Ende 2021 wollten sie zum Bergsteigen nach Südamerika in die Anden, die im Vergleich zu den Alpen noch einmal zweitausend Meter höher sind. Neben der Planung mussten sie ja noch studieren und ihre Ausbildung zu Gebirgsschützen der Bundeswehr vorantreiben. Da wäre es doch praktisch, das Studium mit der Bergsteigerei zu kombinieren.
Sie wandten sich an die Professur für Trainingswissenschaft bei Bettina Schaar und erläuterten ihr Vorhaben, eine Bachelorarbeit über Höhentraining in Südamerika zu schreiben. Von der Uni bekamen die beiden die nötige Ausstattung zur Datenerhebung, zum Beispiel eine Pulsuhr; die restliche Ausstattung sowie Flüge und Unterbringung mussten allerdings selbst gezahlt werden.
Einfach gestaltete sich die Finanzierung für die Studenten nicht, bei so einer Unternehmung kämen locker 10.000 Euro zusammen, erklärt Witsch. Mit Bolivien entschieden sie sich für ein Land, in dem noch keine teure Erlaubnis für das Höhenbergsteigen erkauft werden muss. Der Plan war, um Boliviens Hauptstadt La Paz herum, ohne Bergführer Sechstausender zu besteigen. Insbesondere den 6439 Meter hohen Illimani, den zweithöchsten Berg des Landes. La Paz selbst liegt bereits auf knapp 4000 Metern, eine enorme Umstellung für den Körper. Darauf galt es sich vorzubereiten, daher fuhren die Bergsteiger ins Trainingslager nach Chamonix, zum Mont Blanc.
Ende Juli ging es los. Nach ein paar Tagen Klettern in Brasilien ging es über Lima nach La Paz. Doch natürlich entstehen vor Ort auch mal Probleme. Anfangs traten Schwierigkeiten auf, einen Fahrer zu finden, der sie zum Startpunkt der Bergtouren bringen konnte. Da die zwei nicht mit den eher touristischen Gruppen einer Bergschule unterwegs waren, wollte sie kein Fahrer mitnehmen. Auch viele Hütten nahmen sie ohne Bergführer nicht auf und in den Base Camps (auf circa 4500 Meter) wurden sie als unerfahrene Deutsche belächelt. Erst am Huayna Potosí, ihrem ersten Sechstausender, erkämpften sie sich die Anerkennung der übrigen Bergsteiger. Sie begannen den Aufstieg in der Nacht, Stunden später als alle anderen Gruppen, waren jedoch als Erste auf dem Gipfel.
„Höhenbergsteigen wird mehr und mehr zum Luxusbergsteigen, wer nicht reich ist oder kein Sponsoring hat, kann sich das irgendwann nicht mehr leisten“, bestätigt Wingenfeld. Die beiden Studenten hoffen, dass ihnen die Ausstattung irgendwann mal gesponsert wird. Wenn sie noch höher hinaus wollen, geht es auch nicht mehr ohne Begleitung. „Schon jetzt musste jeder 35 Kilo Gewicht schleppen“, ergänzt Witsch.
Doch in Bolivien wollten sie die Touren zu zweit durchziehen. Auch die Letzte, zum Illimani. Denn was ihnen beim Bergsteigen hilft, das ist das Vertrauen zueinander. Zu zweit in einer Seilschaft wissen sie, dass sie sich aufeinander verlassen können. Bergsteiger in Bolivien sind auf sich allein gestellt, eine Rettungskette wie in den Alpen ist Fehlanzeige.
Es gab extreme Situationen zu überstehen, beispielsweise die Nacht im High Camp auf 5500 Metern am Illimani. Sie waren mutterseelenallein, es hatte minus 15 Grad, der Wind pfiff, doch die beiden überstanden auch diese Nacht, froren nicht an der Zeltwand fest und erklommen am nächsten Tag den zweithöchsten Berg Boliviens.
Jetzt sitzen sie im Warmen im Restaurant der Bundeswehr-Uni Neubiberg und erzählen von weiteren Plänen. Erstmal müssen sie die Bachelorarbeiten über ihre Erfahrungen zum Höhentraining schreiben. Der eine über die Belastung, der andere über die Regeneration in der Höhe. Auch einen explizit nicht-wissenschaftlichen Blog haben sie über ihre Reise geschrieben. Er ist sehr interessant und amüsant. Im Master wollen sie nach Nepal, ins Himalaya-Gebirge, einen Siebentausender besteigen.
Und zurück nach La Paz wollen Witsch und Wingenfeld auch nochmal. Im Rahmen ihres Studiums muss ein Praktikum absolviert werden und der Leiter der Bergschule hat sie gebeten, wiederzukommen. Sie könnten sich vorstellen, bei der Bergschule als Guides zu arbeiten. Die Kombination aus Arbeit und Leidenschaft gefällt ihnen besonders. Und die Anerkennung der bolivianischen Bergsteiger haben sie ja jetzt.
Roland Friedl
Weitere Nachrichten aus der Region finden Sie in unserer Übersicht.
Besuchen Sie HALLO auch auf Facebook.