Sauerlach – Eine Frau mit Kinderwagen kommt dem Bahnübergang an der Kleefeldstraße südlich von Sauerlach entgegen und wirft mit einem Lächeln einen fragenden Blick in Richtung von Mohammed Güzel neben der Schranke. Der hebt, mit orangefarbener Warnweste bekleidet, schmunzelnd die Hand, geht ein paar Schritte vor auf die Gleise, guckt links, guckt rechts, guckt links — und winkt sie durch. „Für Fußgänger oder Radfahrer muss man nicht extra die Schranke heben, die kommen ja auch so durch“, erklärt er auf seinem kurzen Rückweg, während die Frau dankend mit dem quängelnden Kind im Wagen die Gleise überquert.
Güzel gehört zur Sicherheitsaufsicht der Deutschen Bahn. Seit Anfang Februar der TÜV der bisherigen automatischen Schranke abgelaufen ist, muss der Bahnübergang persönlich besetzt werden, bis die neue Anlage bestellt, montiert und installiert ist, erklärt der DB-Mitarbeiter: „Ich bin gespannt, wie lange sie brauchen, um die neuen Schranken zu holen. Aber ich denk mal, das wird sich bestimmt auch auf zwei Jahre rausziehen. Damals in Miesbach hieß es auch erst ein Jahr, da haben sie dann auch über zwei Jahre draus gemacht“, erinnert sich der erfahrene Mitarbeiter, zündet sich eine Zigarette an und lässt seinen Blick über die grüne Ackerfläche bis zu den Gleisen schweifen.
Da seien Beschwerden über die lange Wartezeit, wie etwa bei der Protestversammlung vergangenen Monat, die vom SV Arget und dem Sauerlacher Gemeinderat Wilhelm Berthold (Unabhängige Bürgervereinigung) organisiert wurden, nur verständlich.
Mittlerweile ist der Schrankenposten zumindest schon mit einem Dixi-Klo ausgestattet. Die DB überprüfe gerade zudem, ob man einen Container für die Schrankwärter aufstellen könne, da sonst das Auto kaputt geht, wenn es die ganze Zeit mit laufendem Motor draußen bei Wind und Wetter im Matsch steht. „Aber auch da dauert es bestimmt noch“, erklärt Güzel.
Immerhin seien sie nun zu zweit, sodass man sich abwechseln könne, erklärt er und deutet auf das rote Auto neben ihm, während sein Arbeitskollege und Vater darin schläfrig auf sein Smartphone blickt und die Füße lässig beim offenen Fenster hinausbaumeln lässt. Das war in den ersten Wochen schon unangenehm, wenn man nichts mehr zu essen oder zu trinken hatte, und man aber seinen Posten nicht verlassen durfte. Da musste dann auch mal bei Nacht der ein oder andere Spezl einen kleinen Abstecher für ihn machen, erinnert sich der Sicherungsaufsichtler und winkt einem Landwirt zu, der mit seinem Traktor auf den Übergang zugefahren kommt.
Wieder wird die Hand zum Anhalten gehoben, Güzel schnappt sich sein Spezialhandy und fragt, ob es gerade sicher sei die Schranke zu öffnen, während er wieder auf den Gleisen nach links und rechts blickt. Die Zeiten der knapp zehn Züge, die pro Stunde den Übergang befahren, kennt er mittlerweile zwar auswendig, aber sicher ist sicher.
Als von der Zentrale das Okay kommt, geht Güzel zum Steuerpunkt und lässt die Schranke nach oben, sodass der Traktor passieren kann. „Einmal den Schlüssel drehen, das ist eigentlich auch schon alles“, erklärt er und legt das Handy wieder auf dem Kasten ab, der nur mit Schlüsselloch und Notschalter ausgestattet ist.
Mittlerweile kennen ihn bereits die Anwohner — und auch Güzel kennt seine „Stammfahrer“. Wer nicht warten wolle, kenne mittlerweile die Umleitung und wende manchmal auch kurzfristig, andere nehmen bewusst etwas Wartezeit in Kauf und wechseln ein paar Worte mit dem Übergangswächter. Da kam bereits laut Güzel das ein oder andere mehrstündige Gespräch heraus: „Ich freue mich immer, wenn hier Menschen vorbeigehen und man sich unterhalten kann, dann bin ich nicht so allein. Meinen Papa sehe ich ja auch daheim, da gehen einem dann auch zu zweit irgendwann die Gesprächsthemen aus“, brüllt er über das Vorbeirauschen eines Zuges hinweg und nickt schmunzelnd in Richtung des Autos.
Beschweren könne er sich über seinen Job als Streckenposten jedoch absolut nicht: Die Menschen hätten durchweg Verständnis wenn sie einmal zehn Minuten oder sogar länger an der Schranke warten müssen. Solange das Wetter stimmt und immer wieder einmal der ein oder andere Plausch dabei heraus kommt, sei es ziemlich angenehm, findet er. Schlimmer sei da die Nachtschicht: „Ab 22 Uhr ist es hier komplett still, da kommt niemand mehr“, erklärt er und verweist auf seine Kollegen, die ihn am Abend ablösen werden.
Die wären quasi durchweg in Bereitschaft, manchmal sogar, ohne während ihrer Schicht ein einziges mal die Schranke hoch und wieder herunter fahren zu lassen. Aber sicherheitshalber muss der Übergang eben 24 Stunden besetzt sein.
Die „Stoßzeiten“, wenn man an der eher schmalen Kleefeldstraße überhaupt davon sprechen kann, sind am ehesten Morgens und Abends, wenn die Leute zur Arbeit fahren oder wenn es am nahegelegenen Sportplatz und dem SV Arget Veranstaltungen und Kurse gibt, so Güzels Erfahrung aus den vergangenen beiden Monaten. „Vielleicht wird es im Sommer dann mehr, wenn der Fußballplatz mehr genutzt und gefeiert und gegrillt wird“, vermutet Güzel.
So angenehm der Job aber auch ist, der Mitarbeiter für die Sicherheitsaufsicht ist froh, dass er auch noch andere Aufgaben bei der Deutschen Bahn übernehmen darf, wo er etwas mehr gefordert ist. „Ich könnte nicht jeden Tag hier zehn Stunden arbeiten. Ich bin doch ein junger Bursche, der seine Freizeit genießen will“, sagt er und winkt einem Rollerfahrer zum Anhalten zu. „Aber wäre ich alt und hätte Frau und Kinder zuhause, dann würde ich das hier sofort jeden Tag machen“, fügt er hinzu, blickt links, blickt rechts, blickt links — und winkt den Rollerfahrer durch.