1. tz
  2. München
  3. Region

Ein Mann mit vielen Berufen: Wie ein Tunesier den Weg nach Geretsried fand

Erstellt:

Von: Rudi Stallein

Kommentare

Visagist Ridha Abichou im Salon, in dem er arbeitet.
Tunesier mit deutschem Pass: Visagist Ridha Abichou im Salon, in dem er arbeitet. © Rudi Stallein

Nach zahlreichen Stationen hat Ridha Abichou sein Glück in Geretsried gefunden. Um nach Deutschland zu gehen, schmiss er sein Mathe-Studium.

Geretsried – Wenn sich ein Mann räumlich verändert, hat das oft mit der Arbeit zu tun – oder es steckt eine Frau dahinter. Ridha Abichou brachte die Kombination aus beidem nach Geretsried. Rund zehn Jahre ist es her, dass der Tunesier (56), der damals in München lebte, Friseurmeisterin Margot Bellini kennenlernte. Sie hat Abichou „einen neuen Weg gezeigt“. Damals habe er sich nach einem neuen Betätigungsfeld umgeschaut und die Möglichkeit, im Salon der ehemaligen Welt- und Europameisterin im Friseurhandwerk mitzuarbeiten und in eine völlig neue Berufswelt reinschnuppern zu können, reizte ihn. Zu der Zeit fuhr er für ein Busunternehmen in Schliersee Kinder zur Schule und zurück und ab und zu mit kleinen Reisegruppen nach Österreich.

Ein Mann mit vielen Berufen: Wie ein Tunesier den Weg nach Geretsried fand

Erstmals nach Deutschland kam Abichou im Sommer 1990. 23 Jahre jung war er damals, studierte in Tunesien Mathematik und Technik. In Deutschland wollte er sein Studium fortsetzen, entschied sich dann aber dazu, dies doch lieber in Frankreich zu tun. „Französisch ist fast so etwas wie meine Muttersprache, das war für mich doch leichter als Deutsch“, erklärt er. Um sein Studium zu finanzieren, jobbte er bei einem Schreibwarenhersteller. „Die Arbeit hat mir Spaß gemacht. Ich dachte, ich kann mir als Außendienstmitarbeiter etwas aufbauen, ich muss nicht unbedingt noch fünf, sechs, sieben Jahre weiterstudieren.“

Deshalb schmiss er das Studium, ging für seinen Arbeitgeber nach Deutschland – und kündigte den Job, „als der Seniorchef gestorben war und seine Kinder es nicht im Griff hatten. Da sind viele Mitarbeiter gegangen.“ Es folgte eine Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann bei einem großen Reiseveranstalter in München. Danach hat er in verschiedenen Reisebüros gearbeitet, in Odelzhausen, in Olching. Ein paar Jahre ist er von Büro zu Büro gereist und brachte den Mitarbeitern dort den Umgang mit dem Reservierungssystem Amadeus bei. „Das war mein Beruf, Amadeus war meine Spezialität“, berichtet Abichou. „Das habe ich gerne gemacht. Aber ich habe jeden Beruf gerne gemacht.“

Aktuelle Nachrichten aus Geretsried lesen Sie hier.

Seine Devise ist: „Von nichts kommt nichts“, wie er mehrmals im Gespräch betont. Für ihn bedeutete das, Seminare zu besuchen, sich fortzubilden. „Ich strenge mich an, dass ich mein Ziel so schnell wie möglich erreiche.“ Das half ihm auch, sich in der neuen Branche rasch zurechtzufinden. „Ich habe gesehen, dass die Reisebürobranche gelitten hat nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York und später durch das Internet. Ich wollte da raus.“ Deshalb fuhr Abichou Bus, „als Überbrückung, bis ich was anderes finde“.

Länderserie Geretsried: Visagist musste zuerst „schwitzen und investieren“

Die neue Chance im Friseursalon nahm er so selbstverständlich an wie alle beruflichen Herausforderungen davor. „Ich habe im Salon mitgearbeitet und gedacht, das ist vielleicht auch was für mich. Dann habe ich angefangen zu schwitzen – und investiert.“ Er besuchte Schminkseminare und -schulungen in Düsseldorf, in Nürnberg, in Frankfurt, in Paris. „Ich habe mich vom Busreisebüro endgültig verabschiedet“, so Abichou, „und bin hiergeblieben.“

Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s auch in unserem regelmäßigen Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter.

Und zwar als Experte in Sachen Permanent-Make-up, Visagistik und Extensions. Schminken hat ihn immer fasziniert, erklärt er. „Du machst einen Menschen damit glücklich“, sagt der Visagist, der mit dieser Philosophie auf einer Wellenlänge mit seiner Partnerin liegt, mit der er beruflich wie privat „ein super Team“ bildet. „In dieser Branche siehst du jeden Tag, jede Minute Freude. Und du lernst jeden Tag etwas Neues, es ist nie langweilig, nie Routine. Und wie gesagt: Von nix kommt nix“, betont der Visagist, der seit zehn Jahren in Geretsried lebt. „Das ist im Augenblick mein Zuhause, meine Heimat.“

Der 56-Jährige „möchte Geretsried mit keinem Ort tauschen. Auch die vielen Nationen, die hier leben, machen die Stadt attraktiv. Es macht Spaß, hier zu leben“, erklärt Abichou, der leidenschaftlich gern Salsa tanzt. Das vermisst er in Geretsried – anders als in München, wo er früher nach der Arbeit zum Entspannen fünf Mal die Woche zum Tanzen gegangen ist. Das hat ihm auch bei der Integration geholfen. „Durch die Arbeit und das Tanzen habe ich viele soziale Kontakte geknüpft. Dann hast du die Integration im Griff. Integration ist ja nicht nur ein Wort. Das muss man spüren“, erklärt Abichou. „Ich habe mich nicht integriert, weil ich ein bisschen Deutsch kann. Das hat auch mit Gefühl zu tun. Deutschland ist meine zweite Heimat“, sagt der Tunesier mit deutschem Pass.

Seine Familie besucht er weiterhin „zwei, drei Mal im Jahr. Aber mir macht es hier sehr, sehr viel Spaß, und ich bin sehr froh und dankbar, dass ich in Deutschland leben und arbeiten darf.“

Auch interessant

Kommentare