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Kiosk-Wirt unerwartet gestorben: Letztes Jahr feierte er noch Jubiläum - in Deutschland wohl einmalig

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Von: Markus Schwarzkugler

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Sein eigentlich einziges Wohnzimmer: Heini Link am Notzinger Weiher unweit seines Kiosks im Juni 2021. Er trägt eines seiner berüchtigten Hawaii-Hemden.
Sein eigentlich einziges Wohnzimmer: Heini Link am Notzinger Weiher unweit seines Kiosks im Juni 2021. Er trägt eines seiner berüchtigten Hawaii-Hemden. © Markus Schwarzkugler

Fassungslosigkeit herrscht nach dem plötzlichen und unerwarteten Tod von Heini Link, der Kiosk-Legende des Notzinger Weihers. Ein Nachruf.

Notzing/Erding – Es ist ein richtig heißer Tag im Juni vergangenen Jahres, als wir Heini Link zum Interview besuchen. Der Mann hat ein großes Jubiläum zu feiern – ein, wie er meint, wohl einmaliges in ganz Deutschland: 50 Jahre Kiosk am Notzinger Weiher, und der Wirt ist seither immer der gleiche. Heini Link eben.

Wir sitzen in dem kleinen Garten hinter dem Kiosk – sein Refugium, in das er sich mit seiner Frau Gertrud zurückziehen kann und das Zwitschern der Vögel genießt. Sogar der Specht schaut immer wieder vorbei und nascht am Futterbällchen am Baum. Link genießt das sichtlich. Er trägt ein Hawaii-Hemd – für jeden Tag in der Woche hat er eins. Und er erzählt begeistert von dem Specht. Wenn der Vogel in Zukunft wieder vorbeikommt in diesem kleinen Idyll, wird er sich wundern, wo denn der wohlwollende Mann mit den schrägen Hemden, die sich so schön mit der umgebenden Natur ergänzen, hingekommen ist. Für alle unfassbar ist, dass Heini Link in den Morgenstunden des Neujahrstags im Alter von 72 Jahren verstarb. Plötzlich und unerwartet.

Notzinger Weiher: Kiosk-Legende stirbt unerwartet - Trauer groß

Link hat den Kiosk am Notzinger Weiher selbst erbaut. „Ich hatte jeden Stein selbst in der Hand“, sagt er in besagtem Gespräch mit unserer Zeitung. „Mei, war das damals ein Spektakel im Kreistag“, erinnert er sich daran, dass er zu Landrat Simon Weinhuber Anfang der 70er Jahre sagte, es müssten ja nicht immer die G’spickten sein, die den Zuschlag erhalten. „Ha, do hod a Recht!“, hatte ihm Weinhuber zugesimmt. Bis zur Entscheidung, dass Link den Zuschlag für den Kiosk-Bau erhält, dauert es keine fünf Minuten. Es ist eine sehr gute Entscheidung.

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Die Natur genießen, die Badegäste mit Essen und lustigen Gesprächen versorgen – nein, nur unbeschwert geht es in all den 50 Jahren nicht zu. 70 Mal, schätzt Link, wird bei ihm eingebrochen – also im Schnitt mehr als einmal pro Badesaison. Einmal will ein Dieb sogar ein Loch in die Wand hauen, teilweise werden Kühlschränke umgeworfen, Geschirr zerstört. Das nervt dann auch den sonst so entspannt wirkenden Link. „Ein Tragerl Bier sollen sie von mir aus haben“, meint er lachend.

Kiosk-Legende vom Notzinger Weiher tot: „Das Lächeln der Kinder war Antwort genug“

Sorgen bereiten Link auch die Ausbaupläne des Landkreises an seinem geliebten Weiher, dessen Natur und Ruhe er bedroht sieht. Link wehrt sich auch öffentlich, sein Kiosk übersteht auch das. Im Interview vor jetzt einem halben Jahr blickt er stoisch zurück: „Ich hatte keine Existenzsorgen. Für mich war immer klar: Ich habe einen Vertrag, dass dieser Kiosk sein muss.“

Das Lächeln der Kinder war Antwort genug.

Ein Satz Heini Links, der seine Beliebtheit wohl gut erklärt.

Und ja, das muss er, finden nicht nur die Stammgäste des Kiosks. Daran kann auch Corona nichts ändern, Link gibt zu, dass auch seinem Laden die Krise zu schaffen macht. Doch seine Frau Gertrud und seine Töchter Kerstin und Julika – auch einen Enkel hat er – helfen ihm wie immer auch in dieser Zeit. „Dank ihnen ist das alles so lange so gut gelungen“, sagt er.

Es gelingt freilich auch, weil Link ein so beliebter Gesprächspartner nicht nur für seine Stammkundschaft ist. Für die Kleinen hat er Lutscher im Angebot, die schon die Großeltern vor 50 Jahren „beim Heini“ bekommen haben. Und lustige Stofftiere, die sich munter bewegen – Schüttelkatze, -löwe, -affe zum Beispiel. Das verkürzt den ungeduldigen Mädchen und Buben die Wartezeit etwa auf die Currywurst, für die Links Küche so geschätzt wird. Der Verkaufsschlager Nummer eins, das betont Link jedoch vehement, ist dann doch das Eis.

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Kiosk-Betreiber und Erfinder: Patentiertes Popcorn für Diabetiker von Heini Link

Wegen des Geldes betreibt Link den Kiosk schon lange nicht mehr – „dann hätte ich schon vor 30 Jahren aufgehört“. Link ist ein beruflicher Allrounder. Mit gerade 21 wird er hauptamtlicher Betriebsrat bei der IG Metall. Er betreibt eine Disco in Neufahrn und die Gaststätte „Zum Holledauer“ gegenüber dem Erdinger Krankenhaus. Außerdem liefert er Kirchenkerzen oder Autoteile quer durch die Republik aus.

Sogar Bio-Popcorn oder süßes Popcorn für Diabetiker entwickelt er und lässt sich das Anfang der 90er Jahre patentieren. Warum Zuckerkranke unbedingt so was bräuchten, wird er damals gefragt. „Das Lächeln der Kinder war Antwort genug“, sagt Link, der mit seiner Gertrud in zweiter Ehe 40 Jahre verheiratet ist.

Während all dieser Erlebnisse nimmt sich Link auch der Erziehung an – nicht nur seiner Kinder, sondern auch seiner Badegäste. Müll achtlos in der Natur liegen zu lassen, das missfällt ihm ganz arg. Mittlerweile kommt es an einem Tag maximal noch vor, dass „ein einziges Papierl“ herumliegt, sagt Link zufrieden.

Anlässlich seines 50-Jährigen rechnet er aus, dass er in all der Zeit 300.000 Kilometer von seiner Wohnung zum Weiher zurückgelegt hat. Einen nicht unerheblichen Teil davon mit dem Fahrrad.

Dass dieses Original in der kommenden Badesaison nicht mehr zum Weiher radeln wird, kommt für alle wie aus dem Nichts. Auch auf der Facebook-Seite „Notzinger Weiher Naturbadeparadies“ ist die Anteilnahme groß. In einem Trauerpost heißt es, dass Link alle am Kiosk „immer mit seinem Humor und seiner Menschlichkeit erfreut“ habe – „seine Schmankerl sowieso“. Er hatte „für kleine und große Probleme und Sorgen immer ein offenes Ohr und einen wertvollen Ratschlag“. Auch die Kinder hätten „ihren Heini“ geliebt.

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Unser Jubiläumsinterview mit Link endet mit der Feststellung – nicht der Frage – des Autors, dass Link wohl noch lange nicht ans Aufhören denkt. „Nein, das ist mein Leben hier“, lautet die klare Antwort. Und Link holt noch mal kurz aus, erzählt, dass mal „eine Art Schamane herumgehüpft“ ist. Der habe den besonderen Charakter des Notzinger Weihers festgestellt. Der Kiosk-Wirt sagt außerdem, dass er sich einbildet, dass ihm die ganzen Vögel dort nachzwitschern, wenn Link kommt.

Jetzt werden sie wieder zwitschern für ihren Heini. Und wenn der Schamane irgendwann zurückkehren sollte, würde er wohl neben dem Charakter des Weihers noch etwas anderes spüren im Wind – die Aura Links, der bestimmt weiter ein Auge auf seinen Weiher haben wird.

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