Hauskauf im Tölzer Land: „Die Party ist vorbei“: Immobilienmarkt steht auf dem Kopf

Krieg, Inflation und die Zinswende haben den Immobilienmarkt im Landkreis auf den Kopf gestellt. Die Situation ist mittlerweile komplett anders, als noch vor einem Jahr.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Wer im Landkreis eine Immobilie kaufen wollte, musste vor einem Jahr noch hoffen, irgendwie unter der Hand von einem Angebot zu erfahren, und dann schnell zuschlagen und jeden noch so hohen Preis bezahlen. Die Situation hat sich mittlerweile gewandelt, wie Banken und Immobilienmakler berichten. „Die Party ist vorbei“, formuliert es Martin Harbalik, Leiter der Abteilung Versicherungen und Immobilien bei der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen. Sei einem noch bis Anfang 2022 jede Immobilie aus den Händen gerissen worden – „egal, in welchem Zustand“ –, habe sich der Markt ungefähr seit vergangenem Sommer „grundlegend verändert“.
Immobilienmarkt in Bad Tölz-Wolfratshausen: Viele Käufer halten sich aktuell zurück
Wegen des schnellen Anstiegs der Kreditzinsen, der Inflation, des Kriegs in Europa und der damit verbundenen Unsicherheit würden sich viele Käufer zurückhalten. Für Verkäufer bedeute das, dass sie nicht mehr davon ausgehen könnten, den Preis, den sie bis vor Kurzem fast nach Belieben aufrufen konnten, heute noch zu erhalten. Im Landkreis registriert Harbalik bereits einen Preisrückgang für Wohnungen und Häuser um rund zehn Prozent. Auch habe sich die durchschnittliche Vermittlungszeit für eine Immobilie verlängert. „Die Käufer sind kritischer und anspruchsvoller geworden.“
Der Illusion, dass die Preise noch viel weiter in den Keller gehen, solle man sich aber nicht hingeben, meint der Experte von der Sparkasse. Die Entwicklung der Zinsen und der Baupreise führe nämlich auch dazu, dass sich die Bauträger bei Neubauprojekten zurückhalten. „Dadurch wird sich die Nachfrage stark auf den Bestand konzentrieren.“ Bei Objekten in gutem oder sehr gutem Zustand erwarte er daher „in den nächsten Monaten eine Preissteigerung“. Bevor das eintritt, sei jetzt ein guter Zeitpunkt zum Immobilienkauf, meint Harbalik.
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Immobilienmarkt: 20 bis 30 Prozent weniger Nachfrage nach Krediten
Die veränderte Lage auf dem Immobilienmarkt spiegle sich auch in der Nachfrage nach Krediten wider, ergänzt Sparkassen-Sprecher Thomas Bundschuh. Die sei seit Sommer 2022 um 20 bis 30 Prozent eingebrochen. Kein Wunder: Vor der Zinswende musste man – natürlich stark abhängig von der individuellen Berechnung – mit einem Zinsniveau von 1,5 bis 2 Prozent rechnen, heute dagegen mit doppelt so viel.
Dieses Bild zeichnet sich bei der Raiffeisenbank im Oberland genauso ab. „Die privaten Wohbaukredite sind zurückgegangen“, erklärt Pressesprecherin Simone Kleinjung. Dass Käufer in der aktuellen Lage verunsichert sind, sei auch „logisch und absolut nachvollziehbar“. Angesichts dessen sei ein deutlicher Unterschied zu beobachten. War Anfang 2022 bei Immobilienkäufern noch ein Eigenkapitaleinsatz von 20 Prozent die Norm, würden heutzutage oft bis zu 50 Prozent angeraten, „damit die Rate auch langfristig leistbar bleibt“.
Dennoch: Kleinjung stellt fest, dass es weiterhin ein „äußerst zahlungskräftiges Kundenklientel“ gebe, „das weiterhin viel und gerne bei uns kauft“. Entsprechend sehe die Raiffeisenbank im Oberland aktuell auch „keinen nennenswerten Kaufrückgang im Immobiliensektor – ganz im Gegenteil“. Die Wohnlage im Oberland bleibe sehr begehrt. „Unsere Region steht einfach hoch im Kurs.“
Vermarktung eines Objekts dauert deutlich länger
Attraktive Immobilien seien nach wie vor nur sehr kurz auf dem Markt, „manchmal nur ein oder zwei Tage“, so Kleinjung. „Objekte, die eher im einfachen- oder mittleren Preissegment liegen, werden derzeit deutlich weniger nachgefragt und verkauft als noch vor einem Jahr.“ Bei den Preisen gibt es nach Kleinjungs Aussage denn auch lediglich eine Stagnation, keinen Rückgang.
Peter Schneider, Vorstand der Schneider & Prell Immobilientreuhand in Wolfratshausen, erklärt, dass sich „der Markt komplett gedreht hat“. „Jetzt gibt der Käufer den Ton an.“ Der könne im Landkreis mittlerweile aus einem Angebot wählen, das doppelt so groß sei wie noch vor einiger Zeit. Vor nicht allzu langer Zeit hätten sich noch etliche Bieter um ein Objekt gerangelt, „und im Bieterverfahren ist der Preis nach oben geschnellt“, sagt Schneider. Mittlerweile seien die Preise gesunken – zumindest in einigen Bereichen. „Gerade Objekte, die renovierungsbedürftig und energetisch nicht ausgebaut sind oder eine schlechte Lage haben, sind stärker dem Preisdruck ausgesetzt.“
Anders sei das bei Neubauten. Die gestiegenen Baukosten müssten weitergegeben werden, da gebe es kaum Verhandlungsspielraum. Trotzdem sei die Nachfrage hier weiter gegeben. „Wir bauen gerade an der Heiglstraße in Wolfratshausen 28 Wohnungen“, berichtet Schneider. 18 Verkäufe seien bereits beurkundet. Am Kaufen interessiert seien mittlerweile allerdings in erster Linie Kunden mit entsprechendem Kapitalstock. „Diejenigen, die kein Eigenkapital haben, sind vom Markt verschwunden.“ Generell ist Schneider überzeugt, dass sich der Markt in Zukunft wieder einpendelt, wenn sich das Zinsniveau stabilisiert. Und beim Tölzer Land handle es sich nach wie vor um eine „äußerst attraktive Gegend, da wird immer Nachfrage da sein.“
Bis ins kleinste Detail – inklusive Kronkorken und Socken - hat eine Gruppe in Weilheim die Wohnung eines Freundes in Zeitungspapier eingepackt. Warum?
Neue Phänomene für Käufer auf dem Immobilienmarkt
Ganz ähnlich ist die Einschätzung des Tölzer Immobilienmaklers Marc Eickernhorst. „Eine bestimmte Käuferschicht ist weggebrochen“, konstatiert er. Und zwar diejenigen Interessenten, „die viel fremdfinanziert haben“. Das sei nun aufgrund der gestiegenen Zinsen nicht mehr möglich. Diejenigen, die noch kaufen wollen, erleben Eickernhorst zufolge dagegen Phänomene, die in den vergangenen Jahren fast unbekannt waren: eine Auswahl zu haben und teils Preisverhandlungen führen zu können. Die veränderte Situation macht er unter anderem an der längeren Vermarktungsdauer von Immobilien fest. „Früher war ein Objekt innerhalb von zwei bis vier, maximal sechs Wochen veräußert. Jetzt muss man von vier bis sechs Monaten ausgehen.“
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