Bus auf Irrfahrt: Kinder landen statt in der Schule im Ausland – DB spricht von Missverständnis

Die Deutsche Bahn spricht von einem Missverständnis. Fakt ist: Elf Schüler aus Mittenwald werden vom Busfahrer nicht zur Schule gebracht, sondern sitzen plötzlich im Schnee im Tiroler Nachbarort Scharnitz fest.
Mittenwald – Plötzlich sind sie über der Landesgrenze. Dabei wollen die Kinder in die Schule. Doch der Busfahrer ist auf der Bundesstraße 2 nicht nach links Richtung Garmisch-Partenkirchen, sondern nach rechts Richtung Tirol abgebogen. Elf Mittenwalder Jugendliche wollen dem Busfahrer klarmachen, dass er auf Irrwegen ist. In Scharnitz versucht er umzudrehen – und bleibt vor dem Rathaus am Wendeplatz im Schneetreiben stecken.
Das Gelenkfahrzeug kommt keinen Meter weiter. Die Kinder zwischen 11 und 13 Jahren müssen aussteigen. Ein paar von ihnen rufen Eltern und Schulen an. Nach langem Hin und Her werden sie privat geholt und zu den jeweiligen Einrichtungen gebracht. Ein weiterer Chaostag in Zeiten des Schienenersatzverkehrs (SEV) zwischen Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen.
Bus auf Irrfahrt: Warum Kinder statt in der Schule im Ausland landen
Kurz vor den Osterferien hat er sich ereignet – der vorerst kurioseste Höhepunkt dieser SEV-Posse. Seit 17. März ruht neuerdings der Verkehr auf der Schiene – wieder mal. Seitdem bangen Isartaler Eltern, ob ihr Nachwuchs mit den öffentlichen Verkehrsmitteln am Morgen pünktlich oder überhaupt zur Schule kommt. Weil Busse sich nicht oder verspätet in Bewegung setzen. Mit der Tiroler Irrfahrt aber hat niemand gerechnet. Die Deutsche Bahn spricht von einem Missverständnis.
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Wie jeden Morgen haben sich die elf Schüler zum Mittenwalder Bahnhof aufgemacht, um zur Schule nach Garmisch-Partenkirchen zu gelangen. Bekanntlich ist derzeit die Bahnstrecke erneut wegen Sanierungsarbeiten gesperrt (wir berichteten). Nichts Neues für die Isartaler – seit dem tragischen Zugunglück am 3. Juni 2022 pendelten auf dem fraglichen Streckenabschnitt die Züge nur wenige Wochen.
Bayern: Busfahrer soll Kinder zur Schule bringen - und verfährt sich bis ins Ausland
„Die Busse sind sehr schlecht gekennzeichnet“, sagt Irene Mock, die Mutter eines der betroffenen Schüler. „Also haben die Kinder beim Busfahrer nachgefragt, ob er nach Garmisch-Partenkirchen fährt.“ Doch dieser spricht kaum Deutsch, signalisiert aber, er würde dorthin fahren. Also steigen die Mädchen und Buben ein. Auf der Bundesstraße bemerken sie den Schlamassel. „Tatsächlich fuhr der Bus planmäßig nach Scharnitz“, bestätigt eine Sprecherin der Deutschen Bahn gegenüber dem Tagblatt. „Doch die Kinder sagen, auf der Anzeigetafel sei Garmisch-Partenkirchen als Ziel gestanden“, versichert Mutter Lisa Pfeffer.
Verspätungen sind mittlerweile an der Tagesordnung
Der Fahrer will die Schüler dann von Scharnitz nach Mittenwald zurückbringen. An diesem Tag aber fällt viel Schnee. Das Vehikel fährt sich fest, was die Deutsche Bahn bestätigt. Immerhin: „Größere Schäden sind am Bus nicht entstanden“, teilt die Sprecherin auf Nachfrage dem lokalen Busunternehmen sowie einem DB-Partner aus Ulm mit.
Bus auf Irrfahrt: Warum Kinder statt in der Schule im Ausland landen
Nun stehen die Schüler in Scharnitz. Nicht alle Handys haben im Ausland Empfang. Mit den Mobiltelefonen, die funktionieren, verständigen die Jugendlichen Eltern und Schule, dass es „wieder einmal“ später wird. „Verspätungen sind mittlerweile an der Tagesordnung“, klagt Mock. „Genauso wie völlig überfüllte Busse.“ Um sich aufzuwärmen, marschieren die Kinder zum örtlichen Bäcker. Dort oder auf dem Weg dorthin sammeln sie nach und nach die Eltern ein. Manche Jugendliche werden nach Mittenwald gebracht und steigen dort neuerdings in einen Bus, andere chauffieren die Eltern direkt nach Garmisch-Partenkirchen. Wieder andere bleiben zu Hause, da es sich wegen der paar Unterrichtsstunden nicht mehr rentiert.
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„Das sind keine tragbaren Zustände mehr“, schimpft Mock. Es könne nicht sein, sich permanent beruflich freinehmen zu müssen am Vormittag, um die Kinder zur Schule zu fahren, sie blaumachen zu lassen oder darauf zu hoffen, dass „netterweise ein Familienmitglied Zeit hat und das Kind nach Garmisch-Partenkirchen mitnimmt“.
Die Deutsche Bahn entschuldigt sich für das Chaos. Sie hat das eingesetzte Verkehrsunternehmen nach eigener Aussage nochmals angewiesen, die Busse richtig und eindeutig auszuschildern, damit sich ein Vorfall dieser Art nicht wiederholt.
Permanente Verspätungen der Isartaler Schüler - „Wir kommen ihnen entgegen“
Die Schulen reagieren auf die permanenten Verspätungen ihrer Isartaler Schüler. „Wir kommen ihnen, so weit es uns möglich ist, entgegen“, versichert Markus Lieb, Konrektor der Zugspitz-Realschule. Besonders jetzt, da wichtige Schulaufgaben und Prüfungen anstehen. „Die Schüler können dann entsprechend länger schreiben, da sind wir sehr flexibel.“ Notfalls kann der Unterrichtsstoff am Nachmittag nachgeholt werden.
Auch im Werdenfels-Gymnasium ist man auf die Isartaler Transfer-Probleme eingestellt. Stehen Prüfungen an und die Kinder verspäten sich, „werden wir warten, um gemeinsam anzufangen“, bestätigt Direktor Christoph Hagenauer. Er bedauert den enormen Stress, dem die Kinder schon vor dem Unterricht ausgesetzt sind.
HINTERGRUND
Wie lange müssen die Mittenwalder noch Geduld aufbringen beim Schienenersatzverkehr? Wann pendeln wieder Züge? „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Verkehr auf dem Streckenabschnitt Garmisch-Mittenwald wieder aufnehmen zu können“, versichert eine DB-Sprecherin. Doch um eine Wiederaufnahme zu beurteilen, wird unter anderem ein „weiteres sehr aufwendiges Mess-System“ an einer Stützwand benötigt. Dieses soll in den kommenden Wochen eingebaut werden. „Erst danach können wir eine verlässliche Prognose abgeben, wann die Strecke wieder befahrbar sein wird.“ Parallel wird laut DB bereits ein umfangreiches Sanierungskonzept für das Bauwerk ausgearbeitet. „Aktuell gehen wir davon aus, dass die Strecke bis mindestens 10. Juni 2023 gesperrt bleiben muss.“