Auch bei den Grünen in Oberhaching hat man bereits die eine oder andere Beschimpfung am Infostand hinnehmen müssen: „Teilweise ist es en vogue uns Grüne zu diffamieren, wir hätten keine abgeschlossene Ausbildung, seien Schmarotzer und verlogen. Die Hemmschwelle auf Social Media ist da besonders niedrig“, erklärt Ortsverbandsvorsitzende Cornelia Huber-Danzer. Deshalb ist auch sie vorsichtiger geworden: „Wir sind immer mindestens zu zweit unterwegs, sind darauf vorbereitet schnell die Polizei rufen zu können und informieren die Polizei über größere Veranstaltungen, die vorangekündigt sind.“
„Zweimal kam es in Unterhaching vor, dass jemand vorbeikam und Beleidigungen gebrüllt hat, das ist bis jetzt aber die Ausnahme“, ist Landtagsabgeordnete Claudia Köhlers (Grüne) bisherige Erfahrung. Auch sie merkt deutlich mehr Vandalismus bei Plakaten, oftmals inklusive Hakenkreuzen. Zudem wird auch online der Ton immer rauer: „Die Hetze auf Social Media hat stark zugenommen – meistens von Fake-Profilen außerhalb Bayerns.“
Bei Christine Himmelberg (SPD) läuft der Wahlkampf im Großen und Ganzen „doch sehr gesittet ab“. Während mit den Mitbewerbern bei Podiumsdiskussionen noch ein sachlicher, konstruktiver Austausch stattfindet, ist an den Infoständen der Ton aus der Bevölkerung schärfer. Dort sei man es zwar gewohnt, dass unzufriedene Bürger ihren Unmut kundtun, dennoch stellte Himmelberg bereits fest: „Was deutlich zugenommen hat, sind die zugerufenen Beschimpfungen im Vorbeigehen beziehungsweise Vorbeifahren. Dort mehren sich Aussagen, die uns als Partei das Ende wünschen und grade Bundespolitiker wie Kanzler Scholz werden hart und unter der Gürtellinie angegangen.“
Bei der Feldkirchner SPD ist vor allem im Netz ein deutlicher Unterschied spürbar: „Der Wahlkampf wird immer schwieriger, da vor allem online und in den Sozialen Netzwerken Unwahrheiten geteilt werden und viel gegen die Ampel Regierung geschimpft und gehetzt wird. Das ist meist wenig sachlich und nicht sonderlich hilfreich. Es ist auch erschreckend wie viel rechter Inhalt geteilt wird“, sagt Christian Wilhelm, Vorsitzender des Feldkirchner SPD-Ortsverbands.
Gleichzeitig stellt er jedoch klar, dass er im Ort und auf der Straße ein deutlich freundlicheres Miteinander erlebt habe. Beschimpfungen gab es bei ihm und seinen Parteikollegen bisher keine: „Ganz im Gegenteil, einige haben uns für unser Engagement und unseren Einsatz gelobt“, freut sich Wilhelm. Ebenso seien bei Parteikollege Florian Schardt die vergangenen elf Podiumsdiskussionen allesamt sehr sachlich verlaufen.
Über einen positiven und konstruktiven Ton bei den Podiumsdiskussionen weiß auch die Haarer FDP in Absprache mit den Parteikollegen von München-Land zu berichten. Größtes Problem dieses Jahr: „Der bisherige Wahlkampf war sehr stark überlagert von bundespolitischen Themen. Die Flugblatt-Affäre im August drohte zwischenzeitlich zum dominierenden Thema zu werden. An unseren Infoständen am 16. September war Aiwanger allerdings bereits eine Randnotiz“, berichtet Dr. Peter Siemsen, Ortsvorsitzender der FDP Haar.
Grund für die raueren Töne sieht Siemsen in der Verunsicherung der Bevölkerung: „Viele Menschen sind verunsichert, ob ihre Anliegen bei den Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft überhaupt noch Beachtung finden. Unsicherheit über die Zukunft erzeugt Angst. Die wiederum ist der stärkste Verbündete der Populisten und Extremisten.“ Ähnlich empfindet man es bei der SPD: „Wir machen als Gesellschaft grade eine der größten Krisen der Nachkriegszeit durch. Da schlagen Sorgen und Zukunftsängste auch schnell um in Wut. Dass diese Wut sich gegen die Menschen richtet, die Verbesserungen erstreiten wollen, finde ich sehr schade“, findet Christine Himmelberg.
Auch Grünen-Ortsverbandsvorsitzende Cornelia Huber-Danzer blickt besorgt auf das Geschehen der vergangenen Jahre: „Die Pandemie hat den Leuten viel abverlangt, gefolgt von Krieg, Energiekrise, Preissteigerungen und dringend notwendiger Maßnahmen gegen die Klimakrise. Es ist verständlich, dass man da verunsichert reagiert.“
Neben der prekären Situation sieht sie jedoch auch den einen oder anderen Wahlkämpfer mit seiner Strategie in der Mitschuld: „Die Parolen von Söder, Aiwanger und aller AfD-Politiker*innen finde ich brandgefährlich und haben im Wahlkampf unter Demokraten nichts verloren.“ Im Gegenzug versuchten sie und ihre Parteikollegen lieber auf Hoffnung zu setzen: „Die genannten Parteien nutzen die Verunsicherung in der Bevölkerung aus, anstatt Zuversicht und Optimismus zu verbreiten.“
Ähnlich sieht es ihre Parteikollegin Meike Leopold: „Es wurden durch den Stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger, Stichwort Erding, schon zu Beginn des Wahlkampfs die Grenzen des politisch Sagbaren weit überschritten. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen von Gleichgesinnten und Nachahmern.“
Und Claudia Köhler geht sogar noch weiter: „Ganz ehrlich, ich verstehe es nicht und habe auch kein Verständnis dafür, dass einige Politiker in diesem Wahlkampf so tief in die Tasche der Hetze greifen und mit ihrem Vokabular spalten, wie ich es persönlich noch nie erlebt habe.“ Mittlerweile gehe es nicht mehr nur um ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger bei der Wahl, sondern „um den Schutz unserer Demokratie.“ Gerade bei Äußerungen wie einem fehlenden Bayern-Gen fragt sie sich: „Wie geschichtsvergessen kann man denn sein?!“
Auch Christian Wilhelm ist nicht begeistert von der Herangehensweise der Rivalen: „Falsche Behauptungen und Aussagen müssten schneller widerlegt werden, Politiker müssen mit gutem Vorbild voran gehen, und nicht wie Aiwanger, Söder und Co. nur meckern statt machen und hetzen statt wertschätzen! Wir brauchen wieder mehr Respekt voreinander“, erklärt er seine Hoffnung und fügt hinzu: „Mit der AfD ist keine gesittete Diskussion möglich. Wer die AfD wählt unterstützt Nazis!“