwarzen Haare, die feucht am Kopf kleben. Für den 58-jährigen geht es um viel. Zwar nicht um Kopf und Kragen, aber es steht seine bürgerliche Existenz auf dem Spiel. 

Die in Syrien ist schon in Brüche gegangen. Der Krieg. Dass mit der in Deutschland dasselbe geschieht, dafür trägt allerdings er die Verantwortung. Ganz allein. Staatsanwältin Bettina Müller wirft ihm den sexuellen Missbrauch von Kindern vor. Richter Dr. Benjamin Lenhart, stellvertretender Direktor des Amtsgerichts, nimmt den Syrer, der seit 2016 in Garmisch-Partenkirchen lebt, ordentlich in die Mangel. Das Taschentuch, mittlerweile klitschnass, befindet sich im Dauereinsatz. 

Wegen erloschener Libido könne er die Tat gar nicht begangen haben

Lenhart glaubt den Ausflüchten des Angeklagten, der ein Studium als Elektroingenieur absolviert haben will, nicht. Dass der wegen eines Mikro-Penis und einer Rückenverletzung seit Jahren sexuell inaktiv sein will, selbst die Libido sei zum Erliegen gekommen, und er deshalb die ihm zur Last gelegten Tat gar nicht begangen haben kann, hält er für Schutzbehauptungen. Und Lenhart fällt ein überraschendes Urteil, das über den Antrag der Staatsanwältin hinausgeht. Müller fordert ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung, weil der Vater von vier Kindern bislang nicht straffällig ist und „das Opfer keine langfristigen Schädigungen davongetragen hat“. Das wertet sie als mildernde Umstände. 

Lenhart sieht das ganz anders. Er verurteilt ihn nicht nur wegen sexuellen Missbrauchs, sondern auch wegen Exhibitionismus. Zweimal zehn Monate bringt er dafür in Ansatz. In Summe verhängt er ein Jahr Gefängnis, was Müller zu einem ungläubigen Blick in Richtung Michael Röhrig, dem Anwalt der Nebenklage, veranlasst. Seine Entscheidung begründet Lenhart mit der „schlechten Sozialprognose“. Der Mann setze sich „nicht mit seinen pädophilen Neigungen auseinander“. 

Ähnlich überrascht wie die Staatsanwältin zeigt sich Verteidiger Hans Reisberger, der auf Freispruch plädiert hatte. Er will für seinen Mandaten kämpfen, weil er den Spruch für überzogen hält. „Gefängnis ohne Bewährung, das geht gar nicht. Ich gehe in Berufung.“ 

Das Ganze passierte im Sprudelbecken

Die Tat ereignete sich am 27. November 2016 im Alpspitzwellenbad in Garmisch-Partenkirchen. Der Syrer und drei Kinder, zwei Mädchen und ein Bub – damals zwischen acht und elf Jahre alt –, hielten sich im Sprudelbecken auf. Der Angeklagte, um an den Massagedüsen Linderung für sein Rückleiden zu suchen, das von Tritten syrischer Polizisten in Damaskus herrühren soll. Die Kinder, um nach einem Geldstück zu tauchen. Dabei bemerkte eine Achtjährige, die in einem Dorf im Loisachtal wohnt, dass der Mann sein Glied in der Hand hielt, daran manipulierte und dabei Blickkontakt zu den Kindern suchte. Das beobachtete die heute Zehnjährige auch bei einem zweiten Besuch in dem Jacuzzi. Die Hand des Mannes habe sich auf und ab bewegt, wie das Mädchen zuerst seiner Mutter erzählte. Die schickte es zum Bademeister, der holte die Polizei, die den Mann mit den Vorwürfen konfrontierte und ihn mit zur Wache nahm. Einem Beamten der Inspektion Garmisch-Partenkirchen schilderte das Kind wenige Tage später noch einmal den Sachverhalt. „Völlig ruhig und unaufgeregt“, erzählt der mittlerweile pensionierte Polizist. 

Vernommen wurde es im vergangenen Jahr auch von einer Richterin in München. Dieses Gespräch wurde auf DVD mitgeschnitten und während der Verhandlung abgespielt. Dabei schilderte das Kind noch einmal detailgenau, was es erlebt hatte. Müller nannte die Aussage „sehr eindrucksvoll“. 

Gutachter muss über Größe des Geschlechtsteils urteilen

Den Vorfall beschrieb der Angeklagte, der nur sehr gebrochen Deutsch spricht, über einen Dolmetscher völlig anders. Durch das Wasser, das aus den Düsen im Sprudelbecken strömt, habe er sich den Rücken massieren lassen, „und mit den Händen die Oberschenkel“. Seit er von Polizisten in Damaskus getreten worden sei, „verspüre ich in meinen Beinen ein Taubheitsgefühl“. 

Richter, Staatsanwältin und Verteidiger beschäftigten sich ausführlich mit der Badehose, die der Angeklagten getragen hatte. Shorts, Pant oder Slip? Enganliegend an den Beinen sei sie gewesen, sagt der Syrer. Und deshalb könne sein Penis unmöglich herausgeschaut haben. „Dafür ist er viel zu klein.“ Die Größe des Geschlechtsteils und die Sexualität des Angeklagten ließ das Gericht von einem Sachverständigen klären. Gutachter Matthias Eppler vom Rechtsmedizinischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München hatte den 58-Jährigen, dessen Kinder ihm zufolge auf natürlichem Weg gezeugt wurden, untersucht. Seine Expertise, die er mit Bildern unterlegte, fiel eindeutig aus. 

Von Mikro-Penis könne keine Rede sein. Staatsanwältin Müller, die zusammen mit Richter, Nebenkläger, Verteidiger und Angeklagtem die Fotos betrachtete, nannte das Thema „spannend“. Für sie stand außer Zweifel, dass der Flüchtling, der bis 2023 Aufenthaltsrecht in Deutschland besitzt, „an seinem Glied manipuliert hat“. Lenhart sah es genauso, er bewertete den Sachverhalt nur sehr viel strenger.

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