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Erzfeind Kopfsteinpflaster: Die Oberhachinger Schwerbehindertenvertretung

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Von: Raffael Scherer

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Schwerbehindertenvertreterin carina fichtel
Die Oberhachinger Schwerbehindertenvertreterin Carina Fichtel sitzt selbst seit Kindertagen im Rollstuhl. © privat

Die Rollstuhlfahrerin Carina Fichtel arbeitet bei der Gemeinde in der Steuerstelle Finanzverwaltung und kämpft für die Kollegen gegen die Tücken des Alltags.


Oberhaching – Ein Gemeindemitarbeiter klagt über Rückenprobleme. Es geht einfach nicht mehr ohne Schmerzen vor dem Computer zu sitzen, ihm tut immer alles weh. Der Arbeitsalltag wird zur Qual. Seine Anlaufstelle: Schwerbehindertenvertreterin Carina Fichtel.

Die 23-Jährige sitzt krankheitsbedingt seit ihrer Kindheit im Rollstuhl und kennt daher die vielen Leiden, die mit einer körperlichen Beeinträchtigung einhergehen. Von fehlenden Rampen oder Aufzügen in Gebäuden bis hin zum Erzfeind eines jeden Rollstuhlfahrers: dem Kopfsteinpflaster. „Da verhaken sich gerne mal die Räder, man bleibt hängen und dann kommt es doch auch mal vor, dass man vornüber aus dem Rollstuhl fällt“, so ihre schmerzliche Erfahrung.

Feiern im Rollstuhl kaum machbar

Gerade als junge Erwachsene mit frischen 18 Jahren musste sie damals feststellen, dass beim Feiern gehen die wenigsten Clubs für Rollstuhlfahrer ausgelegt waren: „Aber dann bin ich mit meinen Freunden eben lieber schön essen gegangen“, erinnert sich die Oberhachingerin. Gleichzeitig findet sie aber, dass für Rollstuhlfahrer viel getan wurde: „Es ist in den letzten Jahren viel passiert und viel gemacht worden, etwa dass es jetzt bei den meisten Geschäften Rampen gibt“, so ihr Eindruck. Konzert- und Musicalbesuche seien da etwa überhaupt kein Problem mehr.

Auspowern kann sich Fichtel bei der Erlebte Integrative Sportschule (EISS) des TSV Oberhaching. Dort hatte sie bereits als Kind immer gerne fleißig mitgesportelt. „Dann wird man älter und als Erwachsener ist es dann nicht mehr so reizvoll“, erklärt sie. Aber da ihre Freunde dort statt als Teilnehmer als Trainer weitermachten, beschloss auch Fichtel sich dort als Co-Trainerin weiter zu beteiligen. „Es ist so schön, anderthalb Stunden in der Woche den Kindern Spiel und Freude zu schenken“, resümiert sie.

Ab in die zweite Amtszeit

Doch zurück ins Rathaus: Als Schwerbehindertenbeauftragte ist Fichtel bereits im fünften Jahr für die Gemeinde und ihre Angestellten tätig. Der Personalrat hatte damals herumgefragt, wer sich denn vorstellen könnte, das Amt zu übernehmen, auf das sich auch nur Schwerbehinderte bewerben dürfen. Und Fichtel konnte.

2022 wurde sie dann für die nächste Periode erneut gefragt: „Und nachdem mir die Tätigkeit die letzten vier Jahre Spaß gemacht hat, mache ich sie gern nochmal“, fasst sie zusammen. Also ließ sie sich erneut aufstellen und wurde zur zweiten Amtszeit als Schwerbehindertenvertretung der Gemeinde gewählt.

Einblicke in alle Fachgebiete der Verwaltung

Ins Oberhachinger Rathaus verschlagen hatte es Fichtel bereits zu Schulzeiten. Damals machte sie während ihrer Zeit auf der FOS ein Praktikum in der Gemeinde. „Und das hat mir einfach so gut gefallen, dass ich gleich wusste: Da mache ich meine Ausbildung“, erinnert sich die Oberhachingerin, lacht und fügt hinzu: „Es passte einfach.“

Die Kollegen waren nett, der Kontakt mit den Bürgern ihrer Heimatgemeinde gefiel ihr und obendrein ist das Gebäude nicht nur komplett barrierefrei, inklusive Rampen und Aufzügen, sondern auch noch gerade einmal fünf Minuten entfernt von ihrem Zuhause, schwärmt Fichtel. Mittlerweile hat die 23-Jährige die Ausbildung abgeschlossen, nach Einblicken in alle Fachgebiete ist sie nun fest in der Steuerstelle bei der Finanzverwaltung tätig.

Das Wichtigste: Ein offenes Ohr

Doch nicht nur bei den Kollegen hat sie als Schwerbehindertenvertreterin ein offenes Ohr: Auch, wenn sich jemand mit einer Behinderung auf eine Stelle bei der Gemeinde bewirbt, egal ob im Rathaus, Kindergarten, Bauhof oder der Bibliothek, ist Fichtel ebenfalls beim Bewerbungsgespräch zugegen, um sich ein Bild von dem Bewerber zu machen: „Ich muss dann einfach schauen, ob alles passt oder ob auf irgendetwas besonders geachtet werden muss“, fasst sie ihre Tätigkeit zusammen.

Ansonsten hört sich die Oberhachingerin als Schwerbehindertenvertreterin die Probleme der Gemeindekollegen an und sieht zu, was sich da machen lässt: „Das Wichtigste ist ein offenes Ohr zu haben und einfühlsam zu sein“, erklärt Fichtel. Im Fall der Rückenbeschwerden etwa wäre ein verstellbarer Schreibtisch eine mögliche Lösung, um dem Mitarbeiter die Arbeit zu erleichtern. Klar, dass nicht auf komplett alle Wünsche immer eingegangen werden kann, aber Fichtels Erfahrung zeigt: „Es kommt einfach darauf an, für die Leute da zu sein, damit sie wissen, dass es für sie eine Anlaufstelle gibt.“ Und diese Anlaufstelle wird Fichtel auch in den kommenden Jahren bleiben.

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