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Gerhard Schmidt bekommt eigenen Platz in Haar

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Josef Mederer (von links), Stephan Schmidt und Peter Brieger mit der Wilhelm Griesinger Medaille, die Gerhard Schmidt 1986 für seine Verdienste um die deutsche Psychiatrie überreicht bekam. Stephan Schmidt übergab sie dem Isar-Amper-Klinikum Haar als Dauerleihgabe.
Josef Mederer (von links), Stephan Schmidt und Peter Brieger mit der Wilhelm Griesinger Medaille, die Gerhard Schmidt 1986 für seine Verdienste um die deutsche Psychiatrie überreicht bekam. Stephan Schmidt übergab sie dem Isar-Amper-Klinikum Haar als Dauerleihgabe. © Roland Friedl

Der Platz zwischen der zentralen Patientenaufnahme und der Kirche St. Raphael auf dem Gelände des Isar-Amper-Klinikums Haar heißt nun Gerhard-Schmidt-Platz.

Haar – Nachdem Gerhard Schmidt als Leiter der damaligen Heil- und Pflegeanstalt in Haar entlassen worden war, weigerte er sich, das Klinikgelände erneut zu betreten. Als Direktor der Anstalt vom 27. Juni 1945 bis zum 31. Juli 1946 hatte er die Verbrechen, die während der Zeit des Nationalsozialismus auf dem Klinikgelände stattfanden, aufgearbeitet und dokumentiert. Knapp 4000 Menschen wurden dort ab Januar 1940 in Tötungsanstalten deportiert, in sogenannten Hungerhäusern zu Tode gehungert oder durch Medikamente umgebracht.

Bei seiner Aufklärungsarbeit stieß Gerhard Schmidt auf massiven Widerstand von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klinikums, politischen Institutionen und der Gesellschaft. Seine Bemühungen fanden keine Beachtung, er wurde als „Nestbeschmutzer“ beschimpft und auf Druck des Klinikums sowie des Innenministeriums entlassen. Sein Nachfolger als Klinikdirektor, Anton von Braunmühl, verdrehte die Geschichte und lange Zeit wurden Gerhard Schmidts Anstrengungen im Klinikum verschwiegen.

Weiterer Schritt bei Aufarbeitung der NS-Verbrechen

Nun wird an Gerhard Schmidt an zentraler Stelle auf dem Klinikgelände erinnert. Der Platz vor der Patientenaufnahme des Isar-Amper-Klinikums des Bezirks Oberbayern in Haar trägt jetzt seinen Namen.

Bei der Veranstaltung zur Benennung des Platzes sagte Bezirkstagspräsident Josef Mederer, dies sei ein weiterer Schritt in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Die Aufarbeitung sei allerdings noch lange nicht vorbei und dürfe auch nicht beendet werden. Prof. Schmidt sei einer dieser mutigen Menschen gewesen, die direkt nach dem zweiten Weltkrieg die Verbrechen auf dem Klinikgelände und die Schicksale der Opfer dokumentierten. Mit der Benennung des Platzes finde das Klinikum nun den Raum, um Gerhard Schmidt gebührend zu würdigen und an ihn zu erinnern.

Aufklärungsarbeit von Gerhard Schmidt soll fortgeführt werden

Der einstimmige Beschluss des Haarer Gemeinderates dazu zeige den außerordentlichen Grund, den Platz nach Gerhard Schmidt zu benennen, sagte Bürgermeister Andreas Bukowski. Nach der Umbenennung der Von-Braunmühl-Straße in Max-Isserlin-Straße 2019 werde nun mit dem Gerhard-Schmidt-Platz auch der Mensch gewürdigt, der vergessen gemacht werden sollte.

Der aktuelle ärztliche Direktor des Isar-Amper-Klinikums, Peter Brieger, betonte, es sei ihm ein großes Anliegen, die Aufklärungsarbeit in der Tradition von Gerhard Schmidt fortzuführen und er freue sich sehr, Mitglieder von dessen Familie am Klinikum begrüßen zu dürfen.

Sohn freut sich: „Endlich Gerechtigkeit“

Stephan Schmidt, Gerhard Schmidts Sohn, begann seine Rede mit dem Moment, als er erfuhr, dass der Platz künftig den Namen seines Vaters tragen wird: „Mein erster Gedanke war: Endlich erfährt er Gerechtigkeit“. An die Zeit unmittelbar nach dem Krieg habe er anders als sein acht Jahre älterer Bruder keine Erinnerungen, doch er erinnere sich noch sehr gut an den Widerstand, auf den sein Vater stieß, als er versuchte, sein Buch „Selektion in der Heilanstalt“, das die Verbrechen im Klinikum behandelt, zu publizieren. 20 Jahre lang lehnten etliche Verleger das Buch ab, bis es 1965 beim evangelischen Verlagswerk in Stuttgart erscheinen konnte.

Gerhard Schmidt habe trotz aller Ablehnung immer daran festgehalten, dass es die Pflicht der Nachkommen seines Berufsstandes sei, sich zu dem Unrecht, das geschehen war, zu äußern, sagte Stephan Schmidt. Ab den 1980er- Jahren habe sich dann langsam ein entschlosseneres Engagement bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit gezeigt.
1986 bekam Gerhard Schmidt für seine Verdienste um die deutsche Psychiatrie von der Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde die erstmalig verliehene Wilhelm Griesinger Medaille. Als Dank für die Benennung des Platzes überreichte Stephan Schmidt dem Isar-Amper-Klinikum die Medaille, sodass auch diese im Museum des Klinikums künftig an Gerhard Schmidt erinnert.

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