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„Wir gehen auf eine Katastrophe zu“ - Gemeinderat unterstützt Abschuss des Wolfes

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Von: Christian Fellner

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Oft gemeldet, selten nachgewiesen: Wolfssichtungen in freier Wildbahn bleiben oft unbestätigt. Dieses Bild zeigt einen in einem Gehege in Sachsen-Anhalt.
Der Wolf erhitzt weiter die Gemüter. Sein Abschuss wird im Landkreis Garmisch-Partenkirchen heiß diskutiert. © DPA

Mit dem Wolf hat sich auch der Gemeinderat Garmisch-Partenkirchen befasst. Den Abschuss-Antrag des Landkreises unterstützt er einstimmig. Zum Teil wurde es emotional.

Garmisch-Partenkirchen – Der Marktgemeinderat hat sich am Donnerstag dafür ausgesprochen, den Antrag des Landkreises auf Entnahme von ansässigen Wölfen bei der Regierung von Oberbayern zu unterstützen - wie zuvor bereits Oberammergau. Einstimmig fiel die Entscheidung im Gremium – allerdings nicht ohne Aufreger.

Denn Martin Sielmann (FDP) und Lilian Edenhofer (FW fraktionslos) verließen während der laufenden Abstimmung den Saal, wohl um sich einem Nein-Votum in der Öffentlichkeit entziehen zu können. Führte zu lautstarkem Protest der Bürgermeisterin, die das Verhalten der beiden im Protokoll vermerken ließ. Sonst aber herrschte in der Sache Einmütigkeit. In jedem Fall beim Grundtenor, weniger bei der Emotionalität der Angelegenheit.

Ein Mann mit Hut und Hemd und Trachtenjacke schaut grimmig in die Kamera.
Josef Glatz, Vorsitzender der Garmischer Weidegenossen, erläutert im Gemeinderat den Ist-Stand. Und wird dabei emotional. © Götzfried

Josef Glatz, früher selbst für die CSU lange Jahre im Gremium, zudem Vorsitzender der Weidegenossenschaft Garmisch und seit 2019 Chef des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern, erläuterte zunächst den Ist-Stand und begründete das Vorgehen des Landkreises, der einen erleichterten Abschuss fordert. In seinen Augen gibt es vor allem ein Problem: „Wir gehen beim Wolf auf eine Katastrophe zu, die die Leute draußen nicht ernst nehmen. Dieses Vieh hat keinen Gegner mehr.“

Viehhalter besorgt: Auftrieb auf Almen beginnt in sieben Wochen

Die Argumente sind mittlerweile bekannt, auf denen der Abschuss-Antrag gründet: Die Verantwortlichen sehen eine Gefährdung für die durch die Landwirte gepflegte Kulturlandschaft, befürchteten das Aussterben geschützter heimischer Arten und Auswirkungen auf den Tourismus. „Das passiert alles nicht sofort, aber vielleicht in einigen Jahren“, merkte Glatz an.

In sieben Wochen beginne der Auftrieb auf die Almen. „Und wir haben jeden Tag Meldungen von Sichtungen oder Wildrissen.“ Keine beruhigende Situation für die Viehhalter. Vor allem mit dem Blick zurück auf den Almsommer 2022. „50 bis 60 Schafe sind am Ende abgegangen oder gerissen worden“, sagt Glatz. Allein auf den Almen im Ammergebirge zwischen Grainau und Graswang/Oberammergau. „Und ich denke, es waren nur so wenig, weil dann alle fünf Almen abgetrieben wurden. “

Dass es eine Wolfsbeteiligung gab, sei nun erwiesen. Zunächst hatte das Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg von Hunderissen gesprochen. Nur: Das war ein Irrtum. „Fünf der sechs Proben, die genommen wurden, waren verunreinigt“, sagt Glatz. Kurios: „Durch den Hund des Prüfers.“ Der Garmischer versteht die Welt nicht mehr: „Jeder, der daheim einen Coronatest macht, arbeitet offenbar sauberer als ein Experte vom Amt.“ Die Schafhalter schickten B-Proben an ein unabhängiges Labor nach Hamburg. Das Ergebnis: „Es waren in jedem Fall Hybriden.“ 75 Prozent Wolf – so hatte es Bauernobmann Klaus Solleder zuletzt in einem Tagblatt-Gespräch erklärt. Auch beim LfU ist in der Auflistung des Wolf-Monitorings nun nachzulesen, dass die „Probenqualität nicht ausreichend“ sei.

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Wölfe: Für Weidegenossenschaft auch Ausweitung des Weideschutzgebietes wichtig

Das alles stimmt Glatz nicht optimistisch für diesen Sommer. „Ich befürchte Schlimmes.“ Daher appellierte er an die versammelte Ortspolitik auch, diesen Antrag des Landkreises zu unterstützen. „Wir brauchen den Schutz, bevor etwas passiert.“ Derzeit sei es nur Wild, aber wenn die Nutztiere aufgetrieben sind, könnte sich das schnell ändern. „Ein Schaf ist die praktischste Beute. Bei einer Bedrohung stellt es sich still.“

Das Thema der Schutzzäune griff Glatz auch noch auf. „Wer sehen will, wie ein wirklich wolfssicheres Gehege ausschaut, sollte in den Alpenzoo nach Innsbruck fahren.“ Dort seien die Einfriedungen 2,50 Meter hoch, fest einbetoniert und elektrisiert. „Brauchen wir so etwas?“, fragte er in die Runde. Daher sei auch der zweite Teil des Antrags wichtig, das Weideschutzgebiet, in dem der Schutz des Viehs als nicht machbar eingestuft wird, auf einen Großteil des Landkreises auszuweiten.

Breite Zustimmung erfuhr Glatz aus den Reihen der CSU. Anton Buchwieser appellierte sofort: „Wir müssen uns hinter unsere Almbauern stellen, allein schon, dass sie den Mut haben, weiterzumachen und unsere schöne Landschaft zu pflegen, die über Jahrhunderte geschaffen wurde.“ Andreas Grasegger (Bayernpartei) verstand nicht, „dass unser Freistaat die Almwirtschaft fördert, aber den Wolf nicht zum Abschluss freigibt, das ist eine Frechheit!“

Grünen-Gemeinderat Thiel unterstützt Antrag, aber: „Wir sehen den Wolf nicht als Bestie“

Auch Grünen-Vertreter Dr. Stephan Thiel signalisierte Unterstützung seiner Fraktion. Er sah die Situation aber differenzierter. „Ich möchte die Emotionalität rausnehmen“, betonte er. Der Wolf habe eine Daseinsberechtigung, sei ein Beutegreifer und versuche zu überleben. „Wir sehen ihn nicht als Bestie.“ Der Faktor, der ihn zu einem sachlichen Abwägungsprozess bringt, ist die Lage der Region. „Unser Landkreis, die Form der Landwirtschaft, die hier aufrechterhalten wird.“ Der Wolf gehöre zur Biodiversität, aber er dürfe diese nicht gefährden. Zäune und Hunde sieht er nicht als Option. „Man kann nicht alle Regionen über einen Kamm scheren, das muss man differenziert sehen, daher ist es wichtig, ein politisches Signal auszusenden.“ Dem Vorstoß räumt er jedoch wenig Chancen ein.

Die anderen Fraktionen sprachen sich ebenfalls für die Entnahme aus, zu der Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU) dann noch eine wichtige Information parat hatte. Konkret ging es um den Abschuss, sollte dieser tatsächlich genehmigt werden. Dieser erfolge nicht etwa über Jäger, die die Kommune hätte beauftragen müssen, „sondern das läuft über die Polizei auf dem Wege der Amtshilfe“.

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