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Ex-Ministerin Kerstin Schreyer: „Bayern ist reif für eine Ministerpräsidentin“

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Von: Laura May

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Im Landtag vertritt Kerstin Schreyer den Stimmkreis München-Land Süd seit 2008. Unter Markus Söder war sie zunächst Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, dann für Wohnen, Bauen und Verkehr. archi
Im Landtag vertritt Kerstin Schreyer den Stimmkreis München-Land Süd seit 2008. Unter Markus Söder war sie zunächst Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, dann für Wohnen, Bauen und Verkehr. © Matthias Balk/dpa

Anlässlich des Weltfrauentags spricht Ex-Staatsministerin Kerstin Schreyer im Interview über Machtspielchen, Quoten und Weiblichkeit. So sieht sie die Zeit gekommen für eine Ministerpräsidentin

Landkreis – Kerstin Schreyer ist seit über 30 Jahren aktiv in der CSU – unter anderem war sie Staatsministerin unter Ministerpräsident Markus Söder – bis dieser sie 2022 absetzte. Ein Gespräch über Machtspielchen, Quoten und Weiblichkeit anlässlich des heutigen Weltfrauentags.

Ex-Ministerin Kerstin Schreyer: „Bayern ist reif für eine Ministerpräsidentin“

Frau Schreyer, ist Bayern bereit für eine Ministerpräsidentin?

Bayern ist reif für eine Ministerpräsidentin. Ich wüsste einige starke Frauen im Landtag, die ich mir vorstellen könnte. Besonders eine.

Ilse Aigner?

Ja.

Würde sich mit einer Frau an Bayerns Spitze etwas ändern?

Ich glaube, Frauen können besser aushalten, dass neben ihnen auch noch andere stark sein können. Sie sind lösungsorientierter und verstehen: Auf ein Foto passen mehrere Menschen.

Männliches Egoproblem?

Mir würde zumindest kein großer Krieg einfallen, der von einer Frau begonnen wurde. Aus der Wirtschaft wissen wir: Lehman Brothers wäre nie so gestrandet, hätten sie Lehmann Sisters geheißen.

War Deutschland wegen „Mutti“ Merkel lange so stabil?

Wichtig ist ihre Vorbildfunktion – wir brauchen mehr Frauen in Führungspositionen. Mir geht es hier nicht um Stellvertreterinnen. Die Frage ist, wie viele Vorsitzende weiblich sind.

Können wir uns nach 16 Jahren Bundeskanzlerin den Weltfrauentag nicht sparen?

Es ist ein Anlass zu fragen: Sind wir gleichberechtigt? Wenn wir ehrlich sind, lautet die Antwort: Nein.

Woran sehen sie das?

Selbst wenn Frauen die Mehrheit in einer Berufsgruppe sind, haben Männer die Führungsposten. Wenn man in einer Einrichtung zwei Männer hat, ist einer der Leiter und der andere Hausmeister.

Brauchen wir eine Frauenquote?

In der Wirtschaft war es zwingend notwendig, weil sie uns immer erklärt hat, Stellen weiblich zu besetzen, sobald qualifizierte Frauen da sind – aber dazu kam es nie. In der CSU haben wir eine Quote im Landes- und Bezirksvorstand, und das ist auch gut so. Ich glaube, die alles entscheidende Quote, die wir nicht haben, wäre bei den Delegierten – denn die entscheiden, wer aufgestellt wird. Wir merken das jetzt bei den Landtagswahlen: Es sind weniger Frauen aufgestellt als zuvor. Das ist wahnsinnig frustrierend. 52 Prozent der Bevölkerung ist weiblich – das ist nicht die Realität im Bayerischen Landtag.

Sind Markus Söder Frauen egal?

Eine Zeit lang hat er das Thema stark gesetzt. Es war ja die Hälfte der Minister weiblich –durch die Kabinettsumbildung ist das jetzt nicht mehr der Fall. Da wo er konnte, hat er Frauen immer gefördert – aber die Partei hat das, glaube ich, nicht honoriert. Aktuell haben wir nur noch vier Ministerinnen im Kabinett – ich gehe davon aus, dass sich das nach der Wahl wieder ausgeglichener ist. Anders kann man das heute nicht mehr vermitteln.

Wie haben Sie sich in der politischen Männerwelt behauptet?

Ich war früher sehr schüchtern, habe wenig Netzwerke gehabt. Ich habe mich aber immer wohlgefühlt und bin gut aufgenommen worden. Ich hatte nie die Situation, dass mich die Männer irgendwo ausgeschlossen habe.

Keine Machtkämpfe?

Spätestens in der politischen Landesliga beginnen die Spielchen. Da müssen sich Männer und Frauen Gehör verschaffen – das ist keine Geschlechterfrage.

Haben Sie eine Geheimwaffe?

Frauen werden in der Regel unterschätzt – das kann man sich auch zunutze machen.

Ist Feminismus dann überflüssig?

Ich glaube, dass manche Debatten schaden. Wenn wir Gendersternchen diskutieren, reden wir nicht mehr über den Gender-Pay-Gap oder Frauen in Führungspositionen. Ich habe gerade eher das Gefühl, dass wir einen Rückschritt machen. Im Politischen übernehmen weniger Frauen Verantwortung. In Familienfragen erlebe ich hingegen einen Fortschritt. Immer mehr Väter übernehmen Verantwortung für ihre Kinder.

Mindestens in Familien herrscht also Gleichberechtigung?

Ich kenne viele Väter, die sich äußerst verantwortungsvoll bei der Kindererziehung beteiligen. Wenn es aber eng wird, sind es selten Männer, die einen Karriereknick in Kauf nehmen. Junge Frauen fragen mich oft: Wie machen Sie das mit Kind. Von Männern kommt diese Frage nie.

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