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„Lasst Menschlichkeit walten“: Geplante Geflüchtetenunterkunft in Oberbayern erhitzt die Gemüter

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Aus Bürogebäude wird Geflüchtetenunterkunft: „Ja“ sagt der Hallbergmooser Bauausschuss zur Nutzungsänderung der Immobilie im Munich Airport Business Park – nach einer erneuten Diskussion über den Standort.
Aus Bürogebäude wird Geflüchtetenunterkunft: „Ja“ sagt der Hallbergmooser Bauausschuss zur Nutzungsänderung der Immobilie im Munich Airport Business Park – nach einer erneuten Diskussion über den Standort. © Oestereich

Die geplante Geflüchtetenunterkunft im Munich Airport Business Park erhitzt die Gemüter der Hallbergmooser Räte. Im Bauausschuss wurde der Standort heiß diskutiert – zum wiederholten Mal.

Hallbergmoos – Eigentlich sollte es am Dienstagabend im Hallbergmooser Bauausschuss „nur“ um die baurechtliche Nutzungsänderung eines Bürogebäudes am Rande des Munich Airport Business Park gehen. Dort richtet das Landratsamt bekanntermaßen eine Flüchtlingsunterkunft für maximal 249 Personen ein, die voraussichtlich im April bezugsfertig sein soll. Um Baurecht ging es in der Debatte aber nur am Rande. Die Gegner erneuerten ihre Kritik an der Standortwahl.

Geplante Geflüchtetenunterkunft in Oberbayern erhitzt die Gemüter

Das Landratsamt Freising hat das Haus an der Ludwigstraße von einem privaten Eigentümer angemietet, um dort – so steht es nun in dem auf vier Jahre angelegten Mietvertrag – maximal 249 Geflüchtete unterzubringen. Fragen dazu hatten Landrat Helmut Petz und Sandra Schulenberg (Sachgebietsleiterin Asyl im Landratsamt) dem Gemeinderat bereits Mitte Januar beantwortet.

Eine gesetzliche Sonderregelung (Paragraf 246 Absatz 10 des Baulandmobilisierungsgesetzes) ermöglicht die schnelle Schaffung von Wohnraum für Geflüchtete – auch in Gewerbegebieten; zunächst für maximal drei Jahre mit einer Verlängerungsmöglichkeit um weitere drei Jahre. Erteilt die Kommune das Einvernehmen nicht, kann das Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde die Kommune „überstimmen“ – jedenfalls soweit keine nachbarlichen Interessen entgegenstehen.

Tankstelle befürchtet Einschränkungen

Das Grundstück grenzt nach Süden an Büros. Gegenüber wird eine Tankstelle betrieben. Dort fürchtet man nun Einschränkungen, insbesondere für die nachts erlaubte Betankung von Fahrzeugen. Laut der Städtebaukommission müssen sich die Bewohner von Flüchtlingsunterkünften mit Immissionsbelastungen abfinden, die generell in Gewerbegebieten zulässig sind. Also auch mit Tankstellen.

Mietvertrag für vier statt sechs Jahre

„Wir wollen unsere Gewerbetreibenden schützen, wo es geht“, unterstrich Bürgermeister Josef Niedermair (CSU). Man werde entsprechende Zusagen „in dicken Lettern“ vom Landratsamt einfordern und auf die Einhaltung der Belegungszahlen achten. Das Landratsamt habe Entgegenkommen gezeigt, indem der Mietvertrag nun auf vier Jahre – anstatt der ursprünglich geplanten sechs Jahre – laufe.

Thomas Henning (FW) nutzte die Gelegenheit, seine generelle Kritik zu erneuern: Etwa, dass die Gemeinde bei der Standortwahl nicht gefragt worden sei. Auch die Lage missfällt ihm mächtig: „Ich lehne die Flüchtlingsunterkunft nicht ab, aber der Standort ist untragbar für mich. Das Haus ist eingesperrt von Kreisverkehr, Ludwigstraße und Bundesstraße B 301.“ Auch Wolfgang Reiland (Einigkeit) bezeichnete „das exponierte Gewerbegebiet als ungünstigen Standort“. Er sagte: „Wir geben hier Hunderttausende für Infrastruktur und Verbesserungen aus. Das führt das Ganze doch ad absurdum.“

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Christian Krätschmer (CSU) sprach „von der höchsten Gewerbesteuereinnahme-Parzelle im ganzen Landkreis.“ Positiv vermerkte er, dass der Informationsfluss besser laufe als seinerzeit bei der problembehafteten Unterkunft am Söldnermoos. Reiland fügte noch hinzu: „Ich frage mich, wie Integration dort draußen funktionieren soll, so weit weg vom Ort.“ „Das hört sich für mich nach Sankt-Florians-Prinzip an. Niemand nennt mir hier einen besseren Standort“, hielt Stefan Kronner (SPD) dagegen. Eine Unterkunft für 250 Personen im MABP berge, so Kronner, vergleichsweise wenig Konfliktpotenzial.

Nicht am Ortsrand, aber auch nicht im Ort

Eine „interessante Widersprüchlichkeit“ erkannte Robert Wäger (Grüne) in Reilands Aussagen: Am Ortsrand sei die Unterkunft nicht erwünscht, im Ort aber auch nicht. Die Lage in direkter Nachbarschaft von zwei Discountern und einer Bushaltestelle bezeichnete Wäger als nahezu perfekt. Er appellierte zudem an „Menschlichkeit, Anstand und die im Grundgesetz verankerten Werte, Menschen in Notlagen zu helfen“. Henning erwiderte: „Im Grundgesetz steht: Wir müssen Flüchtlinge schützen. Dort steht aber auch: Wir müssen unsere eigenen Leute schützen. Im Plan sind viele Einbettzimmer eingezeichnet. Ich fürchte, dass es die Bevölkerung verängstigt. Warum provozieren wir das?“

100 Nationalitäten leben in der Gemeinde

„Lasst Menschlichkeit walten“, unterstrich auch Bürgermeister Josef Niedermair. Hallbergmoos, wo aktuell Menschen etwa 100 verschiedener Nationalitäten leben, werde diese Aufgabe seiner Einschätzung nach meistern. Mit Blick auf die Integration und Begleitung der Geflüchteten verwies er aber darauf, dass die Nachbarschaftshilfe „am Anschlag“ sei. Diese Aufgaben müsse das Landratsamt wahrnehmen.

Der Ausschuss erteilte das gemeindliche Einvernehmen. Dagegen stimmten Thomas Henning (FW), Christian Krätschmer (CSU), Wolfgang Reiland und Hermann Hartshauser (Einigkeit).
Eva Oestereich

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