Truderinger Ehepaar berichtet in Ottobrunn von Erlebnissen an der ungarisch-ukrainischen Grenzen

Die Besucher des Musikcafés der Michaelskirchengemeinde in Ottobrunn lauschten diesmal nicht Instrumentenklängen, sondern dem Bericht des Ehepaars Trappendreher. Sie haben im März drei Wochen lang mit ihrem Family Truck an der ungarisch-ukrainischen Grenze ehrenamtlich geholfen.
Erschöpft, aber hoffnungsvoll – so beschreiben Christina und Gerhard Trappendreher die ukrainischen Geflüchteten, die sie in der ungarischen Grenzstadt Záhony kennenlernten. Von Mitte März bis Anfang April war das Truderinger Ehepaar knapp drei Wochen mit seinem Family Truck vor Ort, um den Menschen einen angenehmen Aufenthalt vor der Weiterreise in andere Teile Europas zu bescheren.
Fast drei Monate nach ihrer Rückkehr berichteten die Trappendrehers jetzt beim Musikcafé der Michaelskirchengemeinde in Ottobrunn von ihren Erlebnissen und Eindrücken. Dazu spielten sie auch einen eigens zusammengestellten Film mit Fotos und Videoausschnitten ab. Sie wollten sich nicht in den Vordergrund drängen, aber von vielen Seiten habe Interesse bestanden, aus erster Hand und nicht aus dem Fernseh-Nachrichten über die Situation vor Ort informiert zu werden, erklärt das Ehepaar. Gerade viele Senioren, die womöglich selbst noch den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, würden durch die Bilder aus dem Fernsehen beunruhigt werden, weiß Christina Trappendreher. Die Sozialpädagogin ist für die diakonische Fachstelle für Senioren bei der Michaelskirchengemeinde zuständig.
Gespannt lauschten die vorwiegend älteren Zuhörer bei Kaffee und Kuchen dem Bericht der Trappendrehers. Auf Interesse stieß der Family-Truck, ein 40 Jahre alter Oldtimer, den das Paar vor fünf Jahren gekauft und zu einem Tiny House umgebaut hat. Es gibt darin bis zu zehn Schlafplätze, eine Küche und einen großen Esstisch, an dem zwölf Personen Platz finden. Das mobile Haus vermieten sie an kleinere Gruppen, eine Art Jugendherberge auf vier Rädern.
Zu Beginn hätten sie Sorge gehabt, ob das alte Gefährt auch die 1000 Kilometer bis zur ungarisch-ukrainischen Grenze schaffe, erzählt Gerhard Trappendreher. Das sei auch einer der Gründe gewesen, warum sie nicht wie viele andere Helfer an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren sind. Außerdem wollten sie abseits des Medienrummels Hilfe leisten.
Das bedeutet aber nicht, dass dort weniger zu tun war – zwischen 400 und 700 Menschen am Tag reisten mit der Bahnverbindung zwischen dem ukrainischen Chop und Záhony über die Grenze nach Ungarn. Die Truderinger stationiert sich wie viele andere Helfer am Bahnhof und boten dort vor allem Frauen mit jüngeren Kindern und Schwangeren sowie älteren Menschen für einige Stunden einen ruhigen Schlafplatz in ihrem Family Truck an. Insgesamt 59 Menschen konnten sie so in der Zeit dort helfen. Im Gepäck hatten sie außerdem 1,7 Tonnen an Hilfsgütern, die ihnen verschiedene Organisationen in München zum Transport mitgegeben haben.
Ansonsten packten sie mit den anderen Ehrenamtlichen dort mit an, wo Hilfe benötigt wurde. „Der Zusammenhalt im Ehrenamt ist sehr groß“, berichtet Gerhard Trappendreher. Vor Ort habe es keine Dachorganisation gegeben. Die Helfer – egal ob aus Budapest, Italien, Spanien, London und Israel – wurden von der örtlichen reformierten Kirche koordinierten und halfen alle auf ihre Weise. „Jeder kann im Kleinen etwas ausrichten“, sagt der Truderinger. Ob mit einem Schlafplatz wie die Trappendrehers oder auch wie Helfer aus England mit 700 kuscheligen Teddybären, die sie den Kindern bei der Ankunft überreicht wurden. Christina und Gerhard Trappendreher haben noch immer Kontakt zu den Helfern vor Ort und auch einigen der ukrainischen Geflüchteten. „Der Teddybus war insgesamt 90 Tage vor Ort“, wissen sie daher auch. Derzeit seien Clowns aus Italien vor Ort, die für Ablenkung vor den Kriegs- und Fluchterlebnissen Sorgen wollen.
Diese Hilfsbereitschaft aus aller Welt habe das Ehepaar tief beeindruckt – besonders das Engagement des Helfers Anmol. Er kommt ursprünglich aus Indien und hat neun Jahre lang in der Ukraine studiert. Bei Kriegseintritt stand er kurz vor seinem Examen als Chirurg. Er floh selbst über die Grenze nach Záhony und hilft seitdem vor Ort anderen Geflüchteten.
Insgesamt seien nach aktuellen Angaben seit Kriegsbeginn 400.000 bis 500.000 Geflüchtete in Záhony über die Grenze gekommen. Die Hilfe der Ehrenamtlichen wird weiter gebraucht, denn noch immer kommen und gehen etwa 300 bis 500 Menschen am Tag. Denn einige reisen auch wieder zurück, weil sie Dokumente aus der Heimat brauchen oder zurückgebliebene Verwandte besuchen wollen.
Im Rückblick würden sie es zwar jederzeit wieder tun, vorerst sei aber keine zweite Fahrt an die Grenze geplant. Dafür möchten die Trappendrehers wie beim Musikcafé in Ottobrunn nun ihre Erlebnisse mit den Menschen hier teilen, um so ein authentisches Bild von der Lage vor Ort zu liefern.
Iris Janda
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